Die Quantitative Phasenmikroskopie (QPI) ist eine weit verbreitete Mikroskopievariante zur Untersuchung von Zellen. Erste biomedizinische QPI-Anwendungen gibt es bereits. Dennoch müssen sowohl Aufnahmegeschwindigkeit als auch -qualität noch optimiert werden, damit der QPI in der Medizin der Durchbruch gelingt. Wissenschaftler des Görlitzer Center for Advanced Systems Understanding (CASUS) am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) sowie vom Imperial College und University College London schlagen vor, die chromatische Aberration – ein optisches Phänomen, das üblicherweise die Bildqualität mindert – gezielt zu nutzen, um mit Standardmikroskopen qualitativ hochwertige Bilder zu erzeugen.
Durch den Einsatz eines generativen KI-Modells wird lediglich eine einzige Belichtung benötigt, um eine für biomedizinische Anwendungen erforderliche Bildqualität zu erreichen. Das Team stellte seine Arbeit Ende Februar auf der 39. Jahreskonferenz zu Künstlicher Intelligenz der Association for the Advancement of AI (AAAI) in Philadelphia (USA) vor. Das entsprechende begutachtete Konferenzpapier wird voraussichtlich im März veröffentlicht.
Gefärbte oder anderweitig gekennzeichnete biologische Proben liefern wertvolle Erkenntnisse. Nachteilig für eine breite Anwendung in der klinischen Diagnostik ist jedoch, dass das Verfahren zeitaufwendig ist und hochpreisige Ausrüstung und Verbrauchsmittel erfordert. Daher konzentrierte sich die Forschung in den vergangenen Jahren verstärkt auf markierungsfreie Mikroskopiemethoden wie die QPI. Hierbei ist nicht nur die Menge des von der Probe absorbierten oder gestreuten Lichts von Interesse. Mit Hilfe der Streuungsinformationen erfasst das QPI zudem, wie die Probe die Phase des durch sie hindurchtretenden Lichts verschiebt – eine Veränderung, die in direktem Zusammenhang zu ihrer Dicke, ihrem Brechungsindex und anderen strukturellen Eigenschaften steht. Auch die QPI erfordert eine recht teure Ausrüstung, ganz im Gegensatz zur rechnergestützten QPI.
Eine der bekanntesten rechnergestützten QPI-Ansätze basiert auf der Lösung der Intensitäts-Transport-Gleichung (TIE). Diese Differentialgleichung ermöglicht die Berechnung eines Bildes der Probe basierend auf den aufgezeichneten Phasenänderungen. Der Ansatz lässt sich leicht in bestehende optische Mikroskopiesysteme integrieren und liefert qualitativ hochwertige Bilder. Allerdings erfordert die TIE-Methode oft mehrere Aufnahmen mit unterschiedlichen Fokusabständen, um Artefakte zu eliminieren. Das Arbeiten mit Fokus-Stapeln ist jedoch zeitaufwendig und technisch anspruchsvoll, sodass diese Art der TIE-basierten QPI in einer klinischen Umgebung oft nicht praktikabel ist.
Chromatische Aberration als Mittel zum Zweck
„Unser Ansatz basiert auf ähnlichen Prinzipien wie die TIE, benötigt aber aufgrund einer geschickten Kombination aus physikalischem Wissen und generativer KI nur eine einzige Aufnahme“, erklärt Prof. Artur Yakimovich, Leiter einer CASUS-Nachwuchsgruppe und verantwortlicher Autor der auf der AAAI-Konferenz präsentierten Veröffentlichung. Die Information über die Phasenverschiebung, die durch die biologische Probe verursacht wird, stammt nicht von zusätzlichen Aufnahmen mit anderen Fokusabständen. Stattdessen kann mit Hilfe der sogenannten chromatischen Aberration ein Fokus-Stapel aus einer einzigen Aufnahme generiert werden. Die meisten Linsensysteme eines Mikroskops können die Wellenlängen des (polychromatischen) weißen Lichts nicht perfekt auf einen einzigen Konvergenzpunkt bündeln perfekt – ein Nachteil, den nur hochspezialisierte Linsen ausgleichen können. Dies bedeutet beispielsweise, dass rotes, grünes und blaues (RGB) Licht leicht unterschiedliche Fokusabstände aufweisen. „Indem wir die Phasenverschiebungen dieser drei Wellenlängen mit einem üblichen RGB-Detektor getrennt erfassen, lässt sich ein durchgehender Fokus-Stapel erstellen, der eine rechnergestützte QPI ermöglicht. Wir machen also den Nachteil zu einem Vorteil“, erklärt Yakimovich.
