Unter dem Motto „Individualisierung versus Standardisierung“ trifft sich die HNO-Welt vom 28. – 31. Mai 2025 in Frankfurt am Main! Kongresspräsident Prof. Dr. Timo Stöver beleuchtet die Schnittstelle zwischen individuellen Behandlungsansätzen und standardisierten Therapieprotokollen. Wie weit ist die HNO-Heilkunde auf dem Weg in eine personalisierte Zukunft der Medizin?
Wie verstehen Sie das Motto "Individualisierung versus Standardisierung" im Kontext der HNO-Heilkunde?
Prof. Dr. Stöver: Die Medizin und insbesondere die Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde steht vor vielen technischen, ökonomischen sowie medizinischen Herausforderungen. Um diese Herausforderung zu bewältigen, ist der gezielte Einsatz der Ressourcen und Möglichkeiten, die die neuen Entwicklungen bieten, notwendig. Die prinzipielle Einstellung für den behandelten Patienten, die optimale Lösung zu finden, steht dabei in einem scheinbaren Widerspruch zum Zwang einer Standardisierung und damit einer Ökonomisierung der Medizin. In diesem Spannungsfeld zwischen einerseits dem individuellen Bedarf und auf der anderen Seite dem universellen Standard ist der Kongress aufgestellt. Die Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde bietet vielfältige Möglichkeiten, um sich in diesem allgemeinen Spannungsfeld, vorteilhaft für die Entwicklung neuer diagnostischer und therapeutischer Verfahren zu positionieren.
Welche innovativen Aspekte werden die diesjährige Tagung besonders auszeichnen?
Prof. Dr. Stöver: In diesem Jahr werden besonders Aspekte der Künstlichen Intelligenz und damit auch der Erarbeitung von KI-basierten diagnostischen und therapeutischen Verfahren im Mittelpunkt stehen. Genauso werden aber Aspekte der Qualitätssicherung, wie die Konzeption und der Betrieb von patientenbezogenen Registern eine große Rolle spielen. Auf der Basis dieser Entwicklung ist absehbar, dass es zu einem wesentlichen Beitrag im Hinblick auf die Entwicklung von Therapiestandards kommen wird, die über die bisherige Denk- und Arbeitsweise in der Medizin hinausgeht.
Welche Vorteile bietet die roboterunterstützte Cochlea-Implantation im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren?
Prof. Dr. Stöver: Diese Entwicklung richtet sich besonders auf zwei Aspekte im Rahmen der Versorgung von Patienten mit Hörimplantaten. Hier spielt sowohl der chirurgische Zugang zum Innenohr eine Rolle, die durch den Einsatz von Roboterunterstützung vereinfacht werden kann und der zweite wesentliche Punkt ist die Einführung des Elektrodenträgers in die Hörschnecke. Roboterunterstützte Verfahren bieten den enormen Vorteil, dass die Geschwindigkeit des Einführprozesses extrem reduziert werden kann, mit dem Ziel eine möglichst schonende und damit hörerhaltende Cochlea-Implantation vorzunehmen.
Welche Rolle spielen digitale Technologien und künstliche Intelligenz in der HNO-Heilkunde und wie werden diese auf der Tagung präsentiert?
Prof. Dr. Stöver: Auf unserer Tagung gibt es zahlreiche Beiträge, die sich mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der HNO-Heilkunde befassen. Ein Schwerpunkt liegt auf der Erfassung und Analyse von Patientendaten, um personalisierte Therapieempfehlungen zu entwickeln. Insbesondere bei komplexen Erkrankungen wie Tumorerkrankungen ermöglicht KI die Verarbeitung großer Datenmengen und die Berücksichtigung individueller Patientenmerkmale, um optimale Behandlungsstrategien zu entwickeln.
Können Sie einige konkrete Beispiele nennen?
Prof. Dr. Stöver: Gerne. Ein wichtiger Bereich ist die Unterstützung von Ärzten bei der Entscheidungsfindung. KI-Systeme können beispielsweise dabei helfen, Muster in großen Datenmengen zu erkennen und so präzisere Diagnosen zu stellen oder den Verlauf von Erkrankungen vorherzusagen. Dies ist besonders relevant im Sinne unseres Kongressmottos der Individualisierung, da KI eine personalisierte Standardisierung ermöglicht.
