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06/10/2024 17:49

Erstmals Frost auf den höchsten Vulkanen des Mars nachgewiesen

Nathalie Matter Media Relations, Universität Bern
Universität Bern

    Zum ersten Mal wurde auf den kolossalen Vulkanen auf dem Mars, den höchsten Bergen in unserem Sonnensystem, Wasserfrost nachgewiesen. Das internationale Team unter der Leitung der Universität Bern verwendete hochauflösende Farbbilder der Berner Marskamera CaSSIS an Bord der Sonde ExoMars Trace Gas Orbiter der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Zu verstehen, wo Wasser zu finden ist und wie es transportiert wird, ist für zukünftige Marsmissionen und die mögliche Erkundung des Mars durch den Menschen von Bedeutung.

    «ExoMars» ist ein Weltraumprogramm der Europäischen Weltraumorganisation ESA und steht für Exobiologie auf dem Mars: Zum ersten Mal seit den 1970er-Jahren wird aktiv nach Leben auf dem Mars geforscht. An Bord des ExoMars Trace Gas Orbiter (TGO) befindet sich das Color and Stereo Surface Imaging System (CaSSIS), ein Kamerasystem, das von einem internationalen Team unter der Leitung von Professor Nicolas Thomas vom Physikalischen Institut der Universität Bern entwickelt und gebaut wurde. CaSSIS beobachtet den Mars seit April 2018 und liefert hochauflösende Farbbilder der Marsoberfläche.

    Mit diesen hochauflösenden Farbbildern konnte ein internationales Team unter der Leitung von Dr. Adomas Valantinas Wasserfrost auf dem Mars nachweisen. Die Studie wurde soeben in der Zeitschrift Nature Geoscience veröffentlicht. Valantinas war bis Oktober 2023 Doktorand am Departement Space Research & Planetary Sciences des Physikalischen Instituts der Universität Bern und ist derzeit dank des Postdoc.Mobility-Stipendiums des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) als Gastforscher an der Brown University (USA).

    Eine unerwartete Entdeckung

    Der Frost wurde auf den Gipfeln der höchsten Berge des Mars entdeckt – den Tharsis-Vulkanen. Diese Vulkane sind die höchsten Berge im Sonnensystem, der Olympus Mons ragt bis zu 26 km über die umliegenden Ebenen hinaus. Diese Frostbildung war nicht erwartet worden, da diese Berge in niedrigen Breitengraden in der Nähe des Marsäquators liegen. «In diesen niedrigen Breitengraden hält die starke Sonneneinstrahlung die Oberflächentemperaturen tendenziell hoch. Daher haben wir nicht erwartet, dass wir dort Frost finden», so Valantinas. Ausserdem kühlt die dünne Atmosphäre auf dem Mars die Oberfläche nur unzureichend ab, so dass hoch gelegene Oberflächen in den Mittagsstunden genauso heiss werden können wie niedrig gelegene, was auf der Erde nicht der Fall ist.

    Valantinas erklärt: «Aufsteigende Winde bringen wasserdampfhaltige Luft aus dem Tiefland nach oben, die sich in der Höhe abkühlt und kondensiert. Das ist ein bekanntes Phänomen sowohl auf der Erde als auch auf dem Mars.» Das gleiche Phänomen verursacht die auffällige Arsia Mons Elongated Cloud – und die neue Studie zeigt, dass dieses Phänomen auch auf den Tharsis-Vulkanen zu morgendlichen Frostablagerungen führt. «Wie wir anhand der CaSSIS-Bilder sehen konnten, sind die dünnen Reifablagerungen nur kurz vorhanden, nämlich für einige Stunden um den Sonnenaufgang herum, bevor sie im Sonnenlicht verdampfen», so Valantinas weiter.

    Erfolgreiche Zusammenarbeit

    Um den Frost zu identifizieren, analysierten Valantinas und das Team mehr als 5'000 Bilder der Berner Marskamera CaSSIS. Seit April 2018 liefert CaSSIS Beobachtungen zur lokalen Staubaktivität, zu den jahreszeitlichen Veränderungen der CO2-Eisvorkommen und zur Existenz von Trockenlawinen auf dem Mars. Nicolas Thomas sagt dazu: «Dass wir nun die nächtliche Ablagerung von Wassereis auf dem Mars bei visuellen Wellenlängen und mit hoher Auflösung nachweisen konnten, ist ein weiterer Beweis für die beeindruckenden wissenschaftlichen Fähigkeiten des Berner Kamerasystems.»

