Durch den sich beschleunigenden Klimawandel und den Anstieg des Meeresspiegels sind die Küstenregionen einer nie dagewesenen Bedrohung ausgesetzt. Traditionelle Methoden des Küstenschutzes müssen weiterentwickelt werden, um den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu begegnen. Hier setzt die Dünen-Deich-Lösung an: ein hybrider, naturbasierter Ansatz, der natürliche Dünen mit künstlichen Deichen kombiniert, um einen widerstandsfähigen, anpassungsfähigen und nachhaltigen Küstenschutz zu bieten. Das europäische Forschungsprojekt „DuneFront“ soll dazu beitragen, diesen naturnahen Küstenschutz voranzutreiben. Auch die Technische Universität Braunschweig ist daran beteiligt.
Herkömmliche Küstenschutzsysteme wie Deiche, Deckwerke und Ufermauern erweisen sich angesichts der wachsenden Bedrohung durch den Klimawandel zunehmend als zu wenig weitblickend. Steigende Meeresspiegel, stärkere Stürme und eine beschleunigte Küstenerosion erfordern anpassungsfähigere, zukunftsweisende Lösungen wie die Dünen-Deich-Lösung. Ein Hybridsystem, das die natürliche Pufferwirkung von Sanddünen mit der Stärke von künstlich errichteten Deichen kombiniert.
Dieser Ansatz soll dazu beitragen, widerstandfähige Küsten zu schaffen, die sich an den Anstieg der Meeresspiegel anpassen. Bei diesem nachhaltigen Küstenschutz spielt die Natur eine Schlüsselrolle beim Schutz der Küsten vor extremen Wetterereignissen und unterstützt gleichzeitig die lokalen Ökosysteme. In ganz Europa setzen Regionen, die von den Auswirkungen des Meeresspiegelanstiegs betroffen sind, auf hybride, naturbasierte Lösungen, da sie einen langfristigen Schutz mit geringeren ökologischen Nachteilen bieten als herkömmliche starre Infrastrukturen.
„DuneFront“: Ein europäisches Forschungsprojekt, das den Weg weist
Das europäische Verbundforschungsprojekt „DuneFront“ zielt darauf ab, die sogenannten Dünen-Deich-Systeme besser zu verstehen und die Umsetzung von Lösungen für Dünen voranzutreiben. „DuneFront“ bringt Expertinnen und Experten führender europäischer Forschungsinstitute zusammen. Gemeinsam werden sie die Hybridsysteme unter realen Bedingungen testen und weiterentwickeln.
Professor Nils Goseberg, Leiter des beteiligten Leichtweiß-Instituts für Wasserbau der TU Braunschweig erklärt: „Die Nutzung natürlicher Prozesse wie des windgetriebenen Sandtransports zur Nährung der Dünen im Sommer für den Aufbau von Weißdünen zum Schutz vor Sturmfluten und hohem Seegang im Winter ist eine kluge, nachhaltige und naturverträgliche Lösung. Sie verfolgt den Ansatz ‚mit der Natur und nicht dagegen‘“. Dr. Oliver Lojek, Teilprojektleiter im „DuneFronts“-Projekt ergänzt: „Unsere experimentellen Forschungsaktivitäten und die Entwicklung von Simulationsmethoden werden helfen, die Dünen-Deich-Kombinationen besser prognostizierbar zu machen. Damit können der Planungspraxis direkte Werkzeuge an die Hand gegeben werden.“
„DuneFront“ sammelt und bewertet Daten aus zwölf verschiedenen bestehenden Dünen-Deich-Systemen in sechs verschiedenen Ländern. Das Projekt soll wertvolle Daten und Erkenntnisse liefern, die in die nationale und regionale Politik einfließen und sicherstellen, dass der künftige Küstenschutz sowohl wirksam als auch nachhaltig ist.
Dünenmodelle im Wellenkanal
Im Rahmen von „DuneFront“ entwickelt das Leichtweiß-Institut für Wasserbau an der TU Braunschweig aus diesen Daten numerische Modelle europäischer Standorte und untersucht Erosions- und Wachstumsprozesse unter verschiedenen Randbedingungen und möglichen zukünftigen Klimaszenarien. Ziel der Forschung ist es, standortspezifische Stärken zu identifizieren, um mögliche Transferfunktionen in ganz Europa herauszufiltern. Damit soll die natürliche Widerstandsfähigkeit von Dünen-Deich-Hybridsystemen verbessert und diese fit(ter) für die Herausforderungen des Klimawandels gemacht werden.
Darüber hinaus wird das Leichtweiß-Institut umfangreiche physikalische Experimente durchführen. Für diese Versuche werden in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Berlin Dünenmodelle im Maßstab 1:5 erstellt. Ergänzt werden die Experimente durch weitere Laborkampagnen an der Universität Gent und Flanders Hydraulic sowie an der Technischen Universität Delft. In Braunschweig kultivieren die Wissenschaftler*innen auf den Dünenmodellen über einen längeren Zeitraum lebende Dünenvegetation. Diese Dünenmodelle werden dann in einem 90 Meter langen Wellenkanal des Instituts installiert und Sturmflutbedingungen ausgesetzt, um ihr Erosionsverhalten zu beobachten und zu bewerten. Ziel dieser komplexen Versuchsreihe ist es, das Wissen über mögliche erosionsmindernde Effekte der Vegetation zu vertiefen. Die Labordaten dienen als Grundlage für die Verfeinerung und Weiterentwicklung numerischer Modelle für die Demonstrationsstandorte in ganz Europa.
