Innere Uhren steuern in so gut wie allen Lebewesen physiologische Prozesse und das Verhalten. Jetzt hat ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Forschenden der Universität Würzburg eine detaillierte Karte der Inneren Uhr im Gehirn der Taufliege erstellt.
Alle Tiere einschließlich des Menschen weisen tägliche Rhythmen in ihrer Aktivität, ihrem Schlaf, Hunger, Stoffwechsel und ihrer Fortpflanzung auf. Das System, das diese biologischen Rhythmen regelt, wird als circadiane Uhr bezeichnet. Diese Uhr steuert sämtliche Vorgänge im Körper innerhalb eines 24-Stunden-Zeitraums.
Bei Wirbeltieren befindet sich die zentrale Steuereinheit, die „Hauptuhr“, im Gehirn in einem Bereich, der suprachiasmatischer Nukleus (SCN) genannt wird. Diese Hirnregion ist nicht nur für die Regulierung und Synchronisierung der Rhythmen im Gehirn verantwortlich, sondern steuert auch andere Uhren in den Geweben des gesamten Körpers. Sie sorgt dafür, dass unsere Körperrhythmen auf koordinierte Weise funktionieren; Störungen dieses Systems können unter anderem zu Schlaf- und Stoffwechselstörungen führen.
Publikation in Nature Communications
In einer jetzt in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlichten Studie hat ein Team von Forscherinnen und Forschern der Universität Würzburg (Deutschland), University of Nevada, Reno (USA) und der Okayama University (Japan) die erste vollständige Karte der circadianen Uhr im Gehirn der Fliege Drosophila erstellt. Federführend waren Dr. Meet Zandawala, Gruppenleiterin am Lehrstuhl für Neurobiologie und Genetik der Universität Würzburg, und Nils Reinhard, Doktorand am gleichen Lehrstuhl bei Professorin Charlotte Förster und Dr. Dirk Rieger.
„Bei Wirbeltieren gibt es etwa 20.000 Neuronen, die die Hauptuhr bilden. Angesichts dieser großen Zahl von Neuronen und der vielen Verbindungen, die sie innerhalb des Gehirns bilden, ist es kompliziert die Interaktionen nachzuvollziehen und die Funktionsweise des Uhrnetzwerks zu verstehen“, erklärt Meet Zandwala den Hintergrund der Studie. Um diese Komplexität in kleinerem Maßstab zu erfassen, verwenden Forschende deshalb Modellorganismen, deren Gehirne bereits kartiert wurde, wie beispielsweise das der Taufliege Drosophila mit fast 140.000 Neuronen.
Eine Karte aller Verbindungen im Fliegenhirn
Für Drosophila hat ein internationales Forschungskonsortium vor kurzem eine Karte sämtlicher Verbindungen zwischen allen Neuronen im Fliegenhirn veröffentlicht – das sogenannte Konnektom. „Diese frei zugängliche Ressource ist die perfekte Basis für neue Entdeckungen in den Neurowissenschaften und insbesondere für ein besseres Verständnis von Mechanismen wie der circadianen Uhr“, sagt Zandawala.
Gemeinsam hat das Team dieses Konnektom des Gehirns nun genutzt, um alle Neuronen zu identifizieren, aus denen die circadiane Uhr der Fliege besteht. Das Ergebnis: „Die Innere Uhr im Drosophila-Gehirn besteht aus mindestens 240 Neuronen und damit deutlich mehr als die ursprünglich geschätzten 150. Einige der neu identifizierten Uhrneurone zeigen zudem Charakteristiken, welche ursprünglich nur von Uhrneuronen bei Wirbeltieren bekannt waren. Somit ist die Funktionsweise der Inneren Uhr zwischen Wirbeltieren und Insekten noch viel ähnlicher als bisher angenommen“, sagt Nils Reinhard. Die neuen Erkenntnisse ermöglichen es den Forschern nun, bestimmte Typen von Uhrneuronen zu identifizieren, die untereinander kooperieren und die Kommunikation innerhalb des gesamten Uhrnetzwerks koordinieren.
Grundlage neuer Therapieansätze
Neuronen im Uhrnetzwerk leiten die Zeitinformationen an andere Hirnregionen weiter, die das Lernen und das Gedächtnis, die Orientierung im Raum, die motorische Kontrolle sowie die Hormonproduktion und -freisetzung unterstützen. Jetzt können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler diese Pfade zurückverfolgen und herausfinden, wie rhythmische Verhaltensweisen wie Nahrungsaufnahme, Schlaf und Fortpflanzung sowie die Hormonausschüttung koordiniert werden.
Diese detaillierte Kartierung des Drosophila-Uhrnetzwerks erweitert nicht nur das Verständnis darüber, wie Tagesrhythmen erzeugt werden, sondern bietet auch eine Grundlage für die Erforschung circadianer Dysregulationen, die mit Krankheiten wie Schlaf- oder Stoffwechselstörungen zusammenhängen. „Diese Ergebnisse geben uns einen detaillierten Rahmen, um zu verstehen, wie das Gehirn die täglichen Zyklen steuert. Sie liefern die Basis für zukünftige Therapieansätze zur Behandlung circadianer Gesundheitsprobleme“, sagt Meet Zandawala.
Dr. Meet Zandawala, Lehrstuhl für Neurobiologie und Genetik, Universität Würzburg, T: +49 931 31-81941, meet.zandawala@uni-wuerzburg.de
Prof. Charlotte Förster, Lehrstuhl für Neurobiologie und Genetik, Universität Würzburg, T: +49 931 31-88823, charlotte.foerster@uni-wuerzburg.de
Synaptic connectome of the Drosophila circadian clock. Nils Reinhard, Ayumi Fukuda, Giulia Manoli, Emilia Derksen, Aika Saito, Gabriel Möller, Manabu Sekiguchi, Dirk Rieger, Charlotte Helfrich-Förster, Taishi Yoshii, Meet Zandawala. Nature Communications, DOI: 10.1038/s41467-024-54694-0
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars
Biology
transregional, national
Research projects
German
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