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01/29/2025 10:23

Steinbruch, Sand- und Kiesgrube als Lebensraum: So kann die Baustoffbranche Biodiversität fördern

Richard Harnisch Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation
Institut für ökologische Wirtschaftsforschung GmbH, gemeinnützig

    Gemeinsame Pressemeldung von Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels (LIB), Universität Münster und NABU (Naturschutzbund Deutschland) e.V. ► Rohstoffunternehmen greifen in Ökosysteme ein, können aber auch neue Lebensräume schaffen, die für den Schutz seltener Arten sehr wichtig sind. Forschende haben in zwölf deutschen Gewinnungsstätten über 1.200 Tier- und Pflanzenarten nachgewiesen. Ein Handbuch des Projekts GiBBS zeigt, wie Artenschutz mit dem laufenden Betrieb vereinbar ist – kosteneffizient umsetzbar für Rohstoffunternehmen jeder Größe.

    Berlin/Bonn/Münster, 29. Januar 2025 – Immer mehr Menschen sorgen sich um das Artensterben. Der öffentliche Druck nimmt auch auf Rohstoffunternehmen zu, denn sie verändern Ökosysteme durch den Abbau beziehungsweise die Gewinnung von Baustoffen, zum Beispiel Sand und Gips. Doch gerade für seltene Arten können in Gewinnungsstätten – die es in ganz Deutschland gibt – wichtige neue Lebensräume entstehen. Um diese potenziellen Lebensräume besser zu entwickeln, haben Forschende im Dialog mit der Baustoffbranche ein Konzept für ein ganzheitliches Biodiversitätsmanagement erarbeitet. Mit Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) erstellte das Projekt „Ganzheitliches Biodiversitätsmanagement in der Baustoffindustrie“ (GiBBS) ein Handbuch: Es unterstützt Rohstoffunternehmen dabei, Artenschutzmaßnahmen zu planen, umzusetzen und zu evaluieren.

    In Deutschland gibt es weiterhin einen hohen Bedarf an Baustoffen. Für eine nachhaltigere Bauwirtschaft ist es zentral, die Potenziale von Recycling, nachwachsenden Rohstoffen und effizienten Bautechniken vollständig auszuschöpfen. Ein weiterer Eckpfeiler ist das Biodiversitätsmanagement in Gewinnungsstätten, denn: Auch in Zukunft können wir nicht komplett auf Primärrohstoffe verzichten.

    Wertvolle Lebensräume für hunderte Arten

    „Bei der Gewinnung von Sand, Kies, Kalkstein oder Gips greifen Unternehmen in die Landschaft ein. Dabei geht immer etwas verloren, doch für die Biodiversität kann es trotzdem ein Gewinn sein: Neue, karge Lebensräume entstehen, die für sogenannte Pionierarten überlebenswichtig sind“, sagt Prof. Dr. Christoph Scherber, stellvertretender Generaldirektor des Leibniz-Instituts zur Analyse des Biodiversitätswandels (LIB) in Bonn.

    So leben in diesen Pionierlebensräumen etwa Arten wie der Flussregenpfeifer oder die Blauflügelige Sandschrecke. In Baggerlöchern bilden sich Tümpel, in denen Kreuz- und Wechselkröten laichen. Vögel wie Uferschwalben nisten in Abbruchkanten. Solche Arten finden in Deutschland immer seltener geeignete Lebensräume. Aus diesem Grund kann die Baustoffbranche für ihren Schutz eine wichtige Rolle spielen.

    Forschende des LIB und der Universität Münster haben die Artenvielfalt in zwölf verschiedenen Gewinnungsstätten untersucht. Ihr Ergebnis: Mehr als 1.200 Pflanzen-, Vogel-, Insekten-, Amphibien- und Reptilienarten konnten sie bei den beteiligten Standorten dokumentieren.

    Biodiversität fördern statt verhindern

    „Einige Unternehmen sind bereits sehr engagiert und schaffen aktiv Lebensräume für seltene Arten. Andere sind hingegen zurückhaltend, weil sie eine Beeinträchtigung ihrer Betriebsabläufe oder Konflikte mit Naturschutzbehörden befürchten. Teilweise versuchen sie deshalb zu verhindern, dass sich gefährdete Arten ansiedeln“, erklärt Anneli Heinrich. Sie ist Wirtschaftsingenieurin und leitete am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) das Projekt GiBBS. „Wir haben Unternehmen, Branchen- und Naturschutzverbände sowie Naturschutzbehörden an einen Tisch gebracht, um konstruktive Lösungsansätze zu finden. Gleichzeitig hat das IÖW in sieben Unternehmen erforscht, welche Hürden es gibt und welche Strategien funktionieren.“

    Das Team erarbeitete praktikable Lösungen, damit Unternehmen aller Größen im laufenden Betrieb die Artenvielfalt fördern können. Dabei geht es um freiwillige Maßnahmen, mit denen sich Unternehmen als verantwortungsbewusste Akteure positionieren können – in der Öffentlichkeit, bei Naturschutzbehörden und Geschäftspartnern.

