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03/04/2025 08:15

Röntgenaugen für einen Asteroiden

Martin Brandstätter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    In vier Jahren wird der Asteroid Apophis der Erde sehr nah kommen. Ein Forschungsteam der Universität Würzburg entwickelt jetzt eine Weltraum-Kamera, die mit einer neuen Technik neue Bilder von ihm liefern soll.

    Er ist benannt nach dem altägyptischen Dämon der Finsternis und wird ausgerechnet an einem Freitag, den Dreizehnten, der Erde am nächsten kommen: der Asteroid Apophis. Aktuellen Berechnungen nach wird er sich im April 2029 der Erde bis auf eine Distanz von gut 32.000 Kilometern nähern – was nicht allzu viel ist, wenn man weiß, dass viele Satelliten in einer Höhe von etwa 36.000 Kilometern um die Erde kreisen.

    Der Vorbeiflug ist für Forschungsteams weltweit eine willkommene Gelegenheit, das Objekt aus dem Weltraum genauer unter die Lupe zu nehmen. Mit einem erhöhten Aufkommen an Satelliten und Weltraumsonden ist deshalb in dieser Zeit zu rechnen, schon allein, weil Astronomen davon ausgehen, dass ein vergleichbarer Asteroid nur alle 5.000 bis 10.000 Jahre der Erde so nahekommt.

    Rückschlüsse auf die Zusammensetzung der Materie

    Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) werden dann gebannt an den Himmel blicken: Das Team um Professor Sergio Montenegro plant, bis dahin eine neuartige Kamera zu entwickeln und in den Orbit zu schicken, die sehr spezielle Bilder von Apophis liefert. Montenegro hat an der JMU den Lehrstuhl für Informationstechnik für Luft- und Raumfahrt inne. In dem Projekt arbeitet er mit dem Hamburger Unternehmen X-Spectrum zusammen, einem Spezialisten für die Entwicklung von Röntgensensoren.

    „Wenn Sonnenlicht auf Himmelskörper ohne Atmosphäre, wie beispielsweise Asteroiden oder den Mond, trifft, werden die Röntgenanteile des Lichts vom Regolith absorbiert“, erklärt Montenegro den Hintergrund des Projekts. Mit Regolith bezeichnet die Wissenschaft eine lockere, heterogene Schicht aus Staub, Erde, zerbrochenem Gestein und anderen Materialien, die die feste Oberfläche von Planeten, Monden und Asteroiden bedeckt.

    Die absorbierten Röntgenanteile lösen ihrerseits sekundäre Röntgenphotonen aus dem Regolith aus, die in Form von Fluoreszenz in den Weltraum abgegeben werden und mit der entsprechenden Technik nachgewiesen werden können. „Diese Fluoreszenz korreliert mit der elementaren Zusammensetzung des Regoliths, so dass wir dessen chemische Zusammensetzung bestimmen können, ohne den Boden zu berühren“, so Montenegro.

    Gängige Kameras eignen sich dafür nicht; ihre Sensoren sind in der Regel dazu ausgelegt, elektromagnetische Wellen im für Menschen sichtbaren Bereich zu verarbeiten. Röntgenstahlen können sie nicht lesen.

    750.000 Euro für die Projektbeteiligten

    Ganz anders die Sensoren, die X-Spektrum baut. Die sind schon jetzt auf dem Markt, arbeiten „superschnell“ und sind „superempfindlich“, wie Montenegro sagt. Mit einer Reihe von technischen Modifikationen ließen sie sich gut für die Beobachtung von Apophis verwenden, sagt der Raumfahrtinformatiker. Die Aufnahmen der Kamera würden es dann ermöglichen, die Zusammensetzung des Asteroiden Apophis während seines nahen Vorbeiflugs im Jahr 2029 zu analysieren.

    Die Kamera verwendet dafür die für Synchrotron-Anwendungen übliche Photonenzähltechnik – optimiert für den Bereich, in dem Regolith Fluoreszenz aussendet, den sogenannten weichen Röntgenbereich. „Wir entwickeln damit den weltweit ersten Photonendetektor in diesem Bereich der Röntgenstrahlung“, erklärt der Wissenschaftler. „Der zusätzliche Vorteil ist, dass es sich um eine Kamera mit 250.000 Pixeln handeln wird“, so Montenegro weiter.

