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12/03/2024 13:04

Hochdotierte ERC-Grants für vier LMU-Forschende

LMU Stabsstelle Kommunikation und Presse
Ludwig-Maximilians-Universität München

    Der Europäische Forschungsrat fördert mit Consolidator-Grants innovative Projekte.

    Vier Forscherinnen und Forscher der LMU haben erfolgreich je einen Consolidator-Grant eingeworben. Ihre Projekte beschäftigen sich mit der Statistik sozialer Ungleichheit, der Keilschriftkultur Mesopotamiens, der detaillierten Untersuchung kleiner Moleküle und den christlich-muslimischen Beziehungen vor dem ersten Kreuzzug.

    Mit der Auszeichnung ist eine Förderung von bis zu zwei Millionen Euro für einen Zeitraum von fünf Jahren verbunden. Der Europäische Forschungsrat (ERC) unterstützt mit Consolidator Grants exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dabei, ihre innovative Forschung weiter auszubauen und zu konsolidieren. Grundlage für die Entscheidung bei der Vergabe ist die wissenschaftliche Exzellenz der Antragstellenden sowie des beantragten Projekts.

    Soziale Ungleichheit und ihre Ursachen genauer bestimmen

    Professor Daniel Wilhelm ist Inhaber des Lehrstuhls für Statistik und Ökonometrie am Institut für Statistik der LMU. Im Fokus seiner Forschung stehen die Analyse von existierenden und die Entwicklung von neuen statistischen Methoden für die Untersuchung von ökonomischen Fragestellungen. Im Jahr 2019 zeichnete der Europäische Forschungsrat (ERC) ihn für das Projekt „MEImpact“ bereits mit einem seiner Starting Grants aus. Im Rahmen dieses Projektes untersuchte er die Auswirkungen von Messfehlern auf empirische Ergebnisse und auf politische Entscheidungen.

    Die Einkommensungleichheit nimmt weltweit weiter zu, mit Folgen, die das Wohlstandsgefälle über Generationen hinweg festschreiben. Die dramatische Schieflage ist zu einem wichtigen Thema der Politik geworden. Die Ungleichheit zu dokumentieren, zu verstehen, was sie bestimmt, und nach Möglichkeiten zu suchen, um sie zu verringern, ist wichtiger Teil der empirischen Forschung in den Wirtschaftswissenschaften. Um die verschiedenen Faktoren zu quantifizieren, die Ungleichheit und die Intergenerationenmobilität beeinflussen, gibt es eine Reihe gängiger statistische Methoden. Damit sind Fachleute zu Ergebnissen gekommen, die durchaus Furore gemacht haben, die in der öffentlichen Diskussion womöglich über- oder fehlinterpretiert werden. So wird ihnen häufig eine kausale oder ökonomische Bedeutung beigemessen, die nur unter äußerst starken und eher unrealistischen Annahmen gerechtfertigt sind.

    Wo die Fallstricke sind und wie es besser geht, will Daniel Wilhelm in seinem ERC-Projekt SEMANI (Semistructural Econometric Methods for the Analysis of Inequality) zeigen. Das erste Ziel seines Forschungsvorhabens ist es, theoretisch und empirisch zu zeigen, dass solche gängigen statistischen Methoden Ergebnisse liefern, die nur unter strengen Annahmen eine strukturelle wirtschaftliche Interpretation zulassen. Wenn diese Annahmen nicht zutreffen, kann die strukturelle Interpretation irreführend sein und die Ergebnisse zeigen möglicherweise nicht das, was sie zu zeigen vorgeben.

    In einem zweiten Schritt will Daniel Wilhelm neue robuste statistische Methoden entwickeln, die garantiert zu strukturell interpretierbaren Ergebnissen führen und gleichzeitig die attraktiven Merkmale gängiger einfacherer Ansätze beibehalten. Damit will der Statistiker neue Erkenntnisse über die Ursachen der Ungleichheit und über wirksame politische Maßnahmen, sie zu verringern, gewinnen. Außerdem werde es damit möglich, so hofft Wilhelm, das umfangreiche empirische Material neu zu bewerten, auf dem der heutigen Forschungsstand beruht und das unser Verständnis von Ungleichheit geprägt und politische Entscheidungen auf der ganzen Welt beeinflusst hat.

