Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) hat eine neue S1-Leitlinie zum Umgang mit dem Wunsch nach Suizidassistenz in der hausärztlichen Praxis veröffentlicht. Diese Handlungsempfehlung ist bislang weltweit die einzige, die sich mit der Suizidassistenz im hausärztlichen Setting befasst.
Suizid ist ein Thema, das wohl niemanden kalt lässt. Auch über die Suizidassistenz wird kontrovers diskutiert. 2020 kam neue Bewegung in die Debatte, als das Bundesverfassungsgericht klar gemacht hat, dass Menschen beim Suizid auch die Hilfe von Dritten in Anspruch nehmen dürfen. Das bisherige Verbot der gewerblichen Suizidassistenz wurde als verfassungswidrig erklärt. Eine neue gesetzliche Regelung gibt es bisher nicht.
Pro Tag sterben in Deutschland mehr als 25 Menschen durch eigene Hand – bei geschätzten 10 bis 20 Versuchen pro Suizid. Nicht nur die hohen Zahlen zeigen: Das Thema verlangt unser aller Aufmerksamkeit. In der hausärztlichen Praxis kommt der Wunsch nach Suizidassistenz zwar nicht ständig, aber doch punktuell immer wieder vor: Im Laufe der vielen Jahre, in denen Menschen in der hausärztlichen Praxis betreut und begleitet werden, entsteht zwischen allen Beteiligten eine Vertrauensbasis, so dass sich Betroffene auch in existenziellen Krisen an erster Stelle ihren Hausärztinnen und Hausärzten anvertrauen.
„Wie gehen wir Ärztinnen und Ärzte damit um, wenn ein Patient um Hilfe beim Suizid bittet? Hilfe bei der Selbsttötung entspricht in der Regel nicht dem ärztlichen Selbstverständnis. Umso wichtiger ist es, sich auf dieses Szenario vorzubereiten. Deshalb hat die DEGAM diese Leitlinie entwickelt, um den Hausärztinnen und Hausärzten evidenzbasierte Empfehlungen zur Auseinandersetzung mit dem Thema zur Verfügung zu stellen“, erklärt Prof. Martin Scherer, Präsident der DEGAM.
Die S1-Leitlinie informiert Hausärztinnen und Hausärzte über die rechtlichen Rahmenbedingungen, klärt Begrifflichkeiten, gibt Empfehlungen zur Kommunikation mit den Patientinnen und Patienten und fasst Optionen zur Medikation unter Berücksichtigung des Betäubungsmittelgesetzes zusammen. „Dabei vertreten wir kein Pro oder Contra. Wie immer, bildet auch diese DEGAM-Leitlinie teilweise kontroverse Perspektiven ab, aus denen ein Kompromiss entwickelt wird“, so Scherer weiter.
„Die wichtigste Botschaft unserer Leitlinie ist, das Gespräch mit dem Patienten / der Patientin nicht abreißen zu lassen. Die Leitlinie ist keine Anleitung zur Suizidassistenz, sondern gibt Empfehlungen, wie der Dialog mit einem Menschen mit Sterbewunsch gelingen kann“, kommentiert Dr. Ilja Karl, niedergelassener Hausarzt und gleichzeitig federführend an der Leitlinie beteiligt. „Auch wenn ein Arzt / eine Ärztin die Assistenz nicht durchführen möchte, müssen wir alles tun, um im Gespräch zu bleiben. Das ist unsere Aufgabe in der hausärztlichen Praxis. Im Übrigen kann auch schon ein offenes und vertrauensvolles Gespräch immer wieder suizidpräventiv wirken.“
Neben der Informationsvermittlung regt die Leitlinie an, dass sich Ärztinnen und Ärzte mit ihrer eigenen Haltung zum assistierten Suizid auseinandersetzen: Nur wer weiß, was er / sie denkt und fühlt, kann auch mögliche Grenzen des eigenen Handelns erkennen. „Diese Reflexion der eigenen Haltung verlangt Ärztinnen und Ärzten viel ab. Trotzdem geht es nicht ohne. Entsprechende Vorschläge fassen wir in der Leitlinie zusammen“, so Dr. Sandra Blumenthal, die ebenfalls an der Erstellung der Leitlinie beteiligt war.
Der nächste Schritt ist nun, das in der Leitlinie zusammengefasste Wissen in die hausärztliche Praxis zu bringen: So setzt sich die DEGAM dafür ein, die Inhalte in Fortbildungsangebote einzubinden und den kollegialen Austausch sowie das offene und unvoreingenommene Zuhören zu stärken. Davon profitieren alle: Bei den Ärztinnen und Ärzten steigen Wahrnehmung und Aufmerksamkeit für das Thema, so dass es leichter wird, auf oft nur sehr vorsichtige Andeutungen der Patientinnen und Patienten einzugehen. Das ist der erste Schritt zur Suizidprävention.
Die S1-Leitlinie „Der Umgang mit dem Wunsch nach Suizid in hausärztlichen Praxen“ finden Sie hier: https://www.degam.de/pressemitteilung-detail/im-gespraech-bleiben-suizidwunsch-i...
Pressekontakt:
Natascha Hövener
Pressesprecherin
Telefon: 030 – 20 966 98 16
E-Mail: hoevener@degam.de
Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)
Schumannstraße 9, 10117 Berlin
Präsident: Prof. Dr. med. Martin Scherer (Hamburg)
http://www.degam.de
Über die DEGAM
Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) ist eine wissenschaftliche Fachgesellschaft. Ihre zentrale Aufgabe ist es, die Allgemeinmedizin als anerkannte wissenschaftliche Disziplin zu fördern und sie als Rückgrat der Patientenversorgung weiterzuentwickeln. Die DEGAM ist Ansprechpartnerin bei allen Fragen zur wissenschaftlichen Entwicklung der Allgemeinmedizin an den Hochschulen, zur Fort- und Weiterbildung sowie zum Qualitätsmanagement. Sie erarbeitet eigene wissenschaftlich fundierte Leitlinien für die hausärztliche Praxis und beteiligt sich auch an interdisziplinären Leitlinien anderer Fachgesellschaften. Die Aktivitäten der Nachwuchsförderung werden überwiegend von der Deutschen Stiftung für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DESAM) realisiert.
Prof. Dr. med. Martin Scherer, Präsident der DEGAM
E-Mail: m.scherer@uke.de
https://www.degam.de/leitlinie-s1-053-063 - S1-Leitlinie "Umgang mit dem Wunsch nach Suizidassistenz in der hausärztlichen Praxis"
Neue S1-Leitlinie ermöglicht Orientierung zum Umgang mit dem Wunsch nach Suizidassistenz in der haus ...
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Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars, Students, all interested persons
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