Forschende unter Beteiligung der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU) entschlüsseln Rätsel einer längst vergangenen Zeit: Im Rahmen von aktuellen Studien untersuchen sie, wie sich Leben auf der frühen Erde entwickelt haben könnte. Demnach scheint, anders als bislang angenommen, biologisch verfügbarer Stickstoff kein limitierender Faktor gewesen zu sein.
Lebende Organismen brauchen Stickstoff als zentralen Baustein etwa für die Proteinbildung. Doch obwohl unsere Atmosphäre reichlich Stickstoff enthält, können weder Menschen noch die allermeisten Pflanzen diesen direkt aus der Luft aufnehmen. Genau wie heute war daher bereits das frühe Leben der Erde auf die Stickstofffixierung durch Mikroben angewiesen. Also auf deren Umwandlung von Luft-Stickstoff in Stickstoff-Verbindungen, die Lebewesen aufnehmen und verwerten können.
Vorgänge, die sich vor Milliarden von Jahren auf der Erde abspielten, sind im Detail längst noch nicht bekannt: Was waren die Stickstoffquellen der frühen Erde? Wie wurden sie genutzt? Und was bedeutete dies für die weitere Entwicklung des Lebens? Genau solchen Fragen widmet sich RPTU-Forscherin Dr. Michelle Gehringer. Sie ist Geomikrobiologin – und beschäftigt sich mit den Wechselwirkungen zwischen Mikroorganismen und geochemischen Prozessen.
Stickstofffixierung unter wechselnden Umweltbedingungen stabil
Unter ihrer Federführung konnte kürzlich eine Mess-Methode verifiziert werden, die zeigt, dass die biologische Stickstofffixierung unter wechselnden atmosphärischen Zusammensetzungen stabil bleibt. Um die Herangehensweise der Forscherin zu verstehen, ist es wichtig zu wissen, dass Stickstoff zwei stabile Isotope hat, sozusagen zwei verschiedene Zustände, 15N und 14N. Michelle Gehringer erklärt: „Stickstoffgas ist eine Mischung aus dem leichten Atom 14N und dem schwereren Atom 15N. Wenn moderne Mikroben Stickstoff in ihrem Stoffwechsel nutzen, dann verwenden sie diese beiden Isotope in einem bestimmten Verhältnis zueinander. Wir messen dies, indem wir stickstoffhaltige Biomasse verbrennen und das bei der Verbrennung entstehende Stickstoffgas auffangen.“
Michelle Gehringer konkretisiert: „Bisher ging man immer davon aus, dass Mikroben das gleiche 15N/14N -Verhältnis aufweisen, auch wenn sie unter völlig anderen Umweltbedingungen, ohne Sauerstoff und mit viel höherem Kohlendioxidgehalt leben. Allerdings hat bislang niemand getestet, ob das tatsächlich stimmt.” Da jedoch die Umweltbedingungen die Stoffwechselraten beeinflussen, könnten sie mutmaßlich durchaus auch das 15N/14N-Verhältnis beeinflussen.
Die Forschenden um Gehringer züchteten Cyanobakterien unter Umweltbedingungen, die denen der frühen Erde ähneln, also ohne Sauerstoff und mit hohem Kohlendioxidgehalt. „Wir haben festgestellt, dass die 15N/14N-Verhältnisse der Cyanobakterien stabil bleiben. Unsere Ergebnisse stützen daher die Annahme, dass dieses Verhältnis während der gesamten Erdgeschichte gleich war.”
Stickstoff auch in Form von gelöstem Ammonium aufgenommen
Darauf aufbauend untersuchte Michelle Gehringer mit weiteren Forschenden – unter Federführung ihrer Wissenschaftlerkollegen Dr. Ashley Martin von der Northumbria University, UK, und Dr. Eva Stüeken von der University of St Andrews, UK – den Stickstoffkreislauf in alten Stromatolithen, also in Sedimentgesteine organischen Ursprungs. Die alten Gesteine, die etwa 2,7 Milliarden Jahre alt waren, enthalten tote Überreste von verschiedenen Mikroorganismen und können den Forschenden Informationen über deren Ökosysteme und Umweltnischen in vergangenen Zeiten geben.
