In Kürze werden sie in Deutschland zugelassen: die ersten Medikamente gegen die Alzheimer-Krankheit, die den Krankheitsprozess verlangsamen sollen. Am 14.11.2024 hat die Europäische Arzneimittel-Agentur die Zulassung für Lecanemab in der Europäischen Union befürwortet. Diese Medikamente greifen an den sogenannten Amyloid-Ablagerungen im Gehirn an. Die Frage ist: Wie weist man sicher und kosteneffizient die Präsenz von Amyloid-Ablagerungen nach bei Patienten, die sich mit leichten kognitiven Störungen oder einer milden Demenz in der Gedächtnissprechstunde vorstellen? Also der Zielgruppe für die Medikamente.
Eine neue Studie von Medizinern des LMU Klinikums liefert Antworten, die in die Behandlung der Patienten einfließen könnten. Sie wurde initiiert von Prof. Dr. Dr. Matthias Brendel, Kommissarischer Direktor der Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin, Dr. Nicolai Franzmeier vom Institut für Schlaganfall- und Demenzforschung und von Prof. Dr. Günter Höglinger, Direktor der Klinik für Neurologie – sie sind zudem Mitglied im Munich Cluster for Systems Neurology (SyNergy). Die Ergebnisse sind jetzt erschienen im Journal der Alzheimer-Gesellschaft, Alzheimer’s and Dementia - Diagnosis, Assessment & Disease Monitoring.
Grundsätzlich gibt es zwei zugelassene Möglichkeiten, um die gefährlichen Amyloid-Ablagerungen im Gehirn von Alzheimer-Patienten nachzuweisen. Methode Nummer 1: die Untersuchung der Liquor-Flüssigkeit („Nervenwasser“). Das Problem: Bei dieser Punktion des Wirbelkanals mit einer Kanüle handelt sich um einen invasiven Eingriff mit seltenen Komplikationen. Und für manche Patienten - zum Beispiel solche, die blutverdünnende Medikamente nehmen - ist diese Untersuchung nicht geeignet. Außerdem ist die Liquoranalyse ein indirekter, nicht-quantitativer Nachweis der Amyloid-Ablagerungen im Gehirn.
Methode Nummer 2: ein spezielles bildgebendes Verfahren des Gehirns, die PET (für Positronen-Emissions-Tomographie). Diese Methode ermöglicht den direkten und semiquantitativen Nachweis der Amyloid-Ablagerungen im Gehirn und ist nicht-invasiv. Mit 1.500 bis 3.000 Euro pro Untersuchung ist das Verfahren aber noch recht teuer und wird von den Krankenkassen noch nicht erstattet, so dass der Zugang dazu noch nicht überall möglich ist. Je nach Ausstattung und Expertise der Zentren sind Amyloid-Bildgebung bzw. Liquoranalyse in Deutschland auch unterschiedlich gängig, wobei die Liquor-Analyse aktuell noch verbreiteter zur Anwendung kommt.
Um herauszufinden, wie aussagekräftig die Ergebnisse der Liquor-Untersuchung im Verhältnis zum Goldstandard PET-Bildgebung sind, haben die Münchner Forschenden Daten von über 400 Patienten mit Verdacht auf eine Alzheimer-Demenz ausgewertet, die zwischen 2013 und 2024 am LMU Klinikum sowohl eine Liquor-Untersuchung auf Amyloid als auch ein PET des Gehirns bekommen hatten.
Die Ergebnisse: Wer im Nervenwasser einen Amyloid-Wert von über 7,1 aufwies, war im PET zumeist nicht auffällig - Alzheimer-Befund mithin negativ. Patienten mit einem Amyloid-Wert von weniger als 5,5 im Liquor waren auch im PET überwiegend auffällig - Alzheimer-Befund mithin höchstwahrscheinlich positiv. Doch besonders wichtig ist, dass es eine Grauzone zwischen 5,5 und 7,1 im Nervenwasser gab – bei etwa 15 bis 20 Prozent der Patienten. „Die Hälfte dieser Studienteilnehmer hatte im PET einen auffälligen Amyloid-Befund“, sagt Brendel, „die Liquor-Untersuchung ist also hier nicht verlässlich genug.“ In einer unabhängigen Patienten-Kohorte der Universität Wien erzielten die Forschenden ein genau gleiches Ergebnis. Es handelt sich also um robuste Resultate.
Konsequenzen für die Praxis
Durch die Zulassung der neuen Medikamente gegen Amyloid-Ablagerungen können die Erkenntnisse der Studie unmittelbar in die Diagnostik einziehen. Wo sie etabliert ist, bietet sich direkt die Amyloid-PET als diagnostisches Mittel der Wahl. Doch je nach Expertise und Ausstattung am Standort werden in Deutschland viele Patienten in der derzeitigen Situation aber eher Zugang zur Liquoranalyse als zur Amyloid-PET haben. „Aus medizinischer und aus ökonomischer Sicht erscheint es gut vertretbar, bei diesen Patienten zur Therapieauswahl eine Liquoruntersuchung zu machen, sofern keine medizinischen Gründe dagegen sprechen“, sagt Brendel. Das sind etwa 70 bis 80 Prozent der Patienten. „Eine zusätzliche PET-Untersuchung würden von diesen Patienten dann nur diejenigen noch benötigen, die sich in der Liquoruntersuchung in der Grauzone zwischen 5,5 und 7,1 bewegen. Matthias Brendel: „Besonders wenn die Kosten der Amyloid-PET zukünftig sinken und ein breiterer Zugang möglich wird, könnte die Amyloid-PET als erste Wahl Aufwand und Kosten für ansonsten teils erforderliche Doppeluntersuchungen - Liquor und PET - vermeiden.“
Prof. Dr. Dr. Matthias Brendel
Kommissarischer Direktor der Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin
LMU Klinikum München
Campus Großhadern
Tel: +49 89 4400-74646
E-Mail: Matthias.Brendel@med.uni-muenchen.de
Univ.-Prof. Dr. med. Günter U. Höglinger, FEAN
Direktor, Neurologische Klinik und Poliklinik mit Friedrich-Baur-Institut
LMU Klinikum München
Campus Innenstadt/Großhadern
Tel.: +49 89 4400-72570 | Mobil: +49 (0)152 54 88 97 83
E-Mail: Guenter.Hoeglinger@med.uni-muenchen.de
Web: www.lmu-klinikum.de/neurologie | www.baur-institut.de
Brendel M, Parvizi T, Gnörich J, et al. Aβ status assessment in a hypothetical scenario prior to treatment with disease-modifying therapies: Evidence from 10-year real-world experience at university memory clinics. Alzheimer's Dement. 2024; 16:e70031.
DOI: https://doi.org/10.1002/dad2.70031
https://www.lmu-klinikum.de/aktuelles/pressemitteilungen/neue-strategie-der-amyl...
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars
Medicine
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
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