    Die Entdeckung wurde durch unabhängige Beobachtungen der hochauflösenden Stereokamera (HRSC) an Bord des ESA-Orbiters Mars Express und des Spektrometers Nadir and Occultation for Mars Discovery (NOMAD) an Bord von TGO validiert. Ernst Hauber, Geologe am DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin und Mitautor der aktuellen Studie erklärt: «Diese Studie zeigt sehr schön, wie wertvoll verschiedene Orbitalinstrumente sind. Durch die Kombination von Messungen verschiedener Instrumente und Modellierung können wir unser Verständnis der Wechselwirkungen zwischen Atmosphäre und Oberfläche auf eine Weise verbessern, die mit einem Instrument allein nicht möglich wäre.» Die Ergebnisse zeigen gemäss Hauber auch, wie wichtig die langfristige Beobachtung planetarer Prozesse ist, da einige Phänomene erst durch den Vergleich mehrerer Messungen im Laufe der Zeit sichtbar werden.

    Wichtige Erkenntnisse für zukünftige Marsmissionen

    Trotz ihrer geringen Dicke – wahrscheinlich nur ein Hundertstel eines Millimeters (so dick wie ein menschliches Haar) – bedecken die Frostflecken eine riesige Fläche. «Die Menge an Frost entspricht etwa 150’000 Tonnen Wasser, die während der kalten Jahreszeit jeden Tag zwischen der Oberfläche und der Atmosphäre ausgetauscht werden, was etwa 60 olympischen Schwimmbecken entspricht», erklärt Valantinas.

    «Zu verstehen, wo Wasser zu finden ist und wie es sich zwischen den Reservoirs bewegt, ist für viele Aspekte der Marsforschung von Bedeutung», so Thomas. «Natürlich wollen wir die physikalischen Prozesse verstehen, die das Klima auf dem Mars bestimmen. Aber auch das Verständnis des Wasserkreislaufs auf dem Mars ist von grosser Bedeutung, um wichtige Ressourcen für die künftige Erforschung des Mars durch den Menschen zu finden und herauszufinden, wo es auf dem Mars Wasser gibt und ob der Mars früher oder heute bewohnbar war oder ist», so Valantinas abschliessend.

    Förderung durch das SBFI / Abteilung Raumfahrt

    CaSSIS ist ein Projekt der Universität Bern und ist finanziert von der Abteilung Raumfahrt des SBFI durch das PRODEX-Programm der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Die Entwicklung der Instrumenten-Hardware wurde auch von der Italienischen Weltraumagentur (ASI), dem INAF/Astronomischen Observatorium von Padua und dem Weltraumforschungszentrum (CBK) in Warschau unterstützt. Bei allen in der Schweiz entwickelten Instrumenten kommen wesentliche Beiträge und/oder Teillieferungen von der Schweizer Industrie. Das Programm PRODEX, in dessen Rahmen wissenschaftliche Instrumente oder Teilsysteme geliefert werden, setzt eine Industriebeteiligung voraus und fördert so den Wissens- und Technologietransfer zwischen Hochschulen und Industrie und verschafft dem Wirtschaftsstandort Schweiz einen strukturellen Wettbewerbsvorteil – nicht zuletzt dank Spillover-Effekten auf andere Bereiche der beteiligten Unternehmen. Die Schweizer Beteiligung an ESA-Programmen ermöglicht es Schweizer Akteuren aus Wissenschaft und Industrie, sich in den ESA-Aktivitäten in diesem Bereich optimal zu positionieren. Mehr Informationen zu CaSSIS: https://www.cassis.unibe.ch/

