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02/06/2025 10:00

Kreditfinanzierte Investitionsoffensive lohnt sich auch für künftige Generationen

Rainer Jung Abt. Öffentlichkeitsarbeit
Hans-Böckler-Stiftung

    Neue IMK-Modellrechnungen

    Kreditfinanzierte Investitionsoffensive bringt bis zu 3600 Euro zusätzliches BIP pro Kopf und lohnt sich so auch für künftige Generationen

    Ein großangelegtes kreditfinanziertes öffentliches Investitionsprogramm in Höhe von 600 Milliarden Euro über die kommenden zehn Jahre wäre auch für die heutige Kindergeneration wirtschaftlich absolut lohnend.

    Denn das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) würde als Folge in den kommenden 25 Jahren zusammengerechnet um bis zu 4750 Milliarden Euro höher ausfallen als ohne eine Investitionsoffensive. Das entspricht einer um 3600 Euro pro Kopf höheren Wirtschaftsleistung im Jahr 2045, wenn der Höhepunkt der Wachstumseffekte erreicht wird. Zu diesem Ergebnis kommen Simulationsrechnungen mit dem international renommierten makroökonomischen Modell NiGEM, die das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung für den Zeitraum bis 2050 angestellt hat.* Der starke Zugewinn an Wirtschaftsleistung würde die durch die Kreditaufnahme für das Programm zunächst etwas höheren staatlichen Defizite längerfristig überkompensieren, so dass zur Jahrhundertmitte die Schuldenquote des Staates sogar niedriger liegen könnte als im Vergleichsszenario ohne massive Investitionen.

    „Ein öffentliches Investitionsprogramm würde entscheidende Engstellen beseitigen, die die Entwicklung der deutschen Wirtschaft aktuell hemmen: Veraltete, oft nicht mehr leistungsfähige Infrastruktur von Schiene bis Digital, zu wenig Tempo beim Umbau der Energieversorgung, Defizite bei Bildungseinrichtungen und Investitionszurückhaltung von Unternehmen. Bei all diesen Themen endlich durchzustarten, rechnet sich für Junge mindestens genauso wie für Ältere“, sagt Prof. Dr. Sebastian Dullien, der wissenschaftliche Direktor des IMK. „Gerade künftigen Generationen ginge es mit dem kreditfinanzierten Investitionsprogramm wirtschaftlich besser als ohne. Das gilt auch nach dem Ende der Nullzinsphase, weil die Wachstumsgewinne den Kreditaufwand mehr als aufwiegen. Ganz zu schweigen von damit zusätzlich verbundenen Fortschritten etwa beim Klimaschutz, die positiv auf Lebensqualität und Gesundheit vieler Menschen wirken dürften.“

    Ausgangspunkt der Berechnungen ist ein öffentliches Investitionsprogramm, wie es das IMK im vergangenen Jahr gemeinsam mit dem Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) vorgeschlagen hat. Es sieht in den zehn Jahren von 2025 bis 2034 zusätzliche öffentliche Investitionen von insgesamt 600 Milliarden Euro vor. Knapp ein Drittel davon soll dazu dienen, den Sanierungsstau bei Städten und Gemeinden aufzulösen. Weitere 200 Milliarden Euro sind für klimafreundliche Modernisierungen vorgesehen, unter anderem für energetische Gebäudesanierung und den Ausbau der Stromnetze. Rund 127 Milliarden Euro sollen in Verkehrswege und den Öffentlichen Personennahverkehr investiert werden, knapp 42 Milliarden Euro in die Bildungsinfrastruktur, 37 Milliarden Euro in den sozialen Wohnungsbau.

