Individuell soll es sein, aber bitte auch präzise und kostengünstig: Die Verknüpfung von maßgeschneiderter Einzelproduktion mit der Effizienz der Massenfertigung – kurz: Mass Customization – ist ein entscheidendes Zukunftsthema in der industriellen Fertigung. Mit Hilfe von KI wollen Forschende der HSBI das Produktionskonzept vereinfachen und effizienter gestalten. Dabei setzen sie auf eine innovative Verknüpfung neuester Technologien. Das Interesse der Wirtschaft ist da: Zwei Unternehmen aus der Region machen mit beim Forschungsprojekt KiMaC, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit mehr als 600.000 Euro gefördert wird.Zu Besuch beim Verglasungsspezialisten Solarlux aus Melle.
Bielefeld (hsbi). Ein Wintergarten von der Stange? Michael Berens schüttelt den Kopf. „Die Bau-Bedingungen und Kundenwünsche sind immer individuell. Im Prinzip ist deshalb jeder unserer Wintergärten ein Einzelstück.“ Und in aufwändiger Handarbeit hergestellt? Berens schüttelt wieder den Kopf und lädt gut gelaunt zum Rundgang über den modernen Firmencampus ein. Ortstermin bei Solarlux, Praxispartner im Forschungsprojekt KiMaC der Hochschule Bielefeld (HSBI). Berens ist Leiter IT & Organisation des weltweit agierenden Familienunternehmens und Spezialisten für innovative Verglasungen aus Melle. Er führt die Besuchergruppe von der Hochschule Bielefeld (HSBI) über eine Galerie durch eine weitläufige Produktionshalle: Bauteile schweben automatisiert über Schienen zu ihren jeweiligen Bearbeitungsstationen. „Wir produzieren nach dem Konzept der Mass Customization. Das erlaubt die Fertigung individueller Produkte wie etwa Wintergärten mit der Präzision und Effizienz der Massenproduktion“, erläutert Berens. Immer mehr Unternehmen setzen darauf und reagieren damit auf das veränderte Konsumverhalten.
Ein Ziel von KI-unterstützter Mass Customization (KiMaC): den Konfigurator benutzerfreundlicher machen
Mass Customization fängt schon bei der Konstruktion an: Längst hat bei Solarlux ein ausgeklügeltes Konfigurationsprogramm das Reißbrett ersetzt. Menschliche Expertise braucht es trotzdem, sagt Berens: „Aus der Erfahrung vieler erfolgreich realisierter Projekte wissen wir, was funktioniert und was nicht, und können den Konfigurator entsprechend steuern.“ Noch. „Die Produkte werden immer individualisierbarer. Damit steigt die Anzahl möglicher Ausprägungen exponentiell. Mensch und Konfigurator geraten an ihre Grenzen“, sagt Prof. Dr. Stefan Berlik, Professor für Big Data Analytics am Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Mathematik der HSBI. Michael Berens nickt bestätigend: „Die Kombinationsmöglichkeiten sind kaum mehr überschaubar, und das Durchrechnen sämtlicher Varianten würde zu viel Zeit kosten“, umreißt der IT-Leiter das Problem. Die technische Entwicklung stets im Blick weiß Berens: Künstliche Intelligenz (KI) ist der nächste Schritt. Deswegen war er sofort dabei, als Stefan Berlik Praxispartner für ein Projekt zur Erforschung eines Lösungsansatzes suchte: KiMaC – KI-unterstützte Mass Customization.
Professor Berlik freut das Engagement: „Wir betreiben hier wirklich angewandte Forschung. Die Einbindung von Industriepartnern erdet ein Projekt, sie stellt den Praxisbezug sicher und ermöglicht die Überprüfung unserer Lösungen in der Anwendung.“ Neben Solarlux ist auch der Türenspezialist Grauthoff aus Rietberg mit von der Partie. Zusammen mit Prof. Dr. Pascal Reusch, im Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Mathematik zuständig für das Lehrgebiet Industriebetriebslehre und Produktionswirtschaft, leitet Stefan Berlik das Forschungsprojekt. Das Ziel: „Mit Hilfe von KI reduzieren wir die Komplexität und machen den Konfigurator benutzerfreundlicher“, so Berlik. Konkret soll in der Konfigurations-Software eine KI die menschliche Expertise unterstützen und nicht nur die möglichen, sondern auch wahrscheinlichen Varianten aufzeigen. „So erkennt die KI beispielsweise, ob ein Produkt vollständig konfiguriert wurde oder ob die gewählte Konstruktion später in eine Sackgasse laufen würde – etwa, weil die Statik nicht passt“, erklärt Berlik. Und niemand muss sich mehr durch sämtliche Farbvarianten arbeiten… Pinke Wintergärten sind zwar möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich.
