Eine aktuelle Studie vergleicht derzeit die Verträglichkeit und Wirksamkeit von Anschlusstherapien (Antihormon-Therapie vs. Strahlentherapie) nach der Operation bei Brustkrebspatientinnen über 70 Jahren mit nicht metastasierten Luminal A-Tumoren. Aktuell wurden die Verträglichkeitsdaten [1] publiziert, denen zufolge die Strahlentherapie der endokrinen Therapie überlegen ist. Das ist für Expertinnen und Experten nicht weiter überraschend, weil die moderne Strahlentherapie kaum noch zu Nebenwirkungen führt. Allgemein ist dies allerdings wenig bekannt, noch immer wird sie mit Therapiefolgen in Zusammenhang gebracht, die längst der Vergangenheit angehören.
Mit etwa 40 – 50 % ist Luminal A der häufigste molekulare Subtyp bei Brustkrebs. Die Tumoren sind meist stark hormonrezeptor-positiv, d. h. Hormone regen die Krebszellen zum Wachstum an. Die Betroffenen haben eine relativ gute Prognose. Oft kann brusterhaltend operiert werden, allerdings wird eine Anschlusstherapie empfohlen, um das Rückfallrisiko zu senken. In der Regel kommt dafür eine Antihormontherapie (sog. endokrine Therapie) zum Einsatz, damit die Hormone nicht weiter das Tumorwachstum katalysieren. Das geht mit sog. Aromatasehemmern, die die Hormonbildung unterdrücken, oder mit Tamoxifen, das die „Andockstellen“ für Östrogene auf den Zellenoberflächen besetzt und so dafür sorgt, dass diese Hormone keine Wirkung entfalten können. Ein zusätzlicher Weg, das Rückfallrisiko einzudämmen, stellt die Strahlentherapie ein. In vielen Szenarien erfolgen beide Therapien nach der operativen Tumorentfernung.
Grundsätzlich ist natürlich immer abzuwägen, ob der wahrscheinliche Mehrwert einer Therapie im Hinblick auf die Wirksamkeit die mit ihr einhergehenden Nebenwirkungen und möglichen Folgekomplikationen rechtfertigt. In diese „Rechnung“ sind immer auch das Alter und der Allgemeinzustand der Betroffenen mit einzubeziehen. Für ältere Patientinnen mit Luminal A-Tumoren, bei denen der Tumor vollständig entfernt wurde und kein Lymphknotenbefall vorliegt, deren Lebenserwartung aber dennoch nicht höher als zehn Jahre eingestuft wird, lautete die bisherige Empfehlung [2], dass trotz eines erhöhten Lokalrezidivrisikos auch auf die Strahlentherapie verzichtet werden könnte. Voraussetzung sei, dass diese Entscheidung zusammen mit der Patientin nach eingehender Beratung getroffen wird.
„Ebenso ist es aber auch denkbar, die endokrine Therapie wegzulassen und nur zu bestrahlen, auch damit würde man ältere Patientinnen Nebenwirkungen ersparen. Gerade mit den neuen Bestrahlungstechniken, die es ermöglichen, Tumoren wirkungsvoll zu bekämpfen, ohne benachbartes Gewebe stark in Mitleidenschaft zu ziehen, erscheint diese Option zunehmend attraktiver. Denn die Strahlentherapie ist eine relativ nebenwirkungsarme Therapie, die das Rückfallrisiko bei Brustkrebs effektiv eindämmen kann“, gibt Universitätsprofessorin Dr. Stephanie Combs, Pressesprecherin der DEGRO, zu bedenken.
