Durch die Nutzbarmachung von Kommunikationssignalen für die Positionsbestimmung und Erdschwerefeldberechnung lassen sich nun auch Wetterphänomene in Echtzeit beobachten.
Verwertbare Daten gehören zu den wertvollsten Arbeitshilfen, die Wissenschafter*innen haben können. Je mehr Datenquellen sie haben, desto besser können sie Aussagen zu ihrem Forschungsthema treffen. Für Forschende im Bereich der Navigation und Satellitengeodäsie war es lange Zeit bedauerlich, dass im Orbit zwar Megakonstellationen mit tausenden Satelliten für Kommunikationszwecke kreisen, sie deren Signale aber nicht für die Positionsbestimmung oder Erdbeobachtung nutzen konnten. Das Institut für Geodäsie der TU Graz hat im FFG-Projekt „Estimation“ nun Wege erforscht, um sich diese Signaldaten doch zunutze zu machen und so neben Navigationssatelliten und speziellen Forschungssatelliten ein großes Reservoir an zusätzlichen Datenquellen zu erschließen, die dabei helfen, die Veränderungen auf der Erde noch genauer zu beobachten.
Erfolg mit dem Doppler-Effekt
Die Erdbeobachtung mittels Satelliten basiert auf dem Prinzip, dass etwa Veränderungen des Meeresspiegels oder des Grundwasserspiegels das Erdschwerefeld und damit die Satellitenflugbahn beeinflussen. Dies nutzen Wissenschafter*innen, um die Positionen und Umlaufbahnen von Satelliten als Datenquelle für ihre Forschung heranzuziehen. „Insbesondere durch das steigende Angebot an Satelliten-Internet steht uns eine riesige Menge an Kommunikationssignalen zur Verfügung, die jene von Navigationssatelliten in ihrer Zahl und ihrer Signalstärke deutlich übertreffen“, sagt Philipp Berglez vom Institut für Geodäsie. „Wenn wir diese Signale jetzt für unsere Messungen nutzen können, haben wir nicht nur eine bessere Signalverfügbarkeit, sondern durch die große Zahl an Satelliten auch eine wesentlich bessere zeitliche Auflösung. Dadurch können wir auch kurzzeitige Veränderungen beobachten. Das heißt, neben der Positionsbestimmung und den für die Klimaforschung relevanten Änderungen des Erdschwerefeldes lassen sich ebenfalls Wetterphänomene wie Starkregen oder Änderungen des Meeresspiegels in Echtzeit verfolgen.“
Eine Herausforderung bei der Umsetzung des Projekts lag darin, dass die Betreiber der Satelliten, unter anderem Starlink, OneWeb oder Amazon Project Kuiper, keine Informationen über den Aufbau ihrer Signale preisgeben und diese Signale sich laufend ändern. Zudem gibt es keine genauen Bahndaten oder Entfernungsmessungen zu den Satelliten, was potenzielle Fehlerquellen für Berechnungen darstellt. Mittels einer Analyse des Starlink-Signals fanden die Forschenden aber dennoch einen Weg, um die gewünschten Anwendungen zu ermöglichen. Sie entdeckten innerhalb des Signals Töne, die konstant zu vernehmen waren. Dann machten sie sich den Doppler-Effekt zunutze und untersuchten die Frequenzverschiebung dieser konstanten Töne, während sich Satelliten auf den Empfänger zu und von ihm wegbewegten. Das erlaubte Positionsbestimmungen mit einer Genauigkeit von 54 Metern. Das ist für die geodätische Anwendung zwar noch nicht zufriedenstellend, aber für die bisherigen Untersuchungen kam lediglich eine fest montierte, handelsübliche Satellitenantenne zum Einsatz, mit der das grundsätzliche Prinzip der Messmethode erprobt und belegt werden sollte.
Mehr Einblick in die Veränderung unserer Welt
Nun geht es darum, die Genauigkeit auf wenige Meter zu verbessern. Ermöglichen sollen das Antennen, die entweder den Satelliten folgen oder Signale aus verschiedenen Richtungen empfangen können. Zusätzlich soll an mehreren Standorten gemessen werden, um die Genauigkeit zu erhöhen und Fehlereinflüsse zu reduzieren. Und mit mehr Messdaten können die Forschenden genauere Bahndaten berechnen, was wiederum die Positionsbestimmung und die Erdschwerefeldberechnung präziser macht. Ebenfalls möchte die Arbeitsgruppe Navigation neue Signalverarbeitungsverfahren entwickeln, die aus den für die geodätische Anwendung bisher eher ungewöhnlichen Signalen präzisere Messdaten herausfiltern.
„Indem wir die Kommunikationssignale für die Geodäsie nutzbar machen können, haben wir ein enormes Potenzial für die noch detailliertere Untersuchung und Vermessung unserer Erde offengelegt“, sagt Philipp Berglez. „Jetzt geht es darum, die Präzision zu verbessern. Wenn uns das gelungen ist, werden wir noch genauer nachvollziehen können, welchen Veränderungen unsere Welt unterworfen ist. Zur Sicherheit möchte ich klarstellen: Wir untersuchen hier zwar Kommunikationssignale, aber deren Inhalt können und wollen wir gar nicht kennen. Wir nutzen sie nur zur Positionsbestimmung und für die Beobachtung der Umlaufbahnen zur Bestimmung des Erdschwerefelds.“
Philipp BERGLEZ
Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn.
TU Graz | Institut für Geodäsie
Tel.: +43 316 873 6830
pberglez@tugraz.at
Die Sichtbarkeit von Starlink-Satelliten über Graz.
IFG
IFG - TU Graz
Signalspektrum der empfangenen Startlink-Satellitensignale.
IFG
IFG - TU Graz
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars
Geosciences, Information technology
transregional, national
Research projects, Transfer of Science or Research
German
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