    Für die Berechnungen in der neuen Studie verwenden die IMK-Forscher Dr. Christoph Paetz und PD Dr. Sebastian Watzka das makroökonomische Mehrländermodell NiGEM, das bei Zentralbanken und internationalen Organisationen weit verbreitet ist. Sie setzen zwei Versionen ein, um sowohl eine sehr konservative als auch eine mit Blick auf den Forschungsstand möglichst realistische Abschätzung der Wirkungen auf Wirtschaftsleistung und öffentliche Finanzen zu erhalten. Hintergrund: In der Standardversion von NiGEM (konservativ) reduzieren öffentliche Investitionen die Grenzproduktivität privater Investitionen, verdrängen sie also zum Teil. Dagegen sprechen diverse neuere Studien dafür, dass öffentliche Investitionen sich positiv auf private Investitionen auswirken. So spielen etwa bei Standortentscheidungen internationaler Unternehmen oft die Qualität der Infrastruktur und das Vorhandensein von modernen Schienen-, Straßen- oder Energienetzen eine Rolle. Daher haben die Ökonomen die Effekte des Investitionsprogramms auch mit einer modifizierten Version des Modells simuliert, die diesen Zusammenhang berücksichtigt.

    Laut den Berechnungen mit dem NiGEM-Standardmodell fällt das jährliche deutsche BIP mit Investitionsoffensive um bis zu 2,6 Prozent höher aus als ohne Investitionsprogramm. In der modifizierten Version sind es bis zu 6 Prozent. Wenn man die zusätzliche Wirtschaftsleistung in den Jahren 2025 bis 2050 summiert, ergibt sich ein Plus von 2130 Milliarden (konservativ) beziehungsweise 4750 Milliarden Euro. Entsprechend erhöht sich das BIP pro Kopf durch das Investitionsprogramm um 1570 beziehungsweise 3612 Euro im Jahr 2045.

    Sorgen hinsichtlich der Staatsfinanzen sind den Ergebnissen zufolge unbegründet: Während der Laufzeit des Investitionsprogramms von 2025 bis 2034 ergibt sich zwar ein zusätzliches jährliches Defizit von etwa einem Prozent des BIP. Der Referenzwert der EU-Fiskalregeln von drei Prozent wird aber nur in einem einzigen Jahr überschritten, und die Staatsschuldenquote gemessen am BIP sinkt trotzdem. Das gilt in beiden Modellvarianten, nur unterschiedlich schnell und ausgeprägt. Im Jahr 2050 wird die Schuldenquote laut dem Standardmodell bei rund 33 Prozent des BIP liegen, knapp neun Prozentpunkte höher als ohne die zusätzlichen öffentlichen Investitionen, aber immer noch weit unter den im EU-Regelwerk vorgesehenen 60 Prozent und viel niedriger als heute. Im modifizierten Modell fällt die Quote am Ende des Simulationszeitraums sogar auf knapp 22 Prozent, das ist rund drei Prozentpunkte niedriger als in dem Szenario ohne Investitionsprogramm. „Langfristig trägt sich das Programm in dieser Modellvariante also selbst“, heißt es in der Analyse.


    Contact for scientific information:

    Prof. Dr. Sebastian Dullien
    Wissenschaftlicher Direktor IMK
    Tel. 0211 7778 331
    E-Mail: Sebastian-Dullien@boeckler.de

    Dr. Christoph Paetz
    IMK-Experte für Steuer- und Finanzpolitik Tel. 0211 7778 121
    E-Mail: Christoph-Paetz@boeckler.de

    PD Dr. Sebastian Watzka
    IMK-Experte für Europäische Makroökonomie Tel. 0211 7778 113
    E-Mail: Sebastian-Watzka@boeckler.de

    Rainer Jung
    Leiter Pressestelle
    Tel. 0211 7778 150
    E-Mail: Rainer-Jung@boeckler.de


    Original publication:

    *Christoph Paetz, Sebastian Watzka: Wachstumseffekte eines kreditfinanzierten Investitionsprogramms: Simulationsergebnisse für Deutschland mit dem makroökonomischen NiGEM-Modell – ein Update. IMK Policy Brief Nr. 185, Februar 2025. Download: https://www.boeckler.de/de/faust-detail.htm?produkt=HBS-009054


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    Criteria of this press release:
    Journalists
    Economics / business administration, Politics, Social studies
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

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