Patientinnen sei oft gar nicht bewusst, dass auch die Antihormontherapie Nebenwirkungen hat, und zwar auch bei Frauen nach den Wechseljahren. Wie Prof. Combs ausführt, kommt es unter der endokrinen Therapie häufig zur Abnahme der Knochendichte und damit verbunden zur Osteoporose. „Das wird als Komplikation oft unterschätzt. Man sollte sich aber vor Augen führen, dass ein Großteil der Oberschenkelhalsbrüche auf das Konto der Osteoporose geht, mehrheitlich Frauen im höheren Alter davon betroffen und viele dieser Ereignisse folgenschwer sind.“ Die Expertin verweist hier auf Angaben der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie [3], der zufolge 10 Prozent der Menschen, die einen Oberschenkelhalsbruch erleiden, innerhalb der ersten 30 Tage nach ihrem Sturz sterben und bis zu 20 Prozent ihre Selbstständigkeit verlieren. Eine weitere limitierende Nebenwirkung der Anti-Hormontherapie sind zudem Muskel- und Gelenkschmerzen. Auch das hört sich zunächst harmlos an, Fakt ist aber, dass Gelenkschmerzen den häufigsten Grund für Therapieabbrüche darstellen [4]. „Wenn die Schmerzen so stark sind, dass Brustkrebspatientinnen lieber das Risiko eingehen, dass der Krebs wiederkommt, statt die Therapie weiterzuführen, zeigt das klar, wie stark diese Nebenwirkung die Lebensqualität beeinträchtigt.“
Entsprechend sei nun die Strahlentherapie als Alternative in den Fokus gerückt. Zwischenzeitlich wird die Fragestellung, ob bei diesen älteren Patientinnen nicht vielleicht ebenso gut auf die endokrine Therapie verzichtet werden könne, wissenschaftlich untersucht. Derzeit läuft eine randomisierte Phase-III-Studie (2021-2024, 207 Pat., 17 Zentren), in die Patientinnen über 70 Jahren mit nicht metastasierten Luminal A-Brusttumoren (pT1 N0 (90% pN0) R0 ER/PR ≥10% HER2 neg. Ki67 ≤ 20%, G1-2 (G3 falls ≤ 10 mm)), die nicht mit einer Chemotherapie vor- oder nachbehandelt wurden, nach der brusterhaltenden Operation eingeschlossen wurden. Sie erhielten entweder eine adjuvante Radiotherapie (Teil- (85%) oder Ganzbrustbestrahlung (15%), 40 Gy/2,67 Gy oder 26 Gy/5,2 Gy)) oder eine endokrine Therapie über fünf Jahre (Tamoxifen oder Aromataseinhibitor). Die primären Endpunkte sind die Lokalrezidivrate nach fünf Jahren und die Lebensqualität nach zwei Jahren.
Aktuell wurde eine Zwischenauswertung von 207 Patientinnen publiziert [1], die im Hinblick auf die Lebensqualität einen Vorteil der Strahlentherapie zeigen. Die Lebensqualität im Radiotherapie-Arm blieb über zwei Jahre konstant, während im endokrinen Therapie-Arm ein statistisch signifikanter und klinisch relevanter Abfall des „General Health Score“ beobachtet wurde. Auch behandlungsbedingte Toxizitäten waren unter der Antihormontherapie häufiger. Die Rückfallprophylaxe mit der Strahlentherapie ist diesen Daten zufolge also verträglicher als die mit der endokrinen Therapie – aber ist sie auch ebenso wirksam? „Die veröffentlichte Interimsanalyse gibt keinen Hinweis darauf, wie die Rückfallraten in den Studiengruppen aussahen – deswegen müssen wir mit der Interpretation der Daten sehr vorsichtig sein und möchten keine vorschnellen Schlüsse ziehen“, erklärt DEGRO-Generalsekretär Prof. Dr. Wilfried Budach. „Im Moment raten wir nicht dazu, bei betagten Patientinnen mit diesen Tumoren die endokrine Therapie nicht mehr einzusetzen, das gibt die derzeitige Studienlage nicht her.“
Zwei wichtige Schlussfolgerungen können nach Ansicht der DEGRO aber schon jetzt aus den Daten gezogen werden: Zum einen kann man älteren Patientinnen, die die Antihormontherapie nicht vertragen, die Strahlentherapie als schonendere Alternative anbieten, zum anderen zeigten diese Ergebnisse erneut, dass die Strahlentherapie im Vergleich zu anderen Krebstherapien sehr gut verträglich ist. „Es ist oft gar nicht bekannt, wie schonend die Radiotherapie mittlerweile ist.“
Quellen
[1] Meattini I, De Santis MC, Visani L et al.; EUROPA Trial Investigators. Single-modality endocrine therapy versus radiotherapy after breast-conserving surgery in women aged 70 years and older with luminal A-like early breast cancer (EUROPA): a preplanned interim analysis of a phase 3, non-inferiority, randomised trial. Lancet Oncol. 2025 Jan;26(1):37-50. doi: 10.1016/S1470-2045(24)00661-2
[2] Diagnostik und Therapie früher und fortgeschrittener Mammakarzinome. Adjuvante Strahlentherapie. 2024. Empfehlungen zur adjuvanten Strahlentherapie bei Brustkrebs basieren auf einer Konsensusdiskussion zwischen Experten der Arbeitsgemeinschaft für Gynäkologische Onkologie (AGO) und der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO).
https://www.ago-online.de/fileadmin/ago-online/downloads/_leitlinien/kommission_...
[3] https://dgou.de/aktuelles/detail/weissbuch-alterstraumatologie-vorgestellt-1
[4] Banys-Paluchowski M, Krawczyk N, Fehm T et al. Aromatasehemmer: Eine kritische Bestandsaufnahme. Dtsch Arztebl 2016; 113(11): [12]; DOI: 10.3238/PersGyn.2016.03.18.03
DEGRO-Pressestelle
Davida Drescher
albersconcept
Tel. +49 1520 3132647
drescher@albersconcept.de
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doi: 10.1016/S1470-2045(24)00661-2
Criteria of this press release:
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Medicine
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German
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