Quantencomputer sind in der Theorie herkömmlichen Rechnern für bestimmte Aufgaben weit überlegen. Komplexe Materialien sollten sie zum Beispiel schneller und genauer simulieren können als klassische Computer. Aber ihre Hardware ist noch lange nicht so ausgereift wie die von klassischen binären Computern. Kleine Fehler schaukeln sich im Laufe der Rechenoperationen daher oft zu falschen Ergebnissen auf – der so genannte „Quantenvorteil“ ist dahin. Physiker der Universität des Saarlandes möchten nun mit Partnern aus der Industrie nach Wegen suchen, aus der bisher verfügbaren Hardware das Beste herauszuholen und so die Simulation von Materialien erheblich zu beschleunigen.
Als der Werbeslogan des Saarlandes „Großes entsteht immer im Kleinen“ vor elf Jahren das Licht der Welt erblickte, hat in den Büros von Politik und Marketingfirmen sicher niemand Peter P. Orth auf dem Schirm gehabt. Denn dieser ist erst seit Anfang 2023 Professor für Theoretische Physik der Quanteninformation an der Universität des Saarlandes. Davor führte ihn seine wissenschaftliche Laufbahn von Heidelberg über Karlsruhe an verschiedene Universitäten in den USA, darunter Yale und das renommierte Ames National Lab. Dennoch passt der saarländische Marketingslogan auf das jüngste Forschungsprojekt, an dem Peter P. Orth beteiligt ist. Denn der Physiker nimmt einen kleinen Teil eines großen Problems genau in Augenschein, versucht, diesen Teil zu lösen, so dass auch das große Ganze besser verstanden werden kann.
Was kryptisch klingt, hat einen handfesten Hintergrund: Gemeinsam mit Partnern aus Wissenschaft und Industrie möchte Peter P. Orth herausfinden, wie Quantencomputer effizienter Materialien simulieren können, die für High-Tech-Anwendungen nutzbar sind. „Überall, wo eine starke Elektronen-Wechselwirkung vorherrscht, in Magneten, Supraleitern, Batteriespeichern, spielen Quanteneffekte eine große Rolle“, erläutert Peter P. Orth. Diese Effekte führen dazu, dass zum Beispiel Licht, aber auch Elektronen sowohl Wellen- als auch Teilcheneigenschaften zeigen und Vorhersagen nur auf Basis von Wahrscheinlichkeiten getroffen werden können. Dies macht die Simulation neuer Materialien an Computern unglaublich schwierig. Denn um das Verhalten eines Materials genau vorhersagen zu können, was von großer Bedeutung für Hochtechnologie-Anwendungen ist, müsste im Idealfall geklärt werden, wie jedes einzelne Elektron in dem System mit jedem anderen Elektron wechselwirkt, und das zu jedem beliebigen Zeitpunkt. Die Anzahl der möglichen Konfigurationen übersteigt aufgrund des exponentiellen Wachstums aber schon für ungefähr 50 Teilchen die Speicherkapazität von Supercomputern. Das ist also eine Aufgabe, die klassische Computer, deren binäres Rechensystem nur die beiden Zustände 1 und 0 kennt, oft über die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit hinausbringt.
Quantencomputer hingegen rechnen ja auf Grundlage genau dieser Quanteneffekte, die bei der Materialsimulation diese enormen Probleme hervorrufen. Mit ihrer Hilfe könnte es gelingen, effizientere Algorithmen für die Berechnung solch hochkomplexer Systeme wie ein Material aus 10 hoch 23 Teilchen zu finden. Denn die Recheneinheiten des Quantencomputers, die Qubits, können selbst in einer Superposition von 1 und 0 sein – also gleichzeitig beliebige Zustände zwischen diesen beiden Werten einnehmen – und daher natürlicher die exponentiell vielen elektronischen Zustände in Materialien einnehmen und simulieren.
