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01/13/2025 09:31

Messel: Artenreich, aber kein tropischer Regenwald

Judith Jördens Senckenberg Pressestelle
Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

    Senckenberg-Forschende zeigen in einer neu erschienenen Studie, dass in der Grube Messel bislang insgesamt 1409 verschiedene Taxa – unterschiedliche Typen von Lebewesen – aus den 47 Millionen Jahre alten Ölschiefern geborgen wurden. Das Team legt dar, dass der Artenreichtum während des Eozäns in Messel höher war als im heutigen Mitteleuropa, aber niedriger als in modernen tropischen Biotopen. Bis alle Arten vollständig dokumentiert sind und die gesamte Biodiversität in der Fossillagerstätte erfasst ist, wird es noch mehrere Generationen dauern, so die Forscher*innen. Besonders die Vielfalt von Pflanzen und Insekten sei noch unzureichend untersucht.

    72 Vogeltypen, 51 unterschiedliche Säugetiere und 813 verschiedene Grünpflanzen – insgesamt wurden über die gesamte Grabungsdauer im UNESCO-Welterbe Grube Messel 1409 verschiedene Taxa aus den 47 Millionen Jahre alten Ölschiefern geborgen. „Die Grube Messel ist so besonders, weil ihre Sedimente reich an verschiedenen Organismen wie Mikroorganismen, Pflanzen, Pilze, Wirbellose und Wirbeltiere sind, die sonst selten zusammen fossilisieren. Wir haben eine aktualisierte Liste aller dokumentierten Taxa, sowohl benannte als auch noch unbeschriebene, die in Messel gefunden wurden erstellt“, erzählt PD Dr. Krister Smith vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt und fährt fort: „Uns hat interessiert, wie hoch der Artenreichtum in Messel während der Zeit des Eozäns wirklich war. Dies ermöglicht uns den Vergleich mit modernen Biotopen in denselben sowie in anderen Breitengraden. Zudem können wir anhand der Daten abschätzen, wie viele unentdeckte Arten noch in den Gesteinsschichte zu erwarten sind und wie lange wir benötigen, diese zu bergen und zu beschreiben.“

    Insgesamt beinhalten die Analysen der Forschenden Daten aus über 50 Sammlungen. In den Anfängen des Sammelns in Messel – damals sollte die Grube noch zur Abfalldeponie werden – waren dort zeitweise Hunderte von Privatpersonen mit dem Graben nach Fossilien beschäftigt. Einige dieser Privatsammlungen wurden inzwischen – zumindest teilweise – von öffentlichen Einrichtungen erworben. „Um den Datensatz möglichst vollständig zu machen, haben wir zudem so viele Privatsammlungen wie möglich in unsere Auswertung einbezogen“, ergänzt Smith.

    Die Studie zeigt, dass der Artenreichtum rund um den eozänen Messeler See grundsätzlich höher als in vergleichbaren heutigen Regionen Mitteleuropas war. Die Analogie mit einem tropischen Regenwald halten die Forschenden aber für falsch. „Messel kann schon aufgrund seiner geografischen Lage nicht als tropisch bezeichnet werden. Das Klima mag wärmer und ausgeglichener gewesen sein als heute in Mitteleuropa, aber es gab immer noch erhebliche jahreszeitliche Unterschiede in der Temperatur und Tageslänge. Auch die sehr hohen jährlichen Niederschläge, die für einen echten 'Regenwald' notwendig wären, konnten für Messel nicht nachgewiesen werden. Die von uns erfasste Artenvielfalt stimmt mit diesen Beobachtungen überein. Zusammenfassend kann man daher sagen: Insgesamt war der Artenreichtum in Messel vor 47 Millionen Jahren höher als im heutigen Mitteleuropa – aber geringer als in gut untersuchten modernen neotropischen Biotopen, wie beispielsweise im heutigen Costa Rica“, erläutert Smith die Ergebnisse.

    Mit Hilfe von modernen statistischen Methoden hat das Forschungsteam den Zusammenhang zwischen Artenreichtum und Probennahme untersucht, um die bislang ungeborgene Biodiversität in den Ölschiefern Messels zu schätzen und zu prognostizieren, wie lange es dauern wird, um diese zu erfassen. „Wenn wir durchschnittlich so weiter graben, wie in den letzten Jahrzehnten, dauert es noch viele Generationen, bis der Artenreichtum an Pflanzen und Tieren annähernd vollständig erfasst werden kann“, so der Messelforscher und weiter: „Zum Beispiel für die Frucht- und Samentaxa werden geschätzt 130 bis 400 Jahre benötigt, um nahezu den gesamten Artenreichtum zu erheben. Bei anderen Gruppen fällt die Zahl noch höher aus.“ Die Vielfalt der Pflanzen und Insekten sei derzeit weniger gut untersucht als die Diversität der Wirbeltiere, heißt es in der Studie. Bei den Wirbeltieren sind insbesondere die landlebenden Tiere am wenigsten bekannt.

    „Bei der Erforschung des Artenreichtums gilt auch für Messel: Je besser wir eine Gruppe erfassen, desto größer ist der Aufwand, um sie zu vervollständigen. Die Kurven der Diversität sind konkav nach unten gewölbt – wir sollten uns daher nicht auf den bisherigen Grabungserfolgen ausruhen, sondern unsere Anstrengungen eher noch erhöhen. In dem hessischen UNESCO-Welterbe liegen nach wie vor unzählige Schätze verborgen, die uns auch dabei helfen können, die Umweltentwicklungen in einer sich erwärmenden Welt besser zu verstehen“, resümiert Smith.


    Contact for scientific information:

    PD Dr. Krister Smith
    Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt
    Tel. 069 7542 1218
    krister.smith@senckenberg.de


    Original publication:

    Smith, K.T., Collinson, M., Folie, A. et al. The biodiversity of the Eocene Messel Pit. Palaeobio Palaeoenv 104, 859–940 (2024). https://doi.org/10.1007/s12549-024-00633-2
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    Es wird noch einige Generationen dauern, bis der Artenreichtum an Pflanzen und Tieren in Messel annähernd vollständig erfasst ist.
    Es wird noch einige Generationen dauern, bis der Artenreichtum an Pflanzen und Tieren in Messel annä ...
    Senckenberg
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    Criteria of this press release:
    Journalists
    Geosciences
    transregional, national
    Research results
    German


     

    Es wird noch einige Generationen dauern, bis der Artenreichtum an Pflanzen und Tieren in Messel annähernd vollständig erfasst ist.


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