    Eine Aufgabe für das ganze Unternehmen

    Das GiBBS-Handbuch denkt alle Unternehmensebenen mit – von der Leitung bis zu den Baggerfahrenden. „Die Baustoffbranche setzt sich schon seit vielen Jahren für den Artenschutz in Gewinnungsstätten ein. Neu ist: Das Handbuch bietet konkrete Hinweise und Tipps, wie biodiversitätsfördernde Maßnahmen in die Unternehmensabläufe effizient und kostenorientiert eingebunden werden können“, betont Ivonne Arenz vom Bundesverband Mineralische Rohstoffe (MIRO).

    Konkret heißt das: Schutz und Förderung der Biodiversität sollte Teil der Unternehmensstrategie werden. Sowohl der internationale Konzern als auch das kleine Familienunternehmen können klar formulieren, was sie für den Artenschutz erreichen wollen. Dabei sollten die eigenen Flächen im Fokus stehen, sodass externe Kompensation nur eine geringe Rolle spielt. Das Handbuch schlägt Gremien und Formate vor, um die Aktivitäten auf Unternehmens- und Standortebene zu koordinieren.

    „Maßnahmen zum Biodiversitätsschutz müssen den aktiven Betrieb nicht einschränken und auch nicht zwingend teuer sein“, ergänzt der Ökonom Patrick Schöpflin vom IÖW. „Wichtig ist, möglichst verschiedene relevante Lebensräume zu erhalten oder zu schaffen und dort entsprechende Brut- und Ruhezeiten zu beachten.“

    Monitoring: Seltene Arten langfristig beobachten

    Verlässliche Informationen über das Vorkommen von Tier- und Pflanzenarten sind nur durch regelmäßiges Monitoring möglich. „Für eine Kosten-Nutzen-effiziente Umsetzung hilft das Handbuch dabei, geeignete Zielarten und Erfassungsmethoden auszuwählen, sodass die Ergebnisse aussagekräftig sind und sich der Aufwand trotzdem in Grenzen hält“, sagt Katharina Schwesig vom Institut für Landschaftsökologie der Universität Münster. Das Vorkommen von Kreuz- und Wechselkröte etwa lässt sich effizient durch DNA-Analysen von Wasserproben nachweisen, während bei Libellen die klassische Erfassung vor Ort nach wie vor die zuverlässigste Methode ist.

    „Neben eigenem Fachpersonal und externen Dienstleistern können auch engagierte Bürger*innen das Monitoring unterstützen“, ergänzt Elena Kortmann, Referentin für Artenschutzkoordination im NABU (Naturschutzbund Deutschland). Im Projekt GiBBS beteiligten sich insgesamt 30 Freiwillige. Der NABU koordinierte die Einsätze und entwickelte einen E-Learning-Kurs, um das Artenwissen von Freiwilligen zu erhöhen und diese zur Mitwirkung in solchen Citizen-Science-Projekten in Gewinnungsstätten zu befähigen. „Für Naturbegeisterte ist es eine gute Möglichkeit, seltene Arten in besonderen Lebensräumen zu erleben und sich weiterzubilden. Im Gegenzug können Unternehmen ihr Engagement für Biodiversität aufzeigen.“

    Über das Projekt

    Das Projekt „Ganzheitliches Biodiversitätsmanagement in der Baustoffindustrie (GiBBS)“ entwickelte ein Konzept für den Artenschutz in kleinen, mittleren und großen Rohstoffunternehmen. Beteiligt waren das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), das Institut für Landschaftsökologie der Universität Münster, das Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels (LIB) und der NABU (Naturschutzbund Deutschland) e.V. Als Praxispartner wirkten intensiv mit: der Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden e.V. (bbs), der Bundesverband Mineralische Rohstoffe e.V. (MIRO) und der Bundesverband der Gipsindustrie e.V. sowie sieben Unternehmen der Branche. Weitere Unternehmen sowie Naturschutzbehörden und Umweltverbände brachten sich in Dialogveranstaltungen ein. Gefördert wurde das Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in der Forschungsinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt (FEdA) und im Förderschwerpunkt Sozial-ökologische Forschung (SÖF).

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    Mehr Informationen:

    • Handbuch für die Steine-Erden-Branche: „Biodiversität in Gewinnungsstätten. Management und Monitoring der Artenvielfalt“ http://www.ioew.de/gibbs-handbuch
    • Projektflyer: https://www.ioew.de/fileadmin/user_upload/BILDER_und_Downloaddateien/Projekte/Fl...
    • E-Learning-Kurs: „Biodiversität in der Baustoffindustrie“ https://nabu-naturgucker-akademie.de/goto.php?target=crs_1188&client_id=natu...
    • Download Pressegrafik: https://www.ioew.de/fileadmin/user_upload/DOKUMENTE/Pressemitteilungen/2025/GiBB...
    • weitere Pressefotos: https://www.ioew.de/fileadmin/user_upload/DOKUMENTE/Pressemitteilungen/2025/GiBB...