Michelle Gehringer: „Wir beschafften uns Zugang zu unberührtem, nicht verwittertem Gestein, das wir zu einem feinen Pulver zermahlten und auf Stickstoffisotope analysierten.“
Mithilfe der 15N/14N -Verhältniss-Messungen fanden die Forschenden heraus: Im Gegensatz zu modernen Stromatolithen war das organische Material der alten Stromatolithen nicht allein auf die biologische Fixierung von Stickstoffgas durch Cyanobakterien angewiesen. Genauer gesagt: Die Untersuchungsergebnisse weisen auf die zusätzliche Aufnahme von Stickstoff in Form von gelöstem Ammonium hin. „Und die plausibelste Quelle dafür sind hydrothermale Aktivitäten am Meeresboden”, sagt Gehringer.
Zudem haben sich die Forschenden Sedimentgesteine in einem Vulkanbecken angesehen, das ebenfalls etwa 2,7 Milliarden Jahre alt ist. Auch in diesem System erwies sich Ammonium aus hydrothermalen Quellen als relevant.
Wäre demnach auch Leben auf dem Mars möglich?
„Bisher ging man davon aus, dass das Leben auf der frühen Erde, bevor die Atmosphäre mit Sauerstoff angereichert wurde, durch einen Mangel an biologisch verfügbarem Stickstoff eingeschränkt war.“ Die aktuellen Studien belegen nun eine zusätzliche Rolle von Ammonium aus hydrothermalen Tiefseequellen: „Mithilfe hydrothermaler Quellen schränkte Stickstoff die Ausbreitung des Lebens auf der frühen Erde nicht ein. Vielmehr konnte das Leben sowohl in Tief- als auch in Flachwasser-Meeresumgebungen erblühen.“ Und das ermöglichte laut Gehringer die Entwicklung einer großen Vielfalt an Mikroorganismen, die wir noch heute sehen.
Was könnten diese Erkenntnisse für Leben auf anderen Planeten bedeuten? „Hydrothermale Aktivität wurde auf dem Mars dokumentiert und findet wahrscheinlich auch auf den eisigen Monden im äußeren Sonnensystem statt.” Es sei denkbar, dass sich dort ähnliche Vorgänge wie auf der frühen Erde abspielten oder noch immer abspielen.
Die Studien:
Wannicke N, Stüeken EE, Bauersachs T, Gehringer MM. 2024. Exploring the influence of atmospheric CO2 and O2 levels on the utility of nitrogen isotopes as proxy for biological N2 fixation (2024). Appl Environ Microbiol 90:e00574-24. https://doi.org/10.1128/aem.00574-24
Martin, A. N., Stüeken, E. E., Gehringer, M. M., Markowska, M., Vonhof, H. B., Weyer, S., & Hofmann, A. (Accepted/In press 2025). Anomalous δ15N values in the Neoarchean associated with an abundant supply of hydrothermal ammonium. Nature Communications. https://doi.org/10.1038/s41467-025-57091-3
Martin, A. N., Stüeken, E. E., Michaud, J. A. S., Münker, C., Weyer, S., van Hees, E. H. P., & Gehringer, M. M. (2024). Mechanisms of nitrogen isotope fractionation at an ancient black smoker in the 2.7 Ga Abitibi greenstone belt, Canada. Geology, 52(3), 181-186. https://doi.org/10.1130/G51689.1
Dr. Michelle Gehringer
Fachbereiche Biologie, Fachgebiet Mikrobiologie // RPTU in Kaiserslautern
Tel.: +49 631 205 2347
E-Mail: michelle.gehringer@rptu.de
Zwischen Sedimentgestein und grünen Cyanobakterien: Michelle Gehringer untersucht fossiles Leben auf ...
Thomas Koziel
RPTU, Thomas Koziel
Criteria of this press release:
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Thomas Koziel
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