Wie sie das am besten tun sollten, das ist die Aufgabe von Peter P. Orth: „Wir entwickeln im Projekt QUBE einen Algorithmus für so genannte NISQ-Quantencomputer.“ NISQ steht für „noisy intermediate-scale quantum“ und bezeichnet eine aktuelle Generation von Quantencomputern, in denen die Anzahl und Qualität der Qubits nicht ausreicht, um den Vorteil eines Quantencomputers gegenüber klassischen Supercomputern eindeutig zugunsten der Quantencomputer zu entscheiden. „Bei jeder einzelnen Rechenoperation auf einem Quantencomputer gibt es eine winzige Wahrscheinlichkeit für Fehler. Diese Fehler ziehen sich durch den gesamten Rechenvorgang und vergrößern sich“, so der Physiker. Dieses „Rauschen“ führt am Ende dazu, dass das Ergebnis der Rechnung nicht korrekt ist. Der „Quantenvorteil“, wie die Fachwelt sagt, ist dahin.
Anders formuliert: Quantencomputer sind aufseiten der Hardware einfach noch nicht gut genug, um klassische Supercomputer auf breiter Front zu schlagen, obwohl sie theoretisch so viel schneller sein könnten. Peter P. Orth und sein Team möchten diesen Mangel mithilfe eines Tricks beheben, und da kommt wieder das Saarland-Marketing ins Spiel: „Wir schauen uns aus diesem riesigen System von 10 hoch 23 Teilchen, das beispielsweise einen Supraleiter beschreiben soll, nur einen kleinen Teil an. Für diesen kleinen, definierten Teil berechnen wir das Verhalten des Materials auf einem Quantencomputer. Und genau für diese Operation schreiben wir einen Algorithmus. Wir verwenden den Quantencomputer mit N Qubits dabei, um das exponentiell große Rechenproblem (2^N) systematisch zu verkleinern, so dass es auf klassischen Supercomputern gelöst werden kann“, erläutert Peter Orth. „Diese Form des heterogenen Supercomputing ähnelt der Verwendung von Graphical Processing Units (GPUs) in der KI und kombiniert die Stärken von klassischen und quantenmechanischen Processing Units (CPUs und QPUs).
Diesen Algorithmus nutzt dann die Robert Bosch GmbH, welche das Projekt leitet, und wendet ihn für die Simulation von realistischen Materialien, d.h. auf Systeme von 10 hoch 23 Teilchen an. Am Ende der dreijährigen Laufzeit (30.11.2027) wollen die Partner Klarheit darüber haben, wie viel Aufwand betrieben werden muss, bis tatsächlich ein „Quantenvorteil“ vorliegt, also, kurz gesagt, wann ein Quantencomputer, dessen technische Entwicklung zwar noch am Anfang steht, aber rasant fortschreitet, tatsächlich besser für bestimmte Probleme geeignet ist als ein klassischer Computer.
Hintergrund:
Das Projekt „QUBE – Quantenalgorithmenentwicklung, Benchmarking und Ressourcenabschätzung für Materialsimulation mit Anwendervorteilen auf NISQ-Quantencomputern“ wird vom 1.12.2024 bis 30.11.2027 vom Bundesforschungsministerium gefördert. Projektleiter ist die Robert Bosch GmbH. Neben der Universität des Saarlandes sind außerdem die Technische Universität Hamburg, das Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik sowie die IQM Germany GmbH beteiligt. Von den 3,6 Millionen Euro Gesamtvolumen gehen 444.000 Euro an die Universität des Saarlandes.
Prof. Dr. Peter P. Orth
Tel.: (0681) 3024960
E-Mail: peter.orth@uni-saarland.de
Webseite: https://www.uni-saarland.de/lehrstuhl/orth.html
http://www.quantentechnologien.de/forschung/foerderung/anwendungsorientierte-qua...
Prof. Dr. Peter P. Orth
Thorsten Mohr
Universität des Saarlandes/Thorsten Mohr
Criteria of this press release:
Journalists
Information technology, Physics / astronomy
regional
Cooperation agreements, Research projects
German
You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.
You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).
Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.
You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).
If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).