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01/29/2025 09:20

Kita oder Ganztagsschule: 59% der erwerbstätigen Eltern mit Schließungen oder verkürzten Betreuungszeiten konfrontiert

Rainer Jung Abt. Öffentlichkeitsarbeit
Hans-Böckler-Stiftung

    Neue Befragung

    Bei Kita oder Ganztagsschule: 59% der erwerbstätigen Eltern mit Schließungen oder verkürzten Betreuungszeiten konfrontiert

    Wenn von Betreuungsengpässen die Rede ist, denken viele zunächst an die vielen Familien, die keinen Platz in einer Kita, bei Tageseltern oder in der schulischen Ganztagsbetreuung bekommen haben. Doch auch ein großer Anteil der erwerbstätigen oder arbeitsuchenden Eltern, die offiziell für ihr Kind einen Betreuungsplatz haben, kann nicht mit einer zuverlässigen Betreuung planen.

    Knapp 60 Prozent von ihnen waren im vergangenen Herbst mit Kürzungen der Betreuungszeiten und/oder sogar kurzfristigen zeitweiligen Schließungen der Einrichtung konfrontiert. Rund 29 Prozent der Eltern mit Kindern in Betreuung berichteten dabei von zwei oder mehr ausgefallenen Betreuungstagen innerhalb von drei Monaten, knapp vier Prozent sogar von mehr als zehn Tagen. Das ist ein Ergebnis der neuen Welle der repräsentativen Erwerbspersonenbefragung der Hans-Böckler-Stiftung, für die im Dezember 2024 insgesamt mehr als 7.500 erwerbstätige und arbeitsuchende Personen online befragt wurden. Rund 1.000 Personen mit Kindern in Betreuungseinrichtungen erhielten Fragen zur Stabilität der Betreuung. Ein erheblicher Teil der Betroffenen, vor allem Mütter, mussten ihre eigene Erwerbsarbeitszeit reduzieren, um die Betreuungslücke zu schließen.

    „Die Mehrheit der befragten Eltern berichten von unzuverlässiger Betreuung. Das zeigt, dass der Staat vor einer doppelten Aufgabe steht. Er muss einerseits Betreuungsangebote ausbauen und andererseits die Qualität und Zuverlässigkeit der bestehenden Angebote sicherstellen. Ganz offensichtlich ist schon die personelle Ausstattung der bereits existierenden Angebote nicht ausreichend“, sagt Prof. Dr. Bettina Kohlrausch, wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung. „Die kommende Regierung muss den Ausbau und die Qualität von Kinderbetreuung und früher Bildung priorisieren. Es braucht dauerhafte und verlässliche Mehrinvestitionen in die Kinderbetreuung und den schulischen Ganztag“, so Kohlrausch, die die Befragung zusammen mit den WSI-Forschern Dr. Andreas Hövermann und Dr. Helge Emmler auswertet.

    Von den insgesamt 1.023 befragten Müttern und Vätern, die ihre Kinder in einer Kita, bei einer/einem Tagesmutter/-vater oder einer Ganztagsschule in Betreuung gegeben haben, gaben 44 Prozent an, dass die Einrichtung in den drei Monaten vor der Befragung im Dezember kurzfristig und ungeplant geschlossen hatte, beispielsweise wegen Personalmangels bei Erkrankungen (siehe auch Abbildung 1 in der pdf-Version dieser PM; Link unten). Bei ebenfalls 44 Prozent kam es zu Verkürzungen der vereinbarten Betreuungszeiten (siehe auch Abbildung 2 in der pdf-Version). Da ein Teil der Eltern sowohl mit Kürzungen als auch mit Schließungen zurechtkommen musste, summiert sich die Quote der Betroffenen insgesamt auf 59,2 Prozent. Unter den von Schließungen betroffenen Eltern waren rund 15 Prozent mit Schließungen an einem Tag konfrontiert, fast 22 Prozent mussten Schließungen an zwei bis fünf Tagen ausgleichen und je knapp vier Prozent sogar an sechs bis zehn bzw. mehr als zehn Tagen.

