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02/11/2025 10:05

Neuer Ansatz für die personalisierte Therapie von Hirntumoren

Dr. Sibylle Kohlstädt Strategische Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsches Krebsforschungszentrum

    Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und von der ShanghaiTech University haben ein innovatives Verfahren entwickelt, um Hirntumoren individueller Patienten besonders naturnah im Labor nachzubilden. Medikamententests in diesem Modell stimmten sehr gut mit den tatsächlichen Patientenreaktionen überein, was es zu einer wertvollen Methode für die Untersuchung von Therapieansprechen macht.

    Tumor-Organoide, also Minitumoren, die aus chirurgischem Material in der Kulturschale herangezogen werden, werden heute in der Krebsforschung vielfältig genutzt. Zahlreiche Forschungsgruppen haben bereits Ansätze entwickelt, um auch Hirntumoren, insbesondere für die sehr aggressiven Glioblastome, im Labor zu kultivieren. Allerdings ist die Komplexität der Tumoren eine große Herausforderung für diese Forschung. Bei vielen der existierenden Methoden verlieren die Mini-Tumoren schnell wichtige Eigenschaften oder die Wechselwirkungen zwischen Tumorzellen und ihrer Umgebung können nicht angemessen dargestellt werden.

    Das neue Modell von Haikun Liu, DKFZ, setzt auf zerebrale Organoide – eine Art „Mini-Gehirne“, die aus induzierten pluripotenten Stammzellen gezüchtet werden. In diesen Organoiden, die Gehirn-ähnliche Bedingungen aufweisen, lassen die Forschenden frisch entnommene Tumorproben heranwachsen. Auf diese Weise entsteht ein Abbild des Tumors, das die Vielfalt der Zelltypen, die komplexe Tumorumgebung und die molekularen Eigenschaften des Ursprungstumors genau nachahmt. Die neue „IPTO“ (Individualized Patient Tumor Organoid) genannte Methode wurde mit Patientenmaterial aus Kliniken in Heidelberg und Mannheim erprobt und in Kooperation mit der ShanghaiTech University an einer großen Anzahl von Hirntumor-Patienten aus Shanghai validiert.

    „Mit den IPTOs können wir erstmals nicht nur die Struktur und Heterogenität der Tumoren erhalten, sondern auch ihre Reaktion auf verschiedene Therapien vorhersagen“, erklärt Studienleiter Haikun Liu. Das Besondere: Die Methode ist auf eine breite Palette von Tumoren des Zentralnervensystems anwendbar – von aggressiven Hirntumoren wie Glioblastomen bis hin zu Hirnmetastasen, die bei etwa 20 Prozent aller Krebspatienten auftreten. In der aktuellen Studie züchtete das Team IPTOs von 48 Tumorarten, darunter verschiedene kindliche Hirntumoren, unterschiedlichen Formen von Glioblastomen sowie Hirnmetastasen von Brust-, Lungen- oder Darmkrebs.

    „Wir gehen davon aus, dass die Kommunikation zwischen Neuronen und Krebszellen im IPTO-Modell das Wachstum von Tumoren des zentralen Nervensystems begünstigt, was die jüngsten Entwicklungen in der Krebs-Neurowissenschaft widerspiegelt“, erklärt Liu.

    Als besonders eindrucksvoll bewerteten die Forschenden die Eignung des IPTO-Modells für Wirksamkeits-Tests von Chemotherapien oder anderen Krebsmedikamenten auf individuelle Tumoren. In einer prospektiven Untersuchung an 35 Glioblastom-Patienten konnten sie mithilfe der IPTOs das Ansprechen auf das wichtige Medikament Temozolomid präzise vorhersagen.

    Auch in Versuchen mit aus Hirnmetastasen gezüchteten IPTOs spiegelten die Mini-Tumoren in der Kulturschale die Therapieergebnisse mit zielgerichteten Medikamenten genau wider – ein entscheidender Schritt hin zu einer personalisierten Medizin. Da auch die Menge an Immunzellen zwischen IPTOs und ihren Eltern-Tumoren übereinstimmt, prüft das Team um Liu bereits, ob die Mini-Tumoren zur Vorhersage der Wirksamkeit von Immuntherapien geeignet sind.

