Gutartige Hirntumore, Meningeome, sind eine der häufigsten Tumore des zentralen Nervensystems. In einigen Fällen jedoch können sie zu schnell wachsenden Tumoren und damit akut lebensbedrohlich werden. Ein Team aus den Disziplinen Medizin, Biophysik und Chemie hat nun einen Farbtest entwickelt, der binnen weniger Minuten das Risiko einer Verschlechterung anzeigt. Das könnte bisherige, aufwändigere Nachweismethoden ablösen. Die Arbeit ist in „Neurosurgical Review“ erschienen.
Sie treffen vor allem Menschen ab 50 Jahren: Meningeome, gutartige Hirntumore. In der überwältigenden Anzahl der Fälle, rund 90 Prozent, wachsen diese Tumore nur sehr langsam und man kann sie gut kontrollieren. In wenigen Fällen jedoch, rund 2-5 Prozent aller Patientinnen und Patienten betrifft dies, befallen sie auch umliegendes Gewebe und werden dann zum aggressiven, schnell wachsenden Tumor. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat diese Tumore in drei unterschiedliche Grade eingeteilt. Neben den Graden 1 (gutartiges Meningeom) und WHO-Grad 3 (aggressiv wachsendes Meningeom) hat die Weltgesundheitsorganisation noch Grad 2 definiert, in welchem der Tumor schneller wächst.
Wann ein Tumor Gefahr läuft, vom gutartigen WHO-Grad-1-Meningeom zum Grad-3-Tumor auszuarten, kann man bisher mit zeit- und ressourcenaufwändigen Einfärbungen des Tumorgewebes nachweisen. Einem Team um die Professoren Joachim Oertel, Direktor der Klinik für Neurochirurgie am Universitätsklinikum des Saarlandes, Steffi Urbschat, Leiterin des Forschungslabors der Klinik für Neurochirurgie, und Gregor Jung, Professor für Biophysikalische Chemie an der Universität des Saarlandes, ist es nun gelungen, eine Einfärbungsmethode zu entwickeln, die nur wenig kostet und nur wenige Minuten dauert.
Eine zentrale Rolle dabei spielt die alkalische Phosphatase. „Das ist ein häufiges Enzym, das überall im Körper vorkommt. Eine seiner Aufgaben ist die Spaltung von Phosphat-Estern, die zum Beispiel auch als ‚Gerüst‘ für die DNA fungieren“, erklärt Steffi Urbschat. Phosphat und damit dessen Verarbeitung spielt eine unerlässliche Rolle im Stoffwechsel fast aller Lebewesen, daher ist das Enzym von großer Bedeutung. Funktioniert es irgendwo im Körper nicht mehr richtig, können Krankheiten entstehen. Das ist auch beim Meningeom so. „Der Übergang von Grad 1 zu den Graden 2 und 3 basiert auf Schäden an bestimmten Chromosomen“, führt Steffi Urbschat aus. „Auf einem dieser Chromosomen ist auch der Bauplan für die alkalische Phosphatase gelagert. Ist dieses Chromosom nun defekt, gerät der Stoffwechsel an dieser Stelle außer Kontrolle und ein Tumorwachstum wird begünstigt“, so die Naturwissenschaftlerin weiter. Der bislang gutartige Tumor läuft Gefahr, aggressiv zu wachsen, also das umliegende Gewebe schnell wachsend zu infiltrieren.
Bislang konnte man diesen Übergang nachweisen, indem man Tumorgewebe mit speziellen Methoden eingefärbt hat. Nach einer gewissen Zeit, oft mehrere Stunden bis hin zu Tagen, in denen die Proben in hochspezialisierten Laboren untersucht wurden, zeigte eine Verfärbung an, ob die alkalische Phosphatase im Gewebe noch aktiv ist oder nicht. „Wenn sie nicht mehr aktiv ist, weiß der behandelnde Arzt, dass der Tumor nun dazu neigt, in ein aggressives Wachstum überzugehen“, so Steffi Urbschat.
An dieser Stelle kommt nun die Chemie von Gregor Jung ins Spiel. Seine Arbeitsgruppe hat sich unter anderem auf die Fluoreszenzspektroskopie spezialisiert, also auf die Farbgebung und Sichtbarmachung von Materialien auf Grundlage der Chemie. „Wir haben im Labor eine einfache und sehr schnelle Methode gefunden, wie man alkalische Phosphatase mit einem Farbtest nachweisen kann“, sagt der Chemiker. „AlkaPhos“, so der abgekürzte Name der Verbindung, deren Wechselwirkung mit alkalischer Phosphatase sie nun getestet haben, verfärbt sich binnen weniger Minuten von Türkis zu Gelb, wenn das Enzym noch aktiv ist. „Verfärbt es sich nicht mehr, ist die alkalische Phosphatase inaktiv. Das wäre dann das Signal dafür, dass der Tumor Gefahr liefe, zu einem aggressiv wachsenden und damit lebensgefährlich zu werden“, erläutert Steffi Urbschat.
Im Labormaßstab funktioniert diese Methode binnen weniger Minuten. Auf einen konkreten Hirntumor im Menschen übertragen könnte das zum Beispiel bedeuten, dass einem Patienten unter Operation Tumorgewebe entnommen wird, das noch im OP getestet werden kann. „Wenn dann festgestellt wird, dass der Tumor eventuell gefährlich werden kann, kann der Operateur sofort reagieren und den Tumor großflächig bekämpfen. Auch in Gegenden der Welt, in denen hochspezialisierte Verfahren wie die bisher arrivierten nicht möglich sind, hätten mit AlkaPhos ein Mittel an der Hand, wie sie mit geringem Aufwand herausfinden können, ob ein Tumor sich in eine gefährliche Richtung entwickelt“, fasst Steffi Urbschat die Vorteile der Methode zusammen.
„Im Prinzip könnte man das später vielleicht genauso günstig machen wie einen Geldschein-Test im Geschäft, der mit einem fluoreszierenden Stift eingefärbt wird, dessen Spuren unter Schwarzlicht sichtbar sind“, wirft Gregor Jung einen Blick in die Zukunft. Bis dahin wird noch einige Zeit vergehen, denn nach dem Nachweis, dass die Methode im Labor funktioniert, müssen noch weitere Studien folgen.
Die nun veröffentlichte Arbeit jedoch zeigt zweierlei: Es lohnt sich zum einen, diesen Ansatz in weiteren Studien zu verfolgen. Und zweitens: Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit wie hier führt zu großen Fortschritten, die mitunter nicht entstünden, wenn jeder einfach nur in seinem Fachgebiet unterwegs wäre.
Prof. Dr. Gregor Jung
Tel.: (0681) 30264848
E-Mail: gregor.jung@uni-saarland.de
Prof. Dr. Steffi Urbschat
Tel.: (06841) 1626635
E-Mail: steffi.urbschat@uks.eu
Hemmer, S., Hui, X., Draeger, J. et al. AlkaPhos: a novel fluorescent probe as a potential point-of-care diagnostic tool to estimate recurrence risk of meningiomas. Neurosurg Rev 48, 27 (2025). https://doi.org/10.1007/s10143-024-03172-8
Prof. Dr. Gregor Jung
Thorsten Mohr
Universität des Saarlandes/Thorsten Mohr
Criteria of this press release:
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Chemistry, Medicine
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Research results, Scientific Publications
German
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