    Die Geschichte Mesopotamiens neu schreiben

    Prof. Dr. Enrique Jiménez ist Inhaber des Lehrstuhls für Ancient Near Eastern Literatures am Institut für Assyriologie und Hethitologie der LMU. In seiner Forschung zu Literatur vergangener Kulturen setzt der Altorientalist auch auf Künstliche Intelligenz und die Möglichkeiten der Digitalisierung. Die von ihm aufgebaute Datenbank „Electronic Babylonian Literature“ trägt entscheidend dazu bei, die bislang nur unvollständig überlieferte Weltliteratur des Alten Orients wieder lesbar zu machen.

    In Mesopotamien, das im Gebiet des heutigen Irak und Syrien lag, wurde eine der ältesten Schriften der Welt entwickelt. Über einen Zeitraum von Jahrtausenden wurden mit Griffeln Schriftzeichen auf Tafeln aus Ton geschrieben. Das gesamte Wissen der damaligen Zeit wurde auf Tontafeln in steinernen Bibliotheken festgehalten und von Gelehrten an nachfolgende Generationen weitergegeben. Mit dem Zusammenbruch der großen Reiche Mesopotamiens wurden die Bibliotheken zerstört, die Tontafeln zerbrochen. Heute sind davon unzählige zusammenhangslose Bruchstücke vorhanden. In seinem neuen Projekt RECC (Rewriting the End of Cuneiform Culture), das vom ERC mit einem Consolidator Grant gefördert wird, wird der Altorientalist einen neuen Blick auf das Ende der mesopotamischen Hochkulturen und damit der Keilschrift eröffnen. Tausende von erhaltenen Textdokumenten dieser späten Periode sind bislang noch nicht datiert oder wissenschaftlich bearbeitet.

    Im Rahmen des Projekts wird Enrique Jiménez mithilfe Künstlicher Intelligenz die Datenbank „CuneiDate“ aufbauen, um bislang undatierte Texte erstmals in ihren historischen Kontext einzuordnen. Dies wird neue Einblicke eröffnen, warum auch nach dem Untergang der großen Reiche Mesopotamiens im ersten Jahrtausend vor Christus weiterhin in Keilschrift geschrieben wurde. „Eine der zentralen Fragen unseres Projekts ist, wie die Menschen im alten Babylonien mit dem Bedeutungsverlust ihrer jahrtausendealten Traditionen umgegangen sind. Die Antworten darauf sind auch für heutige Kulturen relevant, deren Überleben in einer globalisierten Welt bedroht ist“, sagt Enrique Jiménez.

    Spektroskopie: Kleine Moleküle besser im Blick

    Prof. Anne Schütz leitet an der Fakultät für Chemie und Pharmazie der LMU die Arbeitsgruppe NMR-Spektroskopie. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich mit den Mechanismen enzymatischer Reaktionen, der Struktur und Dynamik verschiedener Biomoleküle sowie deren Wechselwirkungen.

    Kleine Moleküle spielen eine zentrale Rolle in allen chemischen Prozessen des Lebens. Sie beeinflussen als Substrate, Cofaktoren, Lösungsmittel, Hemmstoffe oder Aktivatoren die Funktion von Proteinen und Nukleinsäuren. „Für Studien, die diese Prozesse im Detail verstehen wollen, wäre es hilfreich, einzelne Moleküle aus großen Komplexen herausfiltern und ihren Weg während chemischer und struktureller Umwandlungen verfolgen zu können – selbst wenn die beteiligten Moleküle sehr unterschiedlich groß sind“, erklärt Anne Schütz.

    Nur wenige Methoden können dies unter natürlichen Bedingungen leisten. Eine davon ist die Kernspinresonanzspektroskopie (auch: NMR-Spektroskopie, oder kurz NMR). Sie ermöglicht extrem detaillierte Einblicke in die Bewegungen, Wechselwirkungen und chemischen Veränderungen von Molekülen auf atomarer Ebene. Doch die Untersuchung kleiner Moleküle in großen Komplexen birgt Herausforderungen.

    Für die Untersuchung am Spektrometer muss man die untersuchten Moleküle mit speziellen NMR-aktiven Atomkernen markieren. Was in der biomolekularen NMR bereits gängige Praxis ist, bleibt für kleine Moleküle jedoch komplizierter und erfordert nach wie vor eine aufwendige und oft individuell angepasste Synthese.

    Optimierte Experimente haben bereits dazu beigetragen, die Grenzen der spektralen Auflösung und Empfindlichkeit von NMR für große Biomoleküle auf einen Bereich bis hin zu Megadalton zu erweitern. Diese Strategien lassen sich jedoch aufgrund der Unterschiede in der chemischen Struktur nicht so einfach auf kleine Moleküle übertragen.

