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02/03/2025 15:03

Digitale Patienten-Zwillinge für bessere Diagnosen und Therapien

Mehmet Toprak Kommunikation
Fraunhofer-Gesellschaft

    Einen Digitalen Zwilling von einer Maschine zu erstellen, ist schon sehr komplex. Wie schwierig muss es da erst sein, einen menschlichen Organismus digital nachzubauen? Mit den Möglichkeiten, Herausforderungen und Potenzialen Digitaler Patienten-Zwillinge beschäftigen sich Forschende des Fraunhofer-Instituts für Experimentelles Software Engineering IESE. Sie wollen künftig die Medikation am digitalen Abbild testen, bevor der Mensch die erste Tablette schluckt. Im Interview erläutern Dr. Theresa Ahrens und Dr. Jonas Marcello, Doppelspitze der Abteilung Digital Health Engineering am Fraunhofer IESE, die Vorteile und den Mehrwert Digitaler Patienten-Zwillinge.

    Was ist ein Digitaler Patienten-Zwilling?
    Theresa Ahrens: Grundsätzlich definiert man den Digitalen Zwilling von Patientinnen und Patienten als virtuell präzises, dynamisches Ebenbild biologischer Einheiten. So ein hochentwickeltes Modell kann zum Beispiel Zellstrukturen, Gewebe, Organe oder ganze Personen nachbilden und enthält idealerweise sämtliche Informationen des realen Gegenstücks, also des echten Erkrankten. Digitale Patientenzwillinge sind dynamisch, das heißt, sie berücksichtigen Veränderungen im Laufe der Zeit und können grundlegende physiologische Prozesse simulieren. Dadurch können Vorhersagen etwa über physiologische Funktionen getroffen werden, beispielsweise bei einer angedachten Einnahme von bestimmten Medikamenten.

    Wie können Digitale Patienten-Zwillinge die medizinische Versorgung verbessern?
    Jonas Marcello: Digitale Patienten-Zwillinge weisen ein enormes Potenzial für eine Vielzahl von Anwendungsfeldern auf. So könnten die Modelle helfen, Stoffwechselprozesse im Körper abzubilden. Eine große Chance in der Medizin ist es, dass anhand des virtuellen Zwillings abgeklärt werden kann, welche Wirkung bzw. Wechsel- oder Nebenwirkung ein Medikament hat – noch bevor der Mensch die erste Tablette einnimmt.

    Gibt es Parallelen zur maschinellen Produktion?
    Jonas Marcello: Ähnlich einem Digitalen Zwilling in der Produktion, wo man Maschinen vorausschauend warten kann, verhält es sich auch hier: Der Weg ist geebnet für eine vorausschauende Gesundheitsüberwachung. Und in puncto Vorsorge und Prävention öffnen sich ebenfalls neue Türen, denn das virtuelle Abbild kann frühzeitig auf eine beginnende Krankheit hinweisen oder ein erhöhtes, spezifisches Erkrankungsrisiko aufdecken. Dadurch können Betroffene durch entsprechendes zeitnahes Gegensteuern vor Langzeitfolgen bewahrt werden.

    Kann der digitale Doppelgänger den Umgang mit Behandlungsmethoden und Forschungsfragen beeinflussen?
    Jonas Marcello: Auch auf das Thema »klinische Studien« könnte sich der Digitale Patienten-Zwilling günstig auswirken: Solche Studien an echten Personen ließen sich möglicherweise vereinfachen und beschleunigen, indem man die Wirksamkeit oder auch die Dosierung vorab digital am Zwilling simuliert. Bislang gibt es weltweit nur einige wenige klinische Studien mit Digitalen Patienten-Zwillingen – insbesondere Diabetes dient hier als Modellkrankheit.

    Wo liegen die Herausforderungen?
    Theresa Ahrens: Generell weiß man schon sehr viel über die molekularen Mechanismen – also wie Zellen arbeiten und miteinander kommunizieren. Dennoch sind Menschen keine Maschinen, die man präzise nachbauen und exakt vorhersagen kann. Somit wird man bei Digitalen Patienten-Zwillingen immer an eine Grenze stoßen, da man die molekulare Komplexität noch nicht nachbauen kann. Doch schon das virtuelle Ebenbild einzelner Organe kann viel bewirken.

    Welche Organe sind denn für den digitalen Nachbau besonders geeignet?
    Theresa Ahrens: Prinzipiell wäre es wünschenswert, für alle Organe ein funktionierendes Digitales Zwillingsmodell zu haben. Bei einigen ist dies schon sehr weit fortgeschritten. Ein gutes Beispiel dafür ist der erfolgreiche Einsatz eines Digitalen Zwillingsherzes in der Kardiologie. Der Digitale Zwilling bringt alle relevanten Gesundheitsdaten zusammen und interagiert mit KI, um wichtige kardiovaskuläre Daten zu erfassen und sie mit anderen relevanten Informationen wie Laborwerten oder den Resultaten medizinischer Bildgebungsverfahren zu kombinieren. Ein weiteres Beispiel ist der Digitale Lungenzwilling, der für Patientinnen und Patienten individualisiert wird. Dieser Zwilling soll es Ärztinnen und Ärzten künftig ermöglichen, mittels Computer vorab verschiedene Behandlungs- und Beatmungsmethoden durchzutesten – mit dem Ziel, jeden Patienten und jede Patientin so schonend wie möglich zu beatmen.

    Wie erschafft man einen digitalen Patienten?
    Jonas Marcello: Um Digitale Patienten-Zwillinge erstellen zu können, benötigt man riesige Mengen qualitativ hochwertiger Daten – also Langzeitdaten über das ganze Leben eines Menschen. Mal angenommen, man hätte alle Daten vorliegen, so wäre es dennoch eine technische Herausforderung, die Informationen aus verschiedenen Datenquellen in einen gemeinsamen Kosmos zu integrieren. Und der Datenschutz ist in diesem Kontext auch ein sensibles Thema. Wer darf auf diese Daten zugreifen und von wo? Wer autorisiert die Zugriffe? Auch die Verlässlichkeit der verwendeten Algorithmen, die den Analysen zugrunde liegen, ist ein nicht unkritischer Faktor. Mit unserer langjährigen Expertise in der Entwicklung von Digitalen Zwillingen, Data Science und Datenschutz wollen wir dazu beitragen, den digitalen Patienten-Zwilling im Gesundheitswesen umfassend und übergreifend zu realisieren und zu einem Paradigmenwechsel in der personalisierten Medizin beizutragen


    More information:

    https://www.fraunhofer.de/de/presse/presseinformationen/2025/februar-2025/digita...


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    Der Digitale Patienten-Zwilling kann physiologische Prozesse im menschlichen Körper abbilden.
    Der Digitale Patienten-Zwilling kann physiologische Prozesse im menschlichen Körper abbilden.

    © Fraunhofer IESE


    Criteria of this press release:
    Business and commerce, Journalists, Scientists and scholars, Students
    Information technology, Medicine
    transregional, national
    Research projects, Transfer of Science or Research
    German


     

    Der Digitale Patienten-Zwilling kann physiologische Prozesse im menschlichen Körper abbilden.


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