    Eine Nanosekunde Reaktionszeit

    250.000 Pixel? Das klingt nicht besonders beeindruckend, wenn man bedenkt, dass das neue iPhone 48 Megabyte schafft. „Wir wollen einen Detektor mit 250.000 Pixeln bauen, der im Navigationsmodus eine Reaktionszeit von nur einer Nanosekunde hat“, erklärt Montenegro. Zum Vergleich: Die schnellsten Sensoren, die bislang im Weltraum getestet wurden, sind Einzelpixel-Detektoren mit einer Zeitempfindlichkeit von etwa 80 Nanosekunden. Die neue Hochgeschwindigkeits-Röntgenkamera stellt somit einen Quantensprung für diese Technologie dar.

    Mit rund 750.000 Euro finanziert das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) das Projekt; knapp ein Drittel dieser Summe geht an das Team von Sergio Montenegro. „Unsere Kamera ist im Unterschied zu aktuellen Röntgensensoren strahlungsbeständig, leistungsoptimiert und erfordert darüber hinaus keine Kühlung“, schildert Montenegro das Konzept.

    Und noch ein Detail unterscheidet die „Röntgenkamera“ von klassischen Modellen. Letztere reagieren auf unterschiedliche Lichtverhältnisse, indem sie die Blende öffnen oder schließen. Im Bereich von Röntgenstrahlung funktioniert dieses Konzept nicht, da die Strahlen eine Blende problemlos durchdringen. Die Antwort des Entwicklerteams auf dieses Problem sind Chips, die die Empfindlichkeit der Sensoren der jeweiligen Lichtsituation anpassen. Von einer „flexiblen Rekonfiguration der operativen Empfindlichkeit“, spricht Montenegro.

    Kleiner als ein Schuhkarton

    Darüber hinaus wird die an der Universität Würzburg entwickelte Kamera „die erste ereignisbasierte Röntgenkamera sein, die für den Weltraum geeignet ist“. Ereignisbasiert bedeutet, dass nur dann aufgezeichnet wird, wenn Photonen auf den Detektor treffen. „Bisher waren herkömmliche bildbasierte Aufzeichnungsgeräte, wie beispielsweise CCDs, der Standard bei Weltraummissionen. Diese lesen die Informationen Pixel für Pixel und Zeile für Zeile aus, was bis zu einem Bruchteil einer Millisekunde dauern kann. Unsere ereignisbasierte Kamera kann Photonen sehr viel schneller erfassen“, erklärt Montenegro.

    Gut vier Jahre hat das Würzburg-Hamburger Team noch Zeit, seine Röntgenkamera zu entwickeln, bis Apophis an der Erde vorbeizieht. Noch offen ist die Frage, wie die Kamera dann in seine Nähe kommt. Was diesen Aspekt angeht, ist Sergio Montenegro allerdings optimistisch: „Wir gehen davon aus, dass in diesem Zeitraum sehr viele Raketen starten werden, beladen mit Satelliten und Sonden zur Beobachtung von Apophis. Da wird sicherlich noch Platz sein für unsere Kamera.“ Schließlich sei diese nur etwa halb so groß wie ein gewöhnlicher Schuhkarton.

    Apophis

    Der Asteroid Apophis wird am 13. April 2029 in einer Entfernung von 32.000 Kilometern an der Erde vorbeiziehen; er hat einen Durchmesser von etwa 375 Metern, was ungefähr der Größe eines Kreuzfahrtschiffes entspricht. Für kurze Zeit wird er für rund zwei Milliarden Menschen in weiten Teilen Europas und Afrikas sowie in Teilen Asiens bei klarem, dunklem Himmel mit bloßem Auge sichtbar sein.
    Apophis wird die Erde verfehlen: Astronom*innen haben für mindestens die nächsten 100 Jahre ausgeschlossen, dass der Asteroid mit unserem Planeten kollidieren wird. Doch der Vorbeiflug von Apophis im April 2029 ist ein extrem seltenes Naturereignis.

    Nach einer Analyse der Größen und Umlaufbahnen aller bekannten Asteroiden gehen die Wissenschaftler*innen davon aus, dass ein Objekt dieser Größe der Erde nur alle 5.000 bis 10.000 Jahre so nahe kommt. Zum Vergleich: Eine totale Sonnenfinsternis findet etwa alle 18 Monate irgendwo auf der Erde statt, und der Komet Halley kehrt alle 76 Jahre an den Erdhimmel zurück. (Quelle: European Space Agency ESA)


    Contact for scientific information:

    Prof. Dr. Sergio Montenegro, Lehrstuhl für Informationstechnik für Luft- und Raumfahrt, T: +49 931 31-83715, sergio.montenegro@uni-wuerzburg.de

    Amenosis Lopez, amenosis.lopez@uni-wuerzburg.de


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    Criteria of this press release:
    Journalists, all interested persons
    Information technology, Physics / astronomy
    transregional, national
    Research projects
    German


     

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