Das DZNE untersucht unter der Mitwirkung von bundesweit rund 30 Facharztpraxen, ob spezielle Gedächtnistests auf dem Smartphone helfen können, leichte kognitive Beeinträchtigungen frühzeitig zu erkennen. Derlei Symptome können auf eine sich anbahnende Demenz hindeuten. Als digitales Hilfsmittel kommt dabei eine App des Magdeburger Start-Ups „neotiv“ zum Einsatz. Die damit erfassten Testergebnisse dienen der Diagnose in der Arztpraxis. Weiterer Projektpartner ist „Lilly Deutschland GmbH“: Das Pharmaunternehmen fördert die Versorgungsstudie mit 1,3 Millionen Euro.
Der Begriff „leichte kognitive Beeinträchtigungen“ umschreibt ein breites Spektrum an kognitiven Auffälligkeiten wie Gedächtnisprobleme oder Konzentrationsschwierigkeiten. Solche Symptome – als Fachbegriff auch „Mild Cognitive Impairment“ (MCI) genannt – können Vorboten einer Demenz sein. „Menschen mit MCI haben messbare kognitive Defizite, sind im Alltag aber wenig eingeschränkt“, erläutert Prof. Stefan Teipel, Demenzforscher am DZNE-Standort Rostock/Greifswald. „Es wird immer wichtiger, MCI rechtzeitig zu erkennen. Denn Menschen mit MCI haben ein erhöhtes Risiko für Demenz und neuartige Medikamente deuten sich an, die zumindest im Fall einer zugrundeliegenden Alzheimer-Krankheit den Krankheitsverlauf verzögern können, vorausgesetzt, die Behandlung beginnt frühzeitig. Untersuchungen zeigen gleichwohl, dass im Rahmen der medizinischen Grundversorgung weniger als zehn Prozent der MCI-Fälle erkannt werden. Wir müssen bei der Frühdiagnostik also besser werden.“
Testung zu Hause – Diagnose in der Praxis
In der aktuellen Versorgungsstudie wird untersucht, ob digitale Tests auf einem Mobilgerät niedergelassenen Fachärzten bei der Erkennung einer MCI helfen können. „Für die Diagnose von MCI gibt es bewährte Verfahren. Doch häufig sind diese Verfahren in der ambulanten Versorgung nicht ausreichend etabliert, so dass eine ergänzende digitale Testung hilfreich sein kann. Zumal sich diese bequem und selbstständig zu Hause durchführen lässt. In unserer Studie untersuchen wir diesen Ansatz mit Hilfe einer speziellen App. Sie ist ein digitales Medizinprodukt, das ärztlich verschrieben wird“, sagt Teipel. Diese App läuft auf Smartphones und Tablets und fordert einmal pro Woche zu einem interaktiven Gedächtnistest auf. Im aktuellen Forschungsprojekt geschieht dies über einen Zeitraum von insgesamt drei Monaten, wobei ein einzelner Test rund 20 Minuten in Anspruch nimmt. „Die App generiert ein Protokoll der Testergebnisse, das die Ärztin beziehungsweise den Arzt bei der Diagnosestellung unterstützt. Die App selbst erstellt keine Diagnose“, so Teipel.
Nutzen in der Regelversorgung
Die App mit dem Namen „neotivCare“ wurde vom Magdeburger Start-Up „neotiv“ auf der Grundlage langjähriger Forschung des DZNE entwickelt und ist als Medizinprodukt zugelassen. „In vorherigen Studien wurde bereits nachgewiesen, dass diese App Gedächtnisprobleme erkennen kann. In unserem Fall geht es nun um den Einsatz in der Regelversorgung. Wir wollen ermitteln, welchen Nutzen diese Art der Testung in der Praxis hat. Konkret, ob Verdachtsfälle auf MCI damit schneller erkannt und abgeklärt werden“, so Prof. Emrah Düzel, Demenzforscher am DZNE-Standort Magdeburg und Mitentwickler der App. Unterstützt wird das Projekt von der Lilly Deutschland GmbH mit einer Fördersumme von 1,3 Millionen Euro über zwei Jahre. Das US-amerikanische Unternehmen arbeitet bereits seit mehr als 35 Jahren an diagnostischen und therapeutischen Lösungen für Menschen mit Alzheimer-Krankheit.
Mehrstufiges Verfahren
Innerhalb von knapp zwei Jahren will das Forschungsteam um Teipel und Düzel etwa 300 Probanden mit kognitiven Auffälligkeiten in die Studie einschließen. In den teilnehmenden Praxen werden diese Personen zunächst nach herkömmlicher Methodik getestet und ihre kognitive Situation durch die zuständige Ärztin beziehungsweise Arzt beurteilt. Danach folgt die Testung mit der App. „Bei Verdacht auf MCI erfolgt im Allgemeinen eine Überweisung an eine Gedächtnisambulanz zur endgültigen Abklärung. Das ist die Vorgehensweise in der Regelversorgung. Wir möchten herausfinden, ob digitale Tests diesen Prozess in sinnvoller Weise unterstützen“, erläutert Teipel. „Insbesondere geht es darum, ob die Ergebnisse der digitalen Testung die ursprüngliche Diagnose und somit die Notwendigkeit einer Überweisung verändern oder nicht. Die Entscheidung trifft die betreuende Ärztin beziehungsweise Arzt aufgrund eigener Erfahrung und Expertise. Darüber hinaus geht es darum zu verstehen, welche Barrieren für den Einsatz digitaler Technologien Ärzte und Patienten wahrnehmen.“ Im nächsten Schritt werden alle Probanden in einem Studienzentrum des DZNE oder in einer Ambulanz aus dem Deutschen Netzwerk Gedächtnisambulanzen noch genauer untersucht. Die daraus folgende Diagnose gilt als Maßstab. „Anhand der verschiedenen Befunde wird sich zeigen, wie gut ein digitaler Test dabei helfen kann, MCI korrekt und frühzeitig zu erkennen – und wo Hindernisse für einen Einsatz in der Regelversorgung bestehen. Die Studienergebnisse sollten 2027 vorliegen“, so Teipel.“
Transparenzhinweis: Emrah Düzel, Demenzforscher am DZNE, ist auch Mitgründer und Chief Medical Officer von „neotiv“.
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Über das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE): Das DZNE ist eines der weltweit führenden Forschungszentren für neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson und ALS, die mit Demenz, Bewegungsstörungen und anderen schwerwiegenden Beeinträchtigungen der Gesundheit einhergehen. Diese Erkrankungen bedeuten enorme Belastungen für Betroffene und ihre Angehörigen, aber auch für die Gesellschaft und Gesundheitsökonomie. Das DZNE trägt maßgeblich zur Entwicklung neuer Strategien der Prävention, Diagnose, Versorgung, Behandlung und Pflege bei – und zu deren Überführung in die Praxis. Es hat bundesweit zehn Standorte und kooperiert mit Universitäten, Universitätskliniken und anderen Institutionen im In- und Ausland. Das DZNE wird staatlich gefördert, es ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft