Die Schulschließungen haben junge Menschen stark getroffen. Wie wirkten sich diese auf das Thema Mobbing aus? PD Dr. Hendrik Sonnabend hat die Entwicklungen untersucht.
Einmal hingefallen – und schon kursiert ein peinliches Video in der Whats-App-Gruppe einer Schulklasse. Mobbing findet nicht mehr nur persönlich in Form von Beleidigungen oder physischer Gewalt statt, sondern auch online. Es ist kein schönes Thema, allerdings ist es tief in unserer Gesellschaft verwurzelt.
Mobbing-Opfer leiden oft unter Folgen
Die bekannte Netflix-Serie „Tote Mädchen lügen nicht“ beispielsweise beleuchtet das Thema eingehend: Die Protagonistin Hannah nimmt sich aufgrund von Mobbing das Leben. Sie hinterlässt 13 Audiokassetten an Personen aus ihrem Umfeld und erklärt dort die Gründe für ihren Suizid und wie sehr das Verhalten dieser Menschen sie verletzt hat. Mobbing hinterlässt nicht nur tiefe seelische Narben, sondern ist mit erheblichen volkswirtschaftlichen Folgen verbunden. Empirische Belege aus den USA zeigen, dass Mobbing die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Schülerinnen und Schüler den Unterricht schwänzen und die Schule abbrechen. Studien aus Großbritannien ergaben, dass die Opfer von Psychoterror weniger erwerbstätig sind und über weniger Vermögen verfügen als Kinder, die nicht geärgert wurden.
Führten Schulschließungen zu mehr Mobbing?
In Deutschland stellten die Schulschließungen in der Corona-Pandemie Kinder und ihre Eltern vor insgesamt große Herausforderungen – auch wegen des Mobbings. Viele Kinder und Jugendliche verbrachten auf einmal jede Menge Zeit alleine zu Hause – vor allem am Smartphone oder Computer. Der deutsche Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach räumte in einer Pressekonferenz ein: Schulen und Kindertagesstätten seien zu lange geschlossen gewesen. Die Folgen sind heute noch spürbar.
Cybermobbing nimmt zu
PD Dr. Hendrik Sonnabend (Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbes. Internationale Ökonomie), Dr. Ulf Rinne (IZA Bonn) und Helen Rahlff, Masterabsolventin der FernUniversität, untersuchten das Ausmaß von Mobbing in Deutschland sowohl im persönlichen Kontext als auch über soziale Medien oder elektronische Kommunikationsmittel (Cybermobbing). Mit Hilfe von Google-Trends in den Jahren von 2013 bis 2022 dokumentierten sie gemeinsam die Veränderungen von Mobbing in Deutschland. Dafür verwendeten sie die Suchbegriffe „Mobbing in der Schule“ und „Cybermobbing“. Zwar kann durch die Google-Suche nicht erfasst werden, wer genau diese Begriffe eingibt, jedoch zeigt sich die Ausbreitung des Problems. „Die Online-Suchen zum Begriff Mobbing in der Schule sind während der Schulschließungen um mehr als 38 Prozent zurückgegangen. Dafür nahmen die Suchen nach Cybermobbing im gleichen Zeitraum um etwa 29 Prozent zu“, resümiert Hendrik Sonnabend.
Vor der Pandemie zeigte bereits eine Forschung von Robin Kowalski einen Zusammenhang zwischen einer erhöhten Internetnutzung und höheren Fällen von Cybermobbing unter jungen Personen. Eine Studie in den USA stellte während der Pandemie fest, dass es einen erheblichen Rückgang beider Online-Suchanfragen gab – es wurde weniger gemobbt. „Diese Datenlage wollten wir mit Deutschland vergleichen“, erklärt Sonnabend. Zwar reduzierte sich die Dimension von persönlichem Mobbing in Deutschland, jedoch nahm das Ausmaß von Cybermobbing im Zeitraum der Schulschließungen zu. Selbst nach der Wiederöffnung der Schulen zeigte sich, dass Cybermobbing weiterhin präsent bleibt und das Ausmaß sich sogar verstärkt. Die Fälle von persönlichem Mobbing bleiben auf demselben Niveau wie vor der Pandemie.
Beitrag zur Pandemieaufarbeitung
Über die Corona-Maßnahmen wurde viel diskutiert und mittlerweile zieht die Politik Bilanz: Welche waren berechtigt, welche würde man nicht mehr so beschließen? „Die Schulschließungen stehen immer noch in der Kritik und unsere Forschung kann einen Beitrag zur Pandemieaufarbeitung leisten“, sagt Hendrik Sonnabend. Die gemeinsame Untersuchung zeigt, dass Mobbing ein gesellschaftliches Problem ist, dass ernsthafte Aufmerksamkeit erfordert. Die Gründe, warum die Fälle von Cybermobbing zugenommen haben, sind vielfältig. Eine Erklärung könnte die mangelnde digitale Kompetenz in Schulen sein.
„Der Wandel ins Digitale während der Schulschließungen ist relativ abrupt passiert. Es gab keine Zeit für Einführungen und vielleicht waren die Kinder digital weniger ausgebildet als die zum Beispiel in den USA“, erklärt Sonnabend. Viele Schülerinnen und Schüler fühlten sich in der Corona-Zeit isoliert. Das psychische Wohlbefinden hat bei einigen sehr gelitten – vielleicht suchen Kinder Ventile? Die Betreuung der Schülerinnen und Schüler fiel in der Pandemie sehr unterschiedlich je nach Lehrkraft und Schule aus – einige hatten regelmäßig Online-Unterricht, während andere Aufgabenblätter alleine zu Hause bearbeiteten. Es gibt viel Kritik darüber hinaus an der Nutzung von digitalen Medien – besonders bei jungen Menschen, da diese sich auf psychische Gesundheit auswirken können. „Es würde helfen, wenn der Bildungssektor und die Politik das Thema Mobbing, insbesondere Cybermobbing, im Blick behalten und mehr über dieses Thema aufklären würden.“ Das kann auf unterschiedlichen Wegen passieren, zum Beispiel durch Expertinnen und Experten oder Betroffene, die von ihren Erfahrungen berichten. So bleibt das Thema präsent und es regt Schülerinnen und Schüler zum Nachdenken an, wo vielleicht auch die eigenen Grenzen liegen und warum Mobbing keine Lösung ist.
Redaktion: Annemarie Alice Gonsiorczyk
PD Dr. Hendrik Sonnabend, hendrik.sonnabend@fernuni-hagen.de
https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/09645292.2024.2427644
PD Dr. Hendrik Sonnabend
Hardy Welsch/FernUniversität
Criteria of this press release:
Business and commerce, Journalists, Scientists and scholars, Students, Teachers and pupils, all interested persons
Economics / business administration, Politics, Social studies, Teaching / education
transregional, national
Research results, Schools and science
German
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