Auf der nordwärts-Konferenz des IfW Kiel forderten heute Claus Ruhe Madsen, Wirtschaftsminister des Landes Schleswig-Holstein, und Moritz Schularick, Präsident des IfW Kiel, unbürokratische und innovative Lösungen, um den drohenden Fachkräftemangel abzuwenden. Schularick schlägt konkret einen Online-Fähigkeitstest vor, bei dem die Bewerber mit den höchsten Punktzahlen eine befristete Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland erhalten und an Firmen in Schleswig-Holstein vermittelt werden. Der Vorschlag ist eine Reaktion auf eine Studie des IfW Kiel und der Fachhochschule Kiel, wonach dem Land bis in 10 Jahren über 300.000 Arbeitskräfte fehlen könnten.
„Wir müssen bei der Gewinnung von Fachkräften für Schleswig-Holstein ganz neue Wege gehen. Dafür müssen wir schnell und unbürokratisch junge, motivierte und kluge Menschen aus der ganzen Welt nach Deutschland holen, die dann hier eine Berufsausbildung oder ein Studium beginnen können“, forderte Schularick heute auf der nordwärts-Konferenz, die vom Landeswirtschaftsministerium und der IHK zu Kiel gefördert wird.
Zustimmung erhält er dabei von Landeswirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen. „Wir müssen bereit für Veränderungen und innovative Lösungen sein. Sollte es uns nicht gelingen, den absehbaren Fachkräftemangel zu adressieren, drohen uns Unternehmungsschließungen, ein Schrumpfen der Wirtschaft und am Ende Wohlstandsverluste, die uns alle betreffen werden.“
Schularick präsentierte auf der Konferenz einen Vorschlag für die Zuwanderung von Fachkräften mit minimalem bürokratischem Aufwand. Demnach sollten Bewerber weltweit online einen standardisierten Fähigkeitstest machen, also einen um praktische Problemlösungsfähigkeiten erweiterten Intelligenztest.
Ohne Rücksicht auf die Nationalität würden die Schlauesten eine Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis in Deutschland für zunächst 5 Jahre erhalten und an Firmen in Schleswig-Holstein vermittelt, damit sie hier eine Ausbildung oder ein Studium absolvieren können und ins Berufsleben starten. Für diejenigen Teilnehmer dieses Programms, die nach Ablauf der 5 Jahre in den Arbeitsmarkt integriert sind, wird die Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis in eine Niederlassungserlaubnis umgewandelt.
„Durch das vorgeschlagene Programm fallen hohe bürokratische Hürden wie etwa die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen für die Bewerber weg. Durch den im Zugang niedrigschwelligen Online-Test hat praktisch jeder auf der Welt die Chance zur Teilnahme“, so Schularick.
Der Vorschlag ist eine Reaktion auf ein Gutachten des IfW Kiel und der Fachhochschule Kiel zum Fachkräftemangel in Schleswig-Holstein, die vom Landeswirtschaftsministerium in Auftrag gegeben wurde. Heute ist dazu ein Kieler Beitrag zur Wirtschaftspolitik erschienen.
Demnach droht dem Land ohne politische Reaktion eine Verzehnfachung der Arbeitskräftelücke von heute rund 35.000 Personen auf rund 330.000 Personen bis zum Jahr 2035. Betroffen ist in erster Linie das Gesundheitswesen, ebenso das für den Ausbau der erneuerbaren Energien essenzielle Baugewerbe sowie der Handel.
In erster Linie fehlen dem Land dann Fachkräfte, also Personen mit abgeschlossener, mindestens 2jähriger Berufsausbildung. Laut Projektion beträgt die Lücke hier 200.000 Personen, die sich insbesondere auch in der für den Tourismus so wichtigen Gastronomie bemerkbar machen dürfte. Für einfache Helfertätigkeiten dürften rund 75.000 Personen fehlen.
„Ähnlich wie beim Klimawandel scheint es viele Menschen zu geben, die der Meinung sind, dass das Problem schon nicht so dramatisch sein wird, ganz nach dem Motto 'Augen zu und durch'. Das wird nicht funktionieren“, so Madsen.
Jetzt Kieler Beitrag zur Wirtschaftspolitik lesen: „Der Fachkräftemangel in Schleswig-Holstein: Entwicklungen und Perspektiven“ (https://www.ifw-kiel.de/de/publikationen/der-fachkraeftemangel-in-schleswig-hols...)
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