Innovatives Prinzip Wissensgraph strukturiert die Daten auf clevere Art – Chatbot-Einsatz geplant
Damit die KI zum Experten wird und Vorschläge machen kann, muss sie aus bereits vorhandenen und fortwährend produzierten Daten lernen – 600 GB steuert allein Solarlux bei. „Das sind Daten unserer realisierten Projekte, also gesichert funktionierende und nachgefragte Konstruktionen“, erläutert Michael Berens. Der Clou: Für die Repräsentation der Daten setzen die Forschenden auf eine innovative Technologie, den Wissensgraph. „In einem Wissensgraph können Daten aus verschiedenen Quellen an zentraler Stelle zusammengeführt, strukturiert und semantisch verknüpft werden. Zudem lässt sich per Inferenz neues Wissen aus bestehenden Daten und Beziehungen im Wissensgraphen ableiten“, erläutert Stefan Berlik. „Die Daten sind so deutlich schneller verfügbar und umfassender analysierbar.“ Und auch die Anwender:innen sollen profitieren: Als i-Tüpfelchen integrieren die Forschenden Elemente aus dem Natural Language Processing, also der Verarbeitung natürlicher Sprache. „Kund:innen können sich dann einfach mit einem Chatbot unterhalten, um ihr Produkt zu konfigurieren“, sagt Dr. Mohammad Seidpisheh, im Projekt als wissenschaftlicher Mitarbeiter mit dem Konfigurator befasst. „Die Kombination der Technologien ist einzigartig, sie wurde in dieser Form bisher in keiner Software implementiert.“
Im Projekt KiMaC wird die Planung und Optimierung der Solarlux-Produktion gleich mitgedacht
Die Forschenden belassen es aber nicht bei der Konstruktion, sondern gehen noch einen Schritt weiter: Michael Berens öffnet eine Tür und lässt die Gruppe in ein hochmodernes Hochregallager eintreten. Ein imposanter Roboter fährt auf die Galerie zu, stoppt, schraubt sich in die Höhe und zieht ein Bauteil aus einem Fach. „Ein individuell konfiguriertes Produkt muss auch möglichst effizient produziert werden. Wir schauen uns deshalb auch die Produktions- und insbesondere die Produktionslogistikplanung an und optimieren sie hinsichtlich der Mass Customization, indem wir den Einsatz von Ressourcen in den Blick nehmen“, erklärt Lina Döring, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin genau diesen Teil des Projekts bearbeitet. Sind alle benötigten Elemente des gewünschten Produktes vorhanden? Was fehlt? Wie lange dauert die Nachlieferung? „Beim Konfigurieren wird dann beispielsweise angezeigt, wie lang die Produktionszeit der jeweiligen Option ist“, erläutert Döring. So wird auch die Umsetzung der kundenindividuellen Produkte in der Produktion mitgedacht und effizienter gemacht.
Zurück in der Empfangshalle blickt Michael Berens auf die ausgestellten Beispiele aus dem Solarlux-Portfolio. „Das ist nur ein Bruchteil des Möglichen. Und wir wollen uns weiterentwickeln. Durch die Zusammenarbeit mit der HSBI sind wir ganz vorne mit dabei und können weiter in die Tiefe schauen als in unserem Tagesgeschäft – für das Unternehmen auch klar ein Reputationsfaktor.“
https://www.hsbi.de/presse/pressemitteilungen/solarlux-aus-melle-kombiniert-die-... Pressemitteilung auf www.hsbi.de
Projektteam: (v. l.) Dr. Mohammad Seidpisheh, Prof. Dr. Stefan Berlik, Lina Döring von der HSBI sowi ...
K. Starodubskij/HSBI
Mit Hilfe von KI wollen Forschende der HSBI das Produktionskonzept Mass Customization vereinfachen u ...
K. Starodubskij/HSBI
Criteria of this press release:
Journalists
Information technology, Materials sciences, Mechanical engineering
transregional, national
Research projects, Transfer of Science or Research
German
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