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01/02/2025 10:38

Lawinendetektion mit Passivradar

Britta Widmann Kommunikation
Fraunhofer-Gesellschaft

    Im Winter stellen Lawinen die größte Gefahr im Gebirge dar. Daher ist ihre Überwachung von entscheidender Bedeutung für die Sicherheit von Menschen und Infrastruktur. Neue Wege in der Lawinendetektion beschreiten Forschende des Fraunhofer-Instituts für Hochfrequenzphysik und Radartechnik FHR: Mit Passivradar, das Signale der neuen Satelliten-Megakonstellationen Star-link und OneWeb nutzt, können sie auch in entlegenen Regionen ohne terrestrische Infrastruktur erkennen, ob Lawinen nach kontrollierten Sprengungen tatsächlich ausgelöst wurden. Dass sich Satelliten-Megakonstellationen für die Lawinendetektion eignen, konnten die Forscherinnen und Forscher in einer Machbarkeitsstudie nachweisen.

    Jeden Winter steigt mit zunehmender Schneemenge die Lawinengefahr in den Bergen. Eine der Schutzmaßnahmen, um das Risiko für Mensch und Infrastruktur zu senken, sind kontrollierte, künstliche Sprengungen. Sie lösen den Abgang riesiger Schneemassen aus, die auf vorgegebenem Weg zu Tal donnern. Doch wurde die Lawine tatsächlich wie gewünscht ausgelöst? Eine Bestätigung hierüber ist unabdingbar. Um diese zu erhalten, muss das betroffene Gebiet unabhängig von den Sichtverhältnissen und vom vorherrschenden Wetter gezielt beobachtet werden. Diese Aufgabe übernehmen derzeit mechanische Drähte, die beim Abgang der Lawine reißen, oder Hubschrauber, die das Gebiet während der Sprengung überwachen. Vielfach kommen auch Radartechnologien zum Einsatz, die eine kontinuierliche Fernüberwachung bei allen Wetterbedingungen ermöglichen. Doch alle diese Lösungen weisen große Nachteile auf. So müssen nach jedem Lawinenabgang mechanische Drähte neu gespannt werden – ein Vorgang, bei dem Techniker gefährdet werden können. Hubschrauber können nur bei guten Wetterbedingungen fliegen, und aktive Radartechnologien erfordern Übertragungslizenzen.

    Passivradar lässt sich in abgelegenen Regionen betreiben

    Eine geeignete Alternative für die Lawinenüberwachung könnte Passivradar sein – eine Ortungstechnik, die im Gegensatz zum herkömmlichen aktiven Radar nicht selbst elektromagnetische Energie aussendet, sondern die Signale von Rundfunk oder Mobilfunk nutzt. Anders als aktive Radare sendet Passivradar keine Radarstrahlen aus, die an einem Objekt reflektiert und wieder zum Empfänger zurückgelenkt werden, sondern nutzt Strahlen, die bereits vorhanden sind. Einer der Vorteile: Passives Radar ist nicht nur kostengünstig, energiesparsam und leicht installierbar, es lässt sich auch ohne Sendelizenzen betreiben. »Da Passivradar ohne Sendeantenne auskommt und daher weniger Komponenten benötigt, ist es günstiger und leichter in Betrieb zu nehmen. Es darf ohne Lizenzen einfach aufgestellt werden«, sagt Dr. Diego Cristallini, Gruppenleiter am Fraunhofer FHR. Das Problem: In abgelegenen Bergregionen stehen meist keine Rundfunksignale zur Verfügung. Cristallini und sein Team setzen daher auf die Signale der Mega-Satellitenkonstellationen OneWeb oder Starlink mit festen Satellitendiensten (englisch fixed-satellite service, FSS), die weltweit verfügbar sind. Die Satelliten-Netzwerke sollen jeden Ort auf der Erde mit Breitband-Internet versorgen. Im Auftrag der ESA-ESTEC (European Space Research and Technology Centre) gehen die Forschenden in einer Machbarkeitsstudie der Frage nach, ob sich Starlink und OneWeb für die Lawinendetektion eignen und ob sie in der Lage sind, einen Lawinenabgang nach einer Sprengung tatsächlich zu erkennen und zu bestätigen.

    Stationäres Passivradar ermöglicht SAR-Bilder

    »Satellitenverbindungen kommen immer dann zum Einsatz, wenn terrestrische Netze nicht vorhanden, überlastet oder gestört sind. Wie OneWeb ist Starlink ein LEO-Satellitendienst (Low-Earth-Orbit). Das bedeutet, dass eine Vielzahl von Satelliten die Erde in einer erdnahen Umlaufbahn umkreisen. Diese Nähe bringt zunächst Vorteile bei der Latenzzeit, da die Strecke vom Boden bis zum Satelliten und zurück nur einige hundert Kilometer beträgt«, so Cristallini. Aufgrund der Vielzahl der Starlink-Satelliten sind kontinuierliche Radarabbildungen der Erdoberfläche möglich. Denn: Sobald ein Satellit am Horizont verschwindet, taucht bereits ein neuer auf. Es entstehen zweidimensionale, leicht interpretierbare Bilder des Gebiets. »Wir sprechen hier von sogenannten SAR-Bildern (Synthetic Aperture Radar), es lassen sich also Bilder von abgelegenen Bergregionen aufnehmen, die über eine Detektion weit hinausgehen.« Die Mega-Satellitenkonstellationen stehen permanent als Signalquelle zur Verfügung. Die elektromagnetischen Signale werden aus verschiedenen Winkeln in die Bergregionen gesendet, es werden somit auch Bereiche sichtbar, die bei nur einem Sender verschattet wären.

    Anhand der topographischen Daten eines Bergs haben Dr. Cristallini und sein Team eine Simulationsumgebung entwickelt, mit der sie Lawinen simulieren und zugleich analysieren konnten, ob diese mit Hilfe der Starlink-Signale erkennbar sind. Um die vielversprechenden Simulationsergebnisse praktisch zu testen, detektierten die Forschenden mit ihrem Passivradar-System zudem kleine kontrollierte »Erdlawinen« in einer ehemaligen Basaltmine am Rhein nahe Remagen. Die Lawinen entstehen, wenn ein Bagger seine Ladung in das noch klaffende Loch schüttet. »Sowohl die Simulationen als auch der Praxistest haben gezeigt, dass sich passives Radar mit Signalen aus Satelliten-Megakonstellationen gut eignet, um abgegangene Lawinen zu erkennen und zu bestätigen«, resümiert der Forscher.


    More information:

    https://www.fraunhofer.de/de/presse/presseinformationen/2025/januar-2025/lawinen...


    Images

    Praxistests in einer ehemaligen Basaltmine
    Praxistests in einer ehemaligen Basaltmine

    © Fraunhofer FHR/Diego Cristallini


    Criteria of this press release:
    Journalists
    Electrical engineering, Geosciences, Information technology, Mechanical engineering, Physics / astronomy
    transregional, national
    Research results, Transfer of Science or Research
    German


     

    Praxistests in einer ehemaligen Basaltmine


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