Alternative Fakten und konkurrierende Wahrheiten sind kein neues Phänomen: Schon vor Hunderten von Jahren legten sich Akteure ins Zeug, um ihrer jeweiligen Wahrheit Geltung zu verschaffen. Zwischen dem 13. und dem 17. Jahrhundert boomten Schriftgebrauch und Druck und es entstand eine Fülle zum Teil widersprüchlicher Informationen. Welche Strategien angewandt wurden, um Wahrheit durchzusetzen, und wie diese Strategien aufgenommen und beobachtet wurden, untersuchen Promovierende im Graduiertenkolleg „Wissen – Glauben – Behaupten: Wahrheitsproduktion und Wahrheitsdurchsetzung in der Vormoderne“ (GRK 2945) an der Ruhr-Universität Bochum.
Das Kolleg wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft für fünf Jahre mit rund 4,8 Millionen Euro gefördert.
Plötzlich gibt es mehr als eine Wahrheit
„Zwischen dem 13. und dem 17. Jahrhundert gab es in Europa und Asien eine erhebliche Zunahme der Schriftlichkeit“, berichtet Prof. Dr. Christina Lechtermann, Sprecherin des Graduiertenkollegs. „Schon vor dem Buchdruck explodierte die Textproduktion, unter anderem durch die verstärkte Papierherstellung. Plötzlich gab es konkurrierende Wahrheiten, wo es in den unterschiedlichen Wissens- oder Glaubensgemeinschaften zuvor nur eine gültige Auffassung gegeben hatte. Das brachte Konflikte mit sich.“
In dem Graduiertenkolleg geht es darum, herauszuarbeiten, wie historische Akteure versucht haben, der jeweils eigenen Wahrheit Geltung zu verschaffen – unabhängig davon, ob diese Wahrheit richtig oder falsch war. Andererseits soll untersucht werden, wie in Texten, Bildern und Inszenierungen Prozesse der Wahrheitsproduktion beobachtet und reflektiert werden. Betrachtet werden dabei gleichermaßen Europa und seine frühen kolonialen Kontaktzonen sowie China und Korea, die sich durch ihre ausdifferenzierte Schriftkultur und deren spezifische Dynamiken für eine vergleichende Analyse besonders eignen.
„Indem wir nach der Gemachtheit von Wahrheit fragen, tragen wir der Tatsache Rechnung, dass Wahrheit, auch wenn sie als gegeben, unerreichbar oder ewig verstanden wird, nur im Modus ihrer Vermittlung fassbar ist“, so heißt es in der Beschreibung des Vorhabens. „Wahrheit muss behauptet werden, ihr Status muss spezifisch angeschrieben oder medial verkörpert werden, sie erscheint medienimmanent.“
Prof. Dr. Christina Lechtermann
Germanistisches Institut
Fakultät für Philologie
Ruhr-Universität Bochum
Tel. +49 234 32 28610
E-Mail: christina.lechtermann@ruhr-uni-bochum.de
Webseite zum GRK in der Germanistik
Criteria of this press release:
Journalists
Cultural sciences, History / archaeology, Language / literature, Media and communication sciences
transregional, national
Research projects
German
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