„Es muss eine große Herausforderung gelöst werden, wenn man chromatische Aberrationen für die QPI nutzbar machen möchte: Der Fokusabstand zwischen rotem und blauem Licht ist sehr gering“, sagt Gabriel della Maggiora, Doktorand am CASUS und einer der beiden Hauptautoren der Publikation. Die Standardlösung der TIE liefert in diesem Fall keine aussagekräftigen Ergebnisse. „Dann kamen wir auf die Idee, künstliche Intelligenz zu nutzen. Diese Idee erwies sich als entscheidend“, erinnert sich della Maggiora. „Nachdem ein generatives KI-Modell mit einem frei zugänglichen Datensatz von 1,2 Millionen Bildern trainiert wurde, war es trotz des sehr begrenzten Dateneingangs in der Lage, die Phaseninformationen zu ermitteln.“
Überprüfung der Methode an konkreten klinischen Proben
Das Team griff auf ein generatives KI-Modell zur Bildverbesserung zurück, das es vergangenes Frühjahr vorgestellt hatte: das Conditional Variational Diffusion Model (CVDM). Es gehört zu den Diffusionsmodellen, einer speziellen Gruppe generativer KI-Modelle. Die Entwicklerinnen und Entwickler betonen, dass das Training eines CVDM deutlich weniger Rechenleistung erfordert als das Training anderer Diffusionsmodelle. Die Ergebnisse sind dabei gleichwertig oder sogar besser. Durch die Nutzung einer CVDM-Strategie konnten della Maggiora und seine Kollegen ein neues Diffusionsmodell entwickeln, das für quantitative Daten geeignet ist. Mit diesem Modell waren sie nun endlich in der Lage, rechnergestützte QPI auf der Grundlage chromatischer Aberrationen zu verwirklichen. Sie validierten ihren auf generativer KI basierenden Ansatz beispielsweise mit einem herkömmlichen Hellfeldmikroskop, das mit einer handelsüblichen Farbkamera ausgestattet war, um mikroskopische Bilder realer klinischer Proben aufzunehmen. Bei der Analyse roter Blutkörperchen in einer Probe menschlichen Urins konnte die Methode die charakteristische Donut-förmige Struktur dieser Zellen sichtbar machen – ein Ergebnis, das eine andere, etablierte rechnergestützte TIE-basierte Methode nicht liefern konnte. Ein zusätzlicher Vorteil war das nahezu vollständige Fehlen von Wolkenartefakten in den mit dem neuen QPI-Verfahren berechneten Bildern.
Die Yakimovich-Gruppe „Maschinelles Lernen in Bezug auf Ansteckung und Krankheit“ entwickelt neuartige computergestützte Mikroskopie-Techniken, die unmittelbar in klinischen Anwendungen eingesetzt werden könnten. Das Nutzungspotential, insbesondere in der Diagnostik, ist enorm. Zu den angewandten Techniken gehört die generative KI. Da generative KI anfällig für sogenannte Halluzinationen ist, konzentriert sich die Gruppe darauf, diese zu minimieren. Der Schlüsselansatz besteht hier in der Einbeziehung physikalischen Wissens. Wie das Beispiel der KI-basierten Quantitative Phasenmikroskopie zeigt, birgt diese Herangehensweise großes Potential.
Prof. Artur Yakimovich | Nachwuchsgruppenleiter
Center for Advanced Systems Understanding (CASUS) am HZDR
E-Mail: a.yakimovich@hzdr.de
G. della Maggiora, L. A. Croquevielle, H. Horsley, T. Heinis, A. Yakimovich, Single Exposure Quantitative Phase Imaging with a Conventional Microscope using Diffusion Models, presented at the 39th Annual Conference on Artificial Intelligence by the Association for the Advancement of Artificial Intelligence (AAAI) and accepted for publication in the Proceedings of the 39th AAAI Conference on Artificial Intelligence, preprint available: https://arxiv.org/abs/2406.04388
Physikalische Grundlagen des neuen QPI-Verfahrens: Der Lichtweg durch das Mikroskop geht von der Lic ...
Blaurock/CASUS
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars
Biology, Information technology, Medicine
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
Physikalische Grundlagen des neuen QPI-Verfahrens: Der Lichtweg durch das Mikroskop geht von der Lic ...
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