Wie können wir sicherstellen, dass lebensrettende Medikamente oder Gentherapien die richtigen Zellen erreichen, ohne dabei schädliche Nebenwirkungen zu verursachen? Forschende von Helmholtz Munich, der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) und der Technischen Universität München (TUM) haben einen wichtigen Fortschritt erzielt, um diese Frage zu beantworten.
Wie können wir sicherstellen, dass lebensrettende Medikamente oder Gentherapien die richtigen Zellen erreichen, ohne dabei schädliche Nebenwirkungen zu verursachen? Forschende von Helmholtz Munich, der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) und der Technischen Universität München (TUM) haben einen wichtigen Fortschritt erzielt, um diese Frage zu beantworten. Sie haben eine Methode entwickelt, die es erstmals ermöglicht, Nanocarrier – winzige Transportvehikel – im gesamten Körper einer Maus bis auf Einzelzellebene präzise nachzuverfolgen. Diese Innovation, genannt „Single-Cell Profiling of Nanocarriers“ (kurz „SCP-Nano“), kombiniert modernste Bildgebungstechnologien mit künstlicher Intelligenz und liefert Einblicke in die Funktionsweise nanotechnologie-basierter Therapien. Die Ergebnisse, veröffentlicht in Nature Biotechnology, ebnen den Weg für sicherere und effektivere Behandlungen, einschließlich mRNA-Impfstoffe und Gentherapien.
Die Rolle von Nanocarriern in der modernen Medizin
Nanocarrier werden eine zentrale Rolle in der nächsten Generation lebensrettender Medikamente spielen. Sie ermöglichen die gezielte Verabreichung von Wirkstoffen, Genen oder Proteinen an Zellen im Körper der Patient:innen. Mit SCP-Nano können Forschende die Verteilung selbst kleinster Mengen von Nanocarriern im gesamten Körper einer Maus analysieren und jede einzelne Zelle sichtbar machen, die diese aufgenommen hat. SCP-Nano kombiniert optisches Gewebeclearing, Lichtblattmikroskopie und Deep-Learning-Algorithmen. Zunächst werden die Maus-Körper vollständig transparent gemacht. Nach der dreidimensionalen Bildgebung können die Nanocarrier im durchsichtigen Gewebe bis auf Einzelzellebene identifiziert werden. Durch die Einbindung von KI-gestützter Analyse können Forschende präzise bestimmen, welche Zellen und Gewebe mit den Nanocarriern interagieren – und an welchen Stellen dies genau geschieht.
Praktische Anwendungen von SCP-Nano
Beispiele für Nanocarrier, die Ali Ertürk, Direktor des Instituts für Intelligente Biotechnologien (iBIO) bei Helmholtz Munich, und sein Team mithilfe von SCP-Nano analysiert haben, umfassen Lipid-Nanopartikel (LNPs), DNA-Origami-Strukturen und Adeno-assoziierte Viren (AAVs). Diese Nanocarrier sind unverzichtbar für moderne Therapeutika, die Krankheiten an ihren zellulären Ursprüngen bekämpfen. Sie besitzen jeweils einzigartige Eigenschaften, die sie für verschiedene Anwendungen prädestinieren: DNA-Origami-Strukturen sind einfach programmierbar, AAVs sind äußerst effiziente Träger für die Gentherapie, und LNPs ermöglichen die gezielte RNA-Abgabe – die Grundlage moderner mRNA-Impfstoffe und vieler anderer RNA-Therapien.
Mit SCP-Nano konnten die Forschenden zeigen, dass DNA-Origami-Strukturen bevorzugt Immunzellen erreichen, während AAV-Varianten gezielt bestimmte Hirnregionen und Fettgewebe ansteuern. Besonders bemerkenswert ist, dass die Plattform aufdeckte, dass sich Lipid-Nanopartikel mit mRNA-Therapeutika im Herzgewebe anreichern können. Mit Hilfe von SCP-Nano können Forschende daher potenziell problematische Off-Target-Gewebe und damit verbundene Toxizitäten bereits vor dem Beginn klinischer Studien identifizieren. Dies ebnet den Weg für die Entwicklung sichererer und wirksamerer mRNA-Therapeutika.
Nanocarrier mit bisher unerreichter Präzision sichtbar machen
„Mit SCP-Nano können wir Nanocarrier im gesamten Körper in extrem niedrigen Dosen bis zu 0,0005 mg/kg nachweisen“, sagt Dr. Jie Luo, Erstautor der Studie. „Das gibt uns eine völlig neue Perspektive darauf, wie diese kleinen Transportvehikel mit Organen und Zellen interagieren.“ Luo betont, dass es besonders wichtig sei, dass SCP-Nano unerwünschte Akkumulationen im Herz oder in der Leber erkennen kann.