    „Wir freuen uns, dass bereits Ärzte aus verschiedenen Ländern an uns herangetreten sind, um zu erörtern, wie das IPTO-Modell eingesetzt werden kann, um schneller und zuverlässiger die besten Behandlungsmöglichkeiten für ihre Patienten zu finden“, sagt Haikun Liu. Der Stammzell-Experte hat kürzlich gemeinsam mit Kollegen ein DKFZ-Spin-off gegründet, um das Potenzial von IPTOs für die Arzneimittelprüfung weiter zu evaluieren

    Die hochwertigen molekularen Daten aus der medikamentösen Behandlung sollen außerdem gesammelt und für das Training fortgeschrittener KI-Modelle verwendet werden, die dabei helfen können, die beste Behandlung für Hirntumorpatienten zu finden. Bevor sie in der Patientenversorgung eingesetzt werden kann, muss die Methode jedoch noch weiter evaluiert werden.

    Tianping Peng, Xiujian Ma, Wei Hua, Changwen Wang, Youjun Chu, Meng Sun, Valentina Fermi, Stefan Hamelmann, Katharina Lindner, Chunxuan Shao, Julia Zaman, Weili Tian, Yue Zhuo, Yassin Harim, Nadja Stöffler, Linda Hammann, Qungen Xiao, Xiaoliang Jin, Rolf Warta, Catharina Lotsch, Xuran Zhuang, Yuan Feng, Minjie Fu, Xin Zhang, Jinsen Zhang, Hao Xu, Fufang Qiu, Liqian Xie, Yi Zhang, Wei Zhu, Zunguo Du, Lorena Salgueiro, Mark Schneider, Florian Eichhorn, Arthur Lefevre, Stefan Pusch, Valery Grinevich, Miriam Ratliff, Sonja Loges, Lukas Bunse, Felix Sahm, Yangfei Xiang, Andreas Unterberg, Andreas von Deimling, Michael Platten, Christel Herold-Mende, Yonghe Wu, Hai-Kun Liu, Ying Mao: Individualized patient tumor organoids faithfully preserve human brain tumor ecosystems and predict patient response to therapy.
    Cell Stem Cell 2025, DOI: 10.1016/j.stem.2025.01.002

    Ein Bild zur Publikation steht zum Download zur Verfügung:
    IPTO.jpg (1677×1440)
    BU: Microfotografie eines IPTO: Das aus pluripotenten Stammzellen gezüchtete Gehirn-Organoid ist grün dargestellt, die Zellen des Mini-Tumors sind rot eingefärbt.

    Nutzungshinweis für Bildmaterial zu Pressemitteilungen
    Die Nutzung ist kostenlos. Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) gestattet die einmalige Verwendung in Zusammenhang mit der Berichterstattung über das Thema der Pressemitteilung bzw. über das DKFZ allgemein. Bitte geben Sie als Bildnachweis an: „Quelle: Liu/DKFZ“.
    Eine Weitergabe des Bildmaterials an Dritte ist nur nach vorheriger Rücksprache mit der DKFZ-Pressestelle (Tel. 06221 42 2854, E-Mail: presse@dkfz.de) gestattet. Eine Nutzung zu kommerziellen Zwecken ist untersagt.

    Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

    Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

    Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
    Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
    Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
    Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
    DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
    Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)

    Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

    Ansprechpartner für die Presse:

    Dr. Sibylle Kohlstädt
    Pressesprecherin
    Strategische Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
    Deutsches Krebsforschungszentrum
    Im Neuenheimer Feld 280
    69120 Heidelberg
    T: +49 6221 42 2843
    E-Mail: S.Kohlstaedt@dkfz.de
    E-Mail: presse@dkfz.de
    www.dkfz.de


    Original publication:

    Tianping Peng, Xiujian Ma, Wei Hua, Changwen Wang, Youjun Chu, Meng Sun, Valentina Fermi, Stefan Hamelmann, Katharina Lindner, Chunxuan Shao, Julia Zaman, Weili Tian, Yue Zhuo, Yassin Harim, Nadja Stöffler, Linda Hammann, Qungen Xiao, Xiaoliang Jin, Rolf Warta, Catharina Lotsch, Xuran Zhuang, Yuan Feng, Minjie Fu, Xin Zhang, Jinsen Zhang, Hao Xu, Fufang Qiu, Liqian Xie, Yi Zhang, Wei Zhu, Zunguo Du, Lorena Salgueiro, Mark Schneider, Florian Eichhorn, Arthur Lefevre, Stefan Pusch, Valery Grinevich, Miriam Ratliff, Sonja Loges, Lukas Bunse, Felix Sahm, Yangfei Xiang, Andreas Unterberg, Andreas von Deimling, Michael Platten, Christel Herold-Mende, Yonghe Wu, Hai-Kun Liu, Ying Mao: Individualized patient tumor organoids faithfully preserve human brain tumor ecosystems and predict patient response to therapy.
    Cell Stem Cell 2025, DOI: 10.1016/j.stem.2025.01.002


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    Criteria of this press release:
    Journalists
    Biology, Medicine
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

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