Ausweitung der Nutzung von Dünen-Deich-Systemen in ganz Europa
Während Küstennationen wie die Niederlande seit langem Vorreiter beim Küstenschutz sind und bereits erste Erfahrungen mit Dünen-Deich-Lösungen gesammelt haben, gewinnt diese Lösung nun in vielen Teilen Europas an Bedeutung. Die Niederlande, aber auch Länder wie Deutschland, Schweden, Dänemark, Belgien, Frankreich und Portugal erforschen diesen hybriden Ansatz jetzt konzertiert gemeinsam und wenden ihn auf gefährdete nationale Küstengebiete an.
Hintergrund: Wie funktionieren die Dünen-Deich-Lösungen?
Das Prinzip der Dünen-Deich-Systeme ist einfach, aber effektiv. Natürliche Dünen dienen als erste Verteidigungslinie, indem sie die Energie von Sturmfluten, hohen Wasserständen und Wellen absorbieren. Hinter diesen Dünen bieten bereits bestehende künstliche Deiche zusätzlichen Schutz, so dass auch bei extremen Wetterereignissen die Gebiete im Landesinneren sicher bleiben. Dieser zweistufige Ansatz maximiert die Widerstandsfähigkeit und nutzt die Stärken der Natur und der menschlichen Ingenieurleistung.
Außerdem sind diese Systeme so konzipiert, dass sie sich selbst erhalten. Dünen können entstehen, wenn die Vegetation den vom Wind verwehten Sand auffängt. Diese Vegetation hält nicht nur den Sand im System und verhindert so die Erosion, sondern sorgt auch für eine effiziente, natürliche Regeneration nach Sturmfluten. Im Laufe der Zeit verbessern diese natürlichen Prozesse die Küstenschutzfunktion der Dünen. Anders als bei konventionellen Deichen, die bei steigendem Meeresspiegel oft kostspielig nachgerüstet werden müssen, fallen so weniger laufende Wartungs- und Reparaturarbeiten an.
Ein Beispiel dafür ist die natürliche Graudüne „Maleens Knoll“ in Sankt Peter-Ording. Sie dient auf einer Länge von 1,4 Kilometern als Sturmflutschutz und ist seitlich mit Deichen verbunden. Dem Dünen-im-Deich-System vorgelagert ist eine breite Salzwiesenlagune, die seeseitig von einer ausgedehnten weißen Dünenkette begrenzt wird. Diese bildet einen weiteren natürlichen Sturmflutschutz in Form einer ersten Verteidigungslinie und geht zur Nordsee hin in einen flachen, fast zwei Kilometer breiten weißen Strand über. Seit 1986 wächst die etwa zehn Kilometer lange Dünenkette durch Windtransport von Sedimenten und Dünenvegetation und erreicht an den meisten Stellen bereits eine beachtliche Höhe von 11,5 Metern über dem Meeresspiegel.
Projektdaten
Das Forschungsprojekt „DuneFront“ wird von der Europäischen Union im Rahmen des Horizon Europe-Programms über vier Jahre mit rund fünf Millionen Euro gefördert. Das Forschungskonsortium besteht aus 18 europäischen Partnern. Neben der TU Braunschweig sind beteiligt: Universiteit Gent, Katholieke Universiteit Leuven, Vlaams Instituut voor de Zee, Eigen Vermogen Flanders Hydraulics, Agentschap voor Maritieme Dienstverlening en Kust, Jan De Nul nv, Dredging International nv, Universidade do Porto, Université de Bordeaux, Université de Perpignan, Université du Littoral Côte d'Opale, Technische Universiteit Delft, Universiteit Utrecht, Stichting Deltares, Lunds Universitet, Texas A&M University System, Technische Universität Berlin.
Prof. Dr.-Ing. Nils Goseberg
Technische Universität Braunschweig
Leichtweiß-Institut für Wasserbau
Abteilung Hydromechanik, Küsteningenieurwesen und Seebau
Beethovenstraße 51a
38106 Braunschweig
Tel.: +49 531 391-3930
E-Mail: n.goseberg@tu-braunschweig.de
www.tu-braunschweig.de/lwi/hyku
Dr.-Ing. Oliver Lojek
Technische Universität Braunschweig
Leichtweiß-Institut für Wasserbau
Abteilung Hydromechanik, Küsteningenieurwesen und Seebau
Beethovenstraße 51a
38106 Braunschweig
Tel.: +49 531 391-7923
E-Mail: o.lojek@tu-braunschweig.de
www.tu-braunschweig.de/lwi/hyku
Constantin Schweiger
Technische Universität Braunschweig
Leichtweiß-Institut für Wasserbau
Abteilung Hydromechanik, Küsteningenieurwesen und Seebau
Beethovenstraße 51a
38106 Braunschweig
E-Mail: c.schweiger@tu-braunschweig.de
www.tu-braunschweig.de/lwi/hyku
https://dunefront.eu/
https://www.tu-braunschweig.de/lwi/hyku/forschung/projekte/dunefront
Kultivierung von Dünenvegetation am Leichtweiß-Institut für Wasserbau.
Oliver Lojek/TU Braunschweig
Düne am Nordstrand von Spiekeroog.
Oliver Lojek/TU Braunschweig
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars
Biology, Environment / ecology, Oceanology / climate
transregional, national
Cooperation agreements, Research projects
German
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