idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
10/01/2024 10:52

Auszeichnung: Wie Nierenmärkte Menschen unter Druck setzen könnten

Dr. Julia Weiler Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Dass in vielen Ländern wesentlich weniger Organe zur Transplantation zur Verfügung stehen, als eigentlich gebraucht werden, ist bekannt. Um das zumindest für gewisse Organe zu ändern, schlagen einige Forschende vor, einen staatlich regulierten Markt zu etablieren, auf dem Menschen freiwillig ihre Niere verkaufen können. Inwiefern der Verkauf einer Niere für in Armut lebende Menschen wirklich freiwillig wäre, hat Christin Hempeler von der Ruhr-Universität Bochum untersucht. Die Medizinethikern erhielt für ihre Arbeit den Nachwuchspreis der Akademie für Ethik in der Medizin. Hempeler nahm die mit 2.500 Euro dotierte Auszeichnung am 26. September 2024 in Tübingen entgegen.

    Die Einführung von Nierenmärkten wird kontrovers diskutiert. „Kritiker*innen eines solchen Marktes wenden unter anderem ein, dass das Angebot, für den Verkauf einer Niere eine große Summe Geld zu erhalten, für in Armut lebende Menschen so unwiderstehlich wäre, dass sie praktisch keine andere Wahl hätten, als es anzunehmen. Somit wäre die Freiwilligkeit ihrer Einwilligung eingeschränkt“, sagt Christin Hempeler. „Befürworter*innen führen hingegen an, dass durch Angebote kein Zwang ausgeübt werden kann, auch wenn sie das Ziel haben, Personen zu einer bestimmten Handlungsweise zu motivieren.“ Diese Sichtweise korrespondiert mit einer Standardtheorie von Zwang in der Medizinethik, der sogenannten Baseline-Theorie von Zwang. Sie besagt, dass Angebote keinen Zwang ausüben können, weil sie lediglich eine neue Handlungsoption eröffnen, ohne vorherige Handlungsoptionen einzuschränken.

    Angebote können Zwang ausüben

    Christin Hempeler widerspricht dieser Sichtweise. In ihrer Arbeit zeigt sie, dass die Argumentation der Baseline-Theorie im Fall von Nierenmärkten nicht stichhaltig ist. „Es wird nicht berücksichtigt, dass die Einführung des Angebots, eine Niere im Rahmen eines Marktes für viel Geld zu verkaufen, strukturelle gesellschaftliche Veränderungen verursachen würde“, erklärt die Forscherin und führt aus: „Menschen, die in Armut leben, könnten sozialem Druck ausgesetzt sein, ihre Niere zu verkaufen. Oder es könnten staatliche Bemühungen reduziert werden, Armut zu bekämpfen, weil erwartet wird, dass Menschen zunächst ihre Niere verkaufen.“ Daher würden Nierenmärkte nicht nur eine Handlungsoption für in Armut lebende Menschen hinzufügen, ohne vorherige Handlungsoptionen einzuschränken. „Sie würden den gesamten Kontext verändern, in dem Menschen leben und handeln“, folgert die Medizinethikerin.

    Standardtheorie von Zwang in bestimmten Kontexten nicht geeignet

    Christin Hempeler zeigt in ihrer Arbeit, dass die Baseline-Theorie als Standardtheorie von Zwang nicht geeignet ist, um zu beurteilen, ob das Angebot, eine Niere zu verkaufen, Zwang auf Menschen ausüben würde. Damit zeigt die Wissenschaftlerin eine grundsätzliche Limitation der Theorie auf: nämlich, dass sie potenzielle strukturelle Veränderungen durch Angebote nicht berücksichtigt und damit in manchen Kontexten nicht geeignet ist, um die Freiwilligkeit einer informierten Einwilligung zu beurteilen.


    Contact for scientific information:

    Christin Hempeler
    Institut für Medizinische Ethik und Geschichte der Medizin
    Ruhr Universität Bochum
    Tel.: +49 234 32 28582
    E-Mail: christin.hempeler@ruhr-uni-bochum.de


    Images

    Preisträgerin Christin Hempeler vom Institut für Medizinische Ethik und Geschichte der Medizin der Ruhr-Universität Bochum
    Preisträgerin Christin Hempeler vom Institut für Medizinische Ethik und Geschichte der Medizin der R ...

    RUB, Kramer


    Criteria of this press release:
    Journalists
    Medicine, Philosophy / ethics
    transregional, national
    Contests / awards, Research results
    German


     

    Preisträgerin Christin Hempeler vom Institut für Medizinische Ethik und Geschichte der Medizin der Ruhr-Universität Bochum


    For download

    x

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).