Ein weiteres Beispiel ist die Auswertung großer Registerdaten, wie beispielsweise des Deutschen Cochlea-Implantat Registers. Hier werden deutschlandweit Behandlungsdaten zusammengeführt, um einmal neue Therapieempfehlungen und Leitlinien ableiten zu können. KI-basierte Analysen können dabei helfen, Zusammenhänge zu erkennen, die mit herkömmlichen Methoden schwer zu identifizieren wären.
Welche innovativen Verfahren in der HNO-Diagnostik werden vorgestellt und wie können diese zu einer präziseren Patientenversorgung beitragen?
Prof. Dr. Stöver: Aktuell halten innovative Entwicklungen, insbesondere in der Diagnostik maligner Erkrankungen, Einzug in die Patientenversorgung. Diese Verfahren bieten ein erhebliches Potenzial, sowohl den Zeitpunkt als auch die Genauigkeit der Diagnosestellung signifikant zu verbessern. Ein wichtiger Bereich ist die sogenannte Liquid Biopsy. Hierbei werden Untersuchungen an Blutproben durchgeführt, um Tumor- oder Virusbestandteile zu identifizieren, die auf das Vorliegen bösartiger Erkrankungen im Hals-Nasen-Ohren-Bereich hinweisen können. Diese Methode ermöglicht eine sehr differenzierte Diagnostik. Es zeichnet sich ab, dass die Anwendung der Liquid Biopsy perspektivisch zu einer deutlichen Verbesserung der Patientenversorgung führen wird. Ein weiteres Beispiel ist der Einsatz robotischer Assistenzsysteme in der Chirurgie. Insbesondere bei Cochlea-Implantationen ermöglichen diese Systeme eine präzise und kontrollierte Einführung des Elektrodenträgers in die Hörschnecke. Dadurch kann das Restgehör des Patienten besser erhalten werden.
Welche zukünftigen Herausforderungen sieht die HNO-Heilkunde und wie können diese auf der Tagung diskutiert werden?
Prof. Dr. Stöver: Die HNO-Heilkunde steht vor vielschichtigen Herausforderungen. Einerseits erleben wir rasante Fortschritte in der Technologie, insbesondere in Bereichen wie künstliche Intelligenz, robotische Chirurgie und innovativen Labormethoden wie der Liquid Biopsy. Andererseits sehen wir uns mit bedeutenden politischen Veränderungen konfrontiert. Die anstehende Krankenhausreform und die damit verbundenen Strukturveränderungen werden erhebliche Auswirkungen auf die Zuweisung von Spezialgebieten zu Kliniken und die Steuerung ambulanter Leistungen haben. Die Jahresversammlung bietet uns eine ideale Plattform, um diese technologischen und politischen Herausforderungen intensiv zu diskutieren und gemeinsam Lösungsansätze zu entwickeln.
Welches sind für Sie wichtige Highlights der Tagung? Worauf freuen Sie sich besonders?
Prof. Dr. Stöver: Zwei Aspekte sind für mich besonders hervorzuheben: Zum einen die Wullstein-Vorlesung zum Thema zentralauditorische Hörprothesen. Hier wird Professor Lim, ein international anerkannter Experte auf diesem Gebiet, einen sicherlich bemerkenswerten Vortrag halten. Zum anderen freue ich mich auf die Einführung eines neuen Formats, das als interdisziplinäre Plattform für den Austausch mit anderen Fachdisziplinen konzipiert ist. Unter dem Titel "HNO trifft..." werden wir, mit 12 eng verbundenen Fachdisziplinen in den Dialog treten. Dazu gehören unter anderem die Neurochirurgie, die Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (MKG), die Radiologie und die Kinderchirurgie. Ziel dieses Formats ist es, die Zusammenarbeit mit diesen Fachdisziplinen zu intensivieren und gleichzeitig den Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde einen aktuellen Überblick über die Entwicklungen in diesen Bereichen zu ermöglichen.
Die Fragen stellte Katrin Franz.
https://kongress-hno.de/ - Mehr Informationen zum HNO 2025
Univ.-Prof. Dr. med. Timo Stöver lädt im Interview zum HNO 2025 ein.
Porträt: Uniklinikum Frankfurt
Collage: Conventus
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars, Students
Medicine
transregional, national
Scientific conferences
German
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