Der Mechanismus von Nanocarriern lässt sich mit einem Paketzustelldienst vergleichen, erklärt Ertürk: „Jeder Nanocarrier ist wie ein Paket, das eine wichtige Fracht transportiert und genau an die richtige Wohnung geliefert werden muss – nicht an die nebenan. Mit SCP-Nano können wir genau verfolgen, wohin diese Pakete gelangen, ob sie ihr genau vorgesehenes Ziel erreichen oder versehentlich an unerwünschte Orte geliefert werden.“
Innovation für die personalisierte Medizin vorantreiben
SCP-Nano ermöglicht es Forschenden, präzise zu bestimmen, wo sich Nanocarrier anreichern, und ihre Interaktionen mit Zielzellen sichtbar zu machen – eine Schlüsselvoraussetzung für sichere und effektive Anwendungen von Nanocarriern. „SCP-Nano wird nicht nur dabei helfen, die Sicherheit bestehender Nanocarrier zu bewerten, sondern auch die Entwicklung neuer, hochpräziser Anwendungen voranzutreiben“, sagt Luo. „Die Plattform kann zudem helfen, den Erfolg von mRNA-Therapien zu überwachen und potenzielle Nebenwirkungen frühzeitig zu erkennen.“
Eine neue Ära für die Arzneimittelentwicklung und personalisierte Therapien
Durch die Kombination modernster Bildgebungs- und KI-Technologien bietet SCP-Nano Forschenden und Kliniken ein neues Verständnis darüber, wie Therapien mit dem Körper interagieren, und lässt sich problemlos auf menschliche Gewebe und Organe übertragen. „Präzisionsmedizin und die gezielte Abgabe von Wirkstoffen werden häufig diskutiert, aber es gab bisher nur in begrenztem Umfang skalierbare und effektive Werkzeuge dafür. Unser neuer Ansatz bietet eine Lösung für eine zentrale Herausforderung in der Arzneimittelentwicklung“, schließt Prof. Ertürk.
Mit seinem Potenzial, Nebenwirkungen zu minimieren und die Präzision von Behandlungen zu erhöhen, stellt SCP-Nano einen wichtigen Schritt in Richtung sicherer und effektiver Therapien in Bereichen wie der Krebsbehandlung, Gentherapie und Impfstoffentwicklung dar. Diese Innovation löst nicht nur bedeutende Herausforderungen bei der Entwicklung nanocarrier-basierter Technologien, sondern fördert auch die Zukunft der Präzisionsmedizin.
Über die Forschenden
Prof. Ali Ertürk ist Direktor des Instituts für Intelligente Biotechnologien bei Helmholtz Munich und Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU). Er ist Teil des Munich Cluster for Systems Neurology (SyNergy).
Dr. Jie Luo ist Wissenschaftler am Institut für Intelligente Biotechnologien bei Helmholtz Munich und an der LMU.
Über Helmholtz Munich
Helmholtz Munich ist ein biomedizinisches Spitzenforschungszentrum. Seine Mission ist, bahnbrechende Lösungen für eine gesündere Gesellschaft in einer sich schnell verändernden Welt zu entwickeln. Interdisziplinäre Forschungsteams fokussieren sich auf umweltbedingte Krankheiten, insbesondere die Therapie und die Prävention von Diabetes, Adipositas, Allergien und chronischen Lungenerkrankungen. Mittels künstlicher Intelligenz und Bioengineering transferieren die Forschenden ihre Erkenntnisse schneller zu den Patient:innen. Helmholtz Munich zählt rund 2.500 Mitarbeitende und hat seinen Sitz in München/Neuherberg. Es ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, mit mehr als 43.000 Mitarbeitenden und 18 Forschungszentren die größte Wissenschaftsorganisation in Deutschland. Mehr über Helmholtz Munich (Helmholtz Zentrum München Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt GmbH): www.helmholtz-munich.de
Prof. Ali Ertürk
E-Mail: ali.erturk@helmholtz-munich.de
Luo, Molbay, Chen, Horvath, Kadletz, Kick, Zhao et al., 2025: Deep Learning Powered Imaging of Nanocarriers Across Entire Mouse Bodies at Single-Cell Resolution. Nature Biotechnology. DOI: 10.1038/s41587-024-02528-1
https://www.nature.com/articles/s41587-024-02528-1
Darstellung von Lipid-Nanopartikeln mittels SCP-Nano-Technologie auf zellulärer Ebene im Lungengeweb ...
Ali Ertürk
Helmholtz Munich / Ali Ertürk
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars
Biology, Medicine
transregional, national
Research results
German
Darstellung von Lipid-Nanopartikeln mittels SCP-Nano-Technologie auf zellulärer Ebene im Lungengeweb ...
Ali Ertürk
Helmholtz Munich / Ali Ertürk
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