    Das ERC-Projekt ZoomNMR (Zooming in on small-molecule ligands by magnetic resonance) von Chemikerin Anne Schütz soll diese Lücke nun schließen. Dafür werden neue spektroskopische Werkzeuge entwickelt, mit denen sich kleine Moleküle in großen Komplexen per NMR analysieren lassen. „Unser Ansatz kombiniert innovative Isotopenmarkierungstechniken, die von der organischen Chemie inspiriert sind, mit speziellen Relaxationsphänomenen, um die Empfindlichkeit und Auflösung der Messungen zu verbessern“, so Schütz. „Diese Werkzeuge werden wir exemplarisch an einem menschlichen Enzym und drei verschiedenen Klassen von kleinen Molekülen testen.“ Das untersuchte Enzym ist als Wirkstoffziel besonders interessant für Therapiemöglichkeiten von Krebs und degenerativen Erkrankungen.

    Damit will das Team zeigen, dass die neue Methode vielseitige Fragestellungen beantworten kann – von der Erforschung grundlegender enzymatischer Mechanismen bis hin zur Entwicklung neuer Arzneimittel. „Langfristig streben wir an, dass die Analyse kleiner Moleküle in großen Komplexen ebenso einfach und effizient wird, wie es heute bei der Protein-NMR der Fall ist.“

    Neue Sicht auf frühe christlich-muslimische Beziehungen

    Prof. Dr. Zachary Chitwood ist Professor für Byzantinistik an der LMU und wurde bereits mit dem ERC Starting MAMEMS über die Mönchsrepublik auf dem Berg Athos im mittelalterlichen Griechenland gefördert.

    Das halbe Jahrtausend zwischen dem Tod des Propheten Mohammed im Jahr 632 und dem Ersten Kreuzzug im Jahr 1096 war mit Blick auf die Ausprägung der christlich-muslimischen Beziehungen ein entscheidender Zeitraum. Bislang ist in der Forschung eher unbeachtet geblieben, wie die wichtigsten ostchristlichen Rechtsordnungen – einschließlich jener in Byzanz, in der islamischen Welt und in der dazwischen liegenden Region – mit dem Aufstieg des Islam umgingen.

    In seinem neuen Projekt NOMOS („The Challenge of Islam and the Transformation of Eastern Christian Normative Regimes, ca. 630-1100“) will Zachary Chitwood detailliert untersuchen, wie die neue Religion von den Juristen und Kanonisten der damaligen Zeit interpretiert, beschrieben und definiert wurde und wie darüber hinaus die Auseinandersetzung mit dem Islam seinerseits langfristige Entwicklungen innerhalb der ostchristlichen Rechtssysteme prägte.

    Trotz der Unterschiede in den Schriftsprachen (Griechisch, Syrisch, Koptisch und Armenisch), in der Staatlichkeit (vom Byzantinischen Reich über die kleinen armenischen Fürstentümer bis hin zu den staatenlosen koptischen und syrischen Gemeinschaften) und in der konfessionellen Zugehörigkeit (orthodox, monophysitisch oder „nestorianisch“/Kirche des Ostens) war die Begegnung mit dem Islam der wichtigste Faktor für die spätantike Entwicklung jeder Rechtsordnung dieser Zeit. Die Forschenden wollen dieses reiche Korpus von Bestimmungen des „Sarazenischen Rechts“ untersuchen und modernste KI-gestützte Technologien einsetzen, um neue Editionen von Rechtstexten zu erstellen.

    Dieser innovative rechtshistorische Ansatz zur Geschichte des frühmittelalterlichen Nahen Ostens wird nicht nur eine neue Sicht auf die Spätantike in den ersten Jahrhunderten des Islam bieten, sondern auch eine entscheidende neue Darstellung der christlich-muslimischen Beziehungen in der östlichen Mittelmeerwelt vor dem Ersten Kreuzzug liefern - und damit das traditionelle, „westlich“ dominierte Paradigma dieser Geschichte in Frage stellen.


    More information:

    https://www.lmu.de/de/newsroom/newsuebersicht/news/hochdotierte-erc-grants-fuer-...


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    Criteria of this press release:
    Journalists
    interdisciplinary
    transregional, national
    Contests / awards, Research projects
    German


     

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