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    Pressekontakt:

    Richard Harnisch
    Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW)
    Tel.: 030 – 884 594-16
    kommunikation@ioew.de

    Das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) ist ein führendes wissenschaftliches Institut auf dem Gebiet der praxisorientierten Nachhaltigkeitsforschung. Rund 60 Mitarbeiter*innen erarbeiten Strategien und Handlungsansätze für ein zukunftsfähiges Wirtschaften – für eine Ökonomie, die ein gutes Leben ermöglicht und die natürlichen Grundlagen erhält. Das Institut arbeitet gemeinnützig und ohne öffentliche Grundförderung. Das IÖW ist Mitglied im „Ecological Research Network“ (Ecornet), dem Netzwerk der außeruniversitären, gemeinnützigen Umwelt- und Nachhaltigkeitsforschungsinstitute in Deutschland.

    http://www.ioew.de/

    Die Universität Münster zählt mit rund 43.000 Studierenden zu den größten Hochschulen Deutschlands. Ihr breites Lehrangebot mit etwa 150 Studienfächern und das vielfältige Forschungsprofil ziehen Studierende und Wissenschaftler*innen aus dem In- und Ausland an. Rund 640 Professor*innen und 4.950 wissenschaftliche Mitarbeiter*innen sind in 15 Fachbereichen tätig. Die Universität fördert inter- und transdisziplinäre Forschung durch zwei Exzellenzcluster, 18 Sonderforschungsbereiche, Graduiertenkollegs, Nachwuchsgruppen sowie zahlreiche wissenschaftliche Zentren und Projekte.

    http://www.uni-muenster.de/

    Das Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels (LIB) widmet sich der Erforschung der biologischen Vielfalt und ihrer Veränderung. Das LIB ist mit dem Museum Koenig Bonn und dem Museum der Natur Hamburg (ehemals Centrum für Naturkunde der Universität Hamburg) an zwei Standorten vertreten. Generaldirektor ist Prof. Dr. Bernhard Misof, der das LIB standortübergreifend leitet.

    http://www.leibniz-lib.de/

    Der NABU (Naturschutzbund Deutschland) e.V. engagiert sich seit 1899 für Mensch und Natur. Mit mehr als 940.000 Mitgliedern und Fördernden ist der NABU (einschließlich LBV) der mitgliederstärkste Umweltverband in Deutschland. Seine etwa 2.000 Orts-, Kreis- und Fachgruppen sind in allen Bundesländern vertreten. Zu den wichtigsten Aufgaben des NABU zählen der Erhalt der Lebensraum- und Artenvielfalt, die Nachhaltigkeit der Land-, Wald- und Wasserwirtschaft und der Klimaschutz.

    http://www.nabu.de/


    Contact for scientific information:

    Patrick Schöpflin
    Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW)
    Tel.: 030 884 594 20
    patrick.schoepflin@ioew.de

    Prof. Dr. Christoph Scherber
    Leibniz-Instituts zur Analyse des Biodiversitätswandels (LIB)
    Tel.: 0228 9122 450
    c.scherber@leibniz-lib.de

    Katharina Schwesig
    Institut für Landschaftsökologie / Universität Münster
    Tel.: 0251 83332128
    katharina.schwesig@uni-muenster.de

    Elena Kortmann
    NABU (Naturschutzbund Deutschland) e.V.
    Tel.: 0152 26372156
    elena.kortmann@nabu.de


    Original publication:

    Marken, Gesa; Schwesig, Katharina; Heinrich, Anneli; Kortmann, Elena;
    Schöpflin, Patrick; Zizka, Vera; Hölzel, Norbert; Scherber, Christoph; Meier,
    Joshua; Spieleder, Ulla (2025): Biodiversität in Gewinnungsstätten. Management und Monitoring der Artenvielfalt. http://www.ioew.de/gibbs-handbuch


    Images

    Lebensräume, Zielarten und Biodiversitätsmonitoring in einem fiktiven Steinbruch.
    Lebensräume, Zielarten und Biodiversitätsmonitoring in einem fiktiven Steinbruch.

    © IÖW/Universität Münster/Daniela Leitner 2025 im Projekt GiBBS.


    Criteria of this press release:
    Business and commerce, Journalists, Scientists and scholars
    Biology, Construction / architecture, Economics / business administration, Environment / ecology, Geosciences
    transregional, national
    Research results, Transfer of Science or Research
    German


     

    Lebensräume, Zielarten und Biodiversitätsmonitoring in einem fiktiven Steinbruch.


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