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02/06/2025 11:33

Klimaresilientes Kanalmanagement wird von der Hochschule Hof weiterentwickelt

Rainer Krauß Hochschulkommunikation
Hochschule Hof - University of Applied Sciences

    Vor 30 Jahren wurde die Drehbogentechnik des Hamburger Ingenieurs Günter Kupczik erstmals im Dresdner Kanalsystem installiert. Nun wird diese einzigartige Lösung für ein intelligentes Kanalmanagement im Forschungsprojekt "Drehbogen 4.0" an der Hochschule Hof weiterentwickelt. Ziel ist es, die Technik mit digitalen Elementen zu optimieren und sie als klimaresiliente Lösung für moderne Abwassersysteme nutzbar zu machen.

    Mit dem Ziel, bei Starkregen ein besseres Volumenmanagement zu erzielen und das Problem der Ablagerungsbeseitigung ohne Personaleinsatz zu lösen, befasste sich Günter Kupczik bereits in den 80iger Jahren mit der innovativen Drehbogenlösung. Vergleichsanalysen der TU Dresden zeigten, dass der Drehbogen damals die einzige technische Lösung war, bei welchem die mechanischen Bauteile nicht mit dem Abwasser in Berührung kamen, der volle Durchflußquerschnitt stets erhalten blieb und eine sichere und exakte Steuerung auch im angestauten Betriebszustand möglich war.

    Alle anderen verfügbaren Lösungen waren entweder in ihrem Volumenmanagement eingeschränkt, erreichten nur einen Bruchteil der Reinigungsleistung oder mussten direkt in den Kanalquerschnitt installiert werden. Bis heute stellt der Drehbogen zusammen mit dem sogenannten ASA-Wehr nach wie vor eine der wenigen Möglichkeiten dar, ein intelligentes Kanalmanagement ohne Einschränkung des Durchflußquerschnitts zu realisieren. Und er bleibt weiterhin die einzige Technik mit der maximalen Ausnutzung von Speicherpotenzial in einem Kanal.

    Zusammen mit der HST Systemtechnik GmbH & Co. KG (HST Systemtechnik GmbH & Co. KG | ... klar! • HST Systemtechnik ) analysiert die Forschungsgruppe Wasserinfrastruktur und Digitalisierung unter der Leitung von Prof. Günter Müller-Czygan in einem von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderten Vorhaben (Drehbogen 4.0 - inwa ) das vorhandene Konzept des Drehbogens und wie man diese einzigartige Lösung mit Hilfe intelligenter digitaler Elemente effektiv für ein klimaresilientes und damit zukunftsfähiges Kanalnetzmanagement einsetzen kann.

    Die Drehbogentechnik ist erst auf Umwegen entstanden. Ausgangspunkt war in den frühen 80iger Jahren das Problem von Ablagerungen im Hamburger Kanalsystem, wo Günter Kupczik als Lösungsentwickler viele Jahre involviert war und hierzu die sog. „Sielwolfanlage“ entwickelte und viele Jahre betrieb. Diese Spezialentwicklung zur Beseitigung von Ablagerungen in Kanälen größerer Nennweite kann ohne Unterbrechung des Abflusses als halbautomatisch arbeitendes Reinigungssystem die Ablagerungen von der Kanalsohle aufnehmen. Hierzu wurde der Sielwolf (Siel ist in Hamburg die Bezeichnung für Kanal) mit einer Winde durch das zu reinigende Kanalrohr gezogen, wobei das Lösen der Ablagerungen durch Kernstrahldüsen, die einen luftummantelten Wasserstrahl erzeugen, erfolgte. Durch den Lösevorgang wurde eine Suspension hergestellt und anschließend mittels einer Pumpe in Absetzcontainer gepumpt.

    Bereits nach ca. 5 Jahren war das Ziel der Ablagerungsbeseitigung erreicht, allerdings mit dem erheblichen Nachteil, dass die geborgenen Ablagerungen Massen in der Größenordnung von jährlich 8000 m³ erreichten und entsorgt/behandelt werden mussten. Auch hierzu entwickelte Günter Kupczik die passende Lösung. Die Ergebnisse waren zwar zielführend, aber der Aufwand und die Umwelt-/Gesundheitsbeeinträchtigungen für die tätigen Menschen waren nicht zu unterschätzen. So suchte Günter Kupczik nach einer Lösung ohne Personaleinsatz und bei der die Ablagerungen im Kanal verbleiben konnten und entwickelte aus den Erfahrungen mit dem Sielwolf den Drehbogen, der dann 1994 erstmals in Dresden in Betrieb gehen konnte (siehe Systembild Drehbogen).