    Viele Eltern stellen die Ausfälle vor große Probleme im Alltag: 32 Prozent der mit Schließungen oder Kürzungen der Betreuungszeiten Konfrontierten sagen, dass ihre Arbeitssituation von „starken“ oder „äußersten“ Belastungen geprägt sei gegenüber 24 Prozent unter Müttern und Vätern, die im Befragungszeitraum nicht davon betroffen waren. Dabei sind erwerbstätige Mütter noch deutlich stärker eingespannt als Väter. So gaben 64 Prozent der betroffenen Männer, die in heterosexuellen Partnerschaften leben, an, ihre Partnerin sei eingesprungen, um die Betreuungslücke zu schließen, unter den Frauen sagten das 48 Prozent über ihren Partner (siehe auch Abbildung 3). 48 Prozent der betroffenen Mütter und 43 Prozent der Väter haben während der Schließung oder Kürzung der Betreuungszeit Urlaub genommen oder Überstunden abgebaut, um die Betreuungslücke auszugleichen.

    33 Prozent der Väter und sogar 40 Prozent der Mütter mussten zeitweilig ihre Arbeitszeit reduzieren. Gerade Letzteres könne die Benachteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt vertiefen, warnt die Soziologin Kohlrausch: „Wir wissen zum Beispiel aus der Forschung, dass Personen mit geringerer Erwerbsarbeitszeit seltener Zugang zu Weiterbildung haben. Immer wieder Ausfälle in der Kinderbetreuung ausgleichen zu müssen, kann daher durchaus spürbare Konsequenzen auf den weiteren Erwerbsverlauf haben.“ Auch Verwandte und/oder Freunde spielen eine wichtige Rolle, um akute Betreuungskonflikte zu entschärfen.

    „Die Befragungsdaten zeigen, wie dringend die Infrastruktur der frühen Bildung und Betreuung und die Arbeitsbedingungen in Erziehungsberufen verbessert werden müssen“, analysiert WSI-Direktorin Kohlrausch. „Zu geringes Angebot und mangelnde Verlässlichkeit bei Kitas und Ganztagsschulen sind längst ein kritischer Engpass für die Berufstätigkeit von Millionen Eltern, insbesondere Müttern. Das passt schon gar nicht dazu, dass gleichzeitig gerne die Forderung erhoben wird, Erwerbstätige sollten ihre Erwerbsarbeitszeit erhöhen. Gerade Mütter, die die Hauptlast der unzureichenden Betreuungsangebote tragen, werden immer wieder als Gruppe genannt, die zu wenig Erwerbsarbeit leiste. Dafür müssen dann aber auch die Voraussetzungen geschaffen werden – und eine wesentliche Voraussetzung ist ein verlässliches und qualitativ hochwertiges Betreuungsangebot“, betont Kohlrausch. „Die dafür nötigen Investitionen sind groß, aber in jedem Fall gut angelegtes Geld. Neben den finanziellen Investitionen braucht es zudem eine Fachkräfteoffensive, da der Ausbau des Betreuungsangebots inzwischen häufig nicht mehr nur am Geld, sondern auch an den fehlenden Fachkräften scheitert.“

    -Weitere Informationen-

    Informationen zur Befragung

    Für die Erwerbspersonenbefragung der Hans-Böckler-Stiftung werden Erwerbstätige und Arbeitsuchende von Kantar Deutschland online zu ihrer Lebenssituation befragt. Die Befragten bilden die Erwerbspersonen in Deutschland im Hinblick auf die Merkmale Geschlecht, Alter, Bildung und Bundesland repräsentativ ab.


    Contact for scientific information:

    Prof. Dr. Bettina Kohlrausch
    Wissenschaftliche Direktorin WSI
    Tel.: 0211-7778-186
    E-Mail: Bettina-Kohlrausch@boeckler.de

    Rainer Jung
    Leiter Pressestelle
    Tel.: 0211-7778-150
    E-Mail: Rainer-Jung@boeckler.de


    Original publication:

    Die PM mit Abbildungen (pdf): https://www.boeckler.de/pdf/pm_wsi_2025_01_29.pdf


    Images

    Criteria of this press release:
    Journalists
    Economics / business administration, Politics, Social studies
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

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