    Berner Weltraumforschung: Seit der ersten Mondlandung an der Weltspitze

    Als am 21. Juli 1969 Buzz Aldrin als zweiter Mann aus der Mondlandefähre stieg, entrollte er als erstes das Berner Sonnenwindsegel und steckte es noch vor der amerikanischen Flagge in den Boden des Mondes. Dieses Solar Wind Composition Experiment (SWC), welches von Prof. Dr. Johannes Geiss und seinem Team am Physikalischen Institut der Universität Bern geplant und ausgewertet wurde, war ein erster grosser Höhepunkt in der Geschichte der Berner Weltraumforschung. Die Berner Weltraumforschung ist seit damals an der Weltspitze mit dabei: Die Universität Bern nimmt regelmässig an Weltraummissionen der grossen Weltraumorganisationen wie ESA, NASA oder JAXA teil. Mit CHEOPS teilt sich die Universität Bern die Verantwortung mit der ESA für eine ganze Mission. Zudem sind die Berner Forschenden an der Weltspitze mit dabei, wenn es etwa um Modelle und Simulationen zur Entstehung und Entwicklung von Planeten geht. Die erfolgreiche Arbeit der Abteilung Weltraumforschung und Planetologie (WP) des Physikalischen Instituts der Universität Bern wurde durch die Gründung eines universitären Kompetenzzentrums, dem Center for Space and Habitability (CSH), gestärkt. Der Schweizer Nationalsfonds sprach der Universität Bern zudem den Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS) PlanetS zu, den sie gemeinsam mit der Universität Genf leitet.


    Contact for scientific information:

    PROF. DR. NICOLAS THOMAS
    Physikalisches Institut, Weltraumforschung und Planetologie (WP), Universität Bern
    Telefon: +41 31 684 44 06

    E-Mail-Adresse: nicolas.thomas@unibe.ch


    Original publication:

    A. Valantinas, N. Thomas, A. Pommerol, E. Hauber, L. Ruiz Lozano, V. Bickel, O. Karatekin, C.B. Senel, O. Temel, D. Tirsch, G. Munaretto, M. Pajola, F. Oliva, F. Schmidt, I. Thomas, A.S. McEwen, M. Almeida, M. Read, V.G. Rangarajan, M.R. El-Maarry, C. Re, F. G. Carrozzo, E. D’Aversa, A.C. Vandaele and G. Cremonese: Evidence for transient morning water frost deposits on the Tharsis volcanoes of Mars, Nature Geoscience, June 10, 2024. https://www.nature.com/articles/s41561-024-01457-7
    DOI: 10.1038/s41561-024-01457-7


    More information:

    https://mediarelations.unibe.ch/medienmitteilungen/2024/medienmitteilungen_2024/...


    Images

    Das Bild zeigt den Olympus Mons, den höchsten Vulkan im gesamten Sonnensystem. Die Aufnahme ist Teil neuer Studie, die zum ersten Mal Wasserfrost in der Nähe des Marsäquators nachweisen konnten, wo bisher kein Frost vermutet wurde.
    Das Bild zeigt den Olympus Mons, den höchsten Vulkan im gesamten Sonnensystem. Die Aufnahme ist Teil ...

    © ESA/DLR/FU Berlin

    Hochauflösendes (4,5 m/Pixel) CaSSIS-Farbbild des Frosts auf dem Calderaboden und dem Nordrand des Olympus Mons. An den gut beleuchteten steilen Hängen gibt es keinen Frost.
    Hochauflösendes (4,5 m/Pixel) CaSSIS-Farbbild des Frosts auf dem Calderaboden und dem Nordrand des O ...

    © ESA/TGO/CaSSIS CC-BY-SA 3.0 IGO


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    Criteria of this press release:
    Journalists
    Physics / astronomy
    transregional, national
    Research results
    German


     

    Das Bild zeigt den Olympus Mons, den höchsten Vulkan im gesamten Sonnensystem. Die Aufnahme ist Teil neuer Studie, die zum ersten Mal Wasserfrost in der Nähe des Marsäquators nachweisen konnten, wo bisher kein Frost vermutet wurde.


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    Hochauflösendes (4,5 m/Pixel) CaSSIS-Farbbild des Frosts auf dem Calderaboden und dem Nordrand des Olympus Mons. An den gut beleuchteten steilen Hängen gibt es keinen Frost.


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