    Fast drei Jahrzehnte wurde das Potenzial des Drehbogens nicht genutzt, so dass es beim einmaligen Einbau im Dresdner Kanalsystem blieb (Fotos mit Technik). Mit der Zunahme der Möglichkeiten der Digitalisierung lassen sich die Potenziale des Drehbogens heutzutage aber weitaus besser nutzen als vor 30 Jahren. Hinzu kommt, dass mit der neuen EU-Kommunalabwasserrichtlinie der Bedarf intelligenter Kanalmanagementlösungen stark ansteigt, da Kommunen und Städte nun aufgefordert sind, bei Regenereignissen den Austritt von ungereinigtem Abwasser aus dem Kanal in die Gewässer auf ein festgelegtes Minimum zu beschränken. Dazu müssen entweder teure Speicherbecken gebaut werden, oder die bestehenden Kanalsysteme werden mit Technologien wie dem Drehbogen wirtschaftlich nachgerüstet, um ein besseres Volumenmanagement zu erreichen.

    Dabei stützt sich das Prinzip auf zwei wesentlichen Funktionen. Zum einen ist es die Bogenkonstruktion, die dem System seinen Namen gab. Zum anderen ist es die spezielle Drehverbindung (der sog. Torsionskompensator), die die Bogenkonstruktion mit dem Bauwerk verbindet und die Drehung ermöglicht. Dadurch kann (Ab-)Wasser gezielt im Kanal aufgestaut und als Welle wieder abgelassen werden, um mit der Wellenenergie Ablagerungen über lange Kanalstrecken zu beseitigen und zur Reinigung direkt der Kläranlage zuzuführen.

    Neben der Untersuchung von Einsatzmöglichkeiten und Anwenderanforderungen wird im Projekt „Drehbogen 4.0“geprüft, wie auf der Basis der bislang einmalig realisierten Größenordnung von rd. 1200 mm Durchmesser eine wirtschaftliche Größenskalierung gelingen kann. Dazu führt Imam Burhani aus dem Team von Prof. Günter Müller-Czygan in seiner Promotion in Kooperation mit Prof. André Niemann von der Universität Essen-Duisburg verschiedene Simulationen und Berechnungen durch. Im Zuge eines Arbeitstreffens am 27. Januar 2025 erläuterte Prof. Günter Müller-Czygan dem Drehbogenerfinder den aktuellen Stand der Arbeiten (siehe Fotos von beiden Herren). Günter Kupczik teilte seinerseits weitere wertvolle Details zur Technik mit, um den weiteren Entwicklungsverlauf aktiv zu unterstützen und seine jahrzehntelange Erfahrung im Bereich des Maschinenbaus und Kanalsysteme mit in das Vorhaben einfließen zu lassen. „Ich bin glücklich, dass wir zukünftig die Drehbogen-Technik gemeinsam zum Erfolg bringen wollen“, so Günter Kupczik über sein Herzensprojekt im Gespräch mit Prof. Günter Müller-Czygan.

    Das Vorhaben „Drehbogen 4.0“ reiht sich ein in den Forschungsschwerpunkt „Klimaresiliente Wasserinfrastrukturen“ der Forschungsgruppe Wasserinfrastruktur und Digitalisierung. Hier befassen sich die Forschenden mit verschiedenen Themen und Entwicklungen, um wasserwirtschaftliche Infrastrukturen in Städten und Kommunen besser an Wetterextreme wie Starkregen und Trockenperioden anzupassen, wie z.B. im BMBF-Vorhaben „InSchuKa4.0 (InSchuKa4.0 - inwa) oder den Initiativen im Kompetenz- und Transferzentrum nachhaltige Schwammstadt/-region (ktns) (ktns - inwa) am Institut für nachhaltige Wassersysteme (inwa). „Im Projekt „Drehbogen 4.0“ haben wir die Möglichkeit, eine außergewöhnliche und für die damalige Zeit zukunftsweisende Technik zu analysieren. Es ist uns Freude und Ehre zugleich, diese Technologie wiederzuentdecken, mit modernen IT-Elementen zu verbinden und als Teil von klimaresilienten Technologiesystemen zukunftsfit zu machen. Das wir dabei auf das Wissen und die Erfahrung von Günter Kupczik persönlich zurückgreifen können, ist für uns besonders wertvoll“, so Prof. Günter Müller-Czygan nach dem Arbeitstreffen am 27. Januar 2025.


    Contact for scientific information:

    Prof. Günter Müller-Czygan
    +49 9281 409 - 4683
    guenter.mueller-czygan(at)hof-university.de


    Images

    Drehbogentechnik des Hamburger Ingenieurs Günter Kupczik im Dresdner Kanalsystem;
    Drehbogentechnik des Hamburger Ingenieurs Günter Kupczik im Dresdner Kanalsystem;


    Criteria of this press release:
    Business and commerce, Journalists, Scientists and scholars, Students, Teachers and pupils, all interested persons
    Construction / architecture, Economics / business administration, Environment / ecology, Mechanical engineering
    transregional, national
    Research projects, Transfer of Science or Research
    German


     

    Drehbogentechnik des Hamburger Ingenieurs Günter Kupczik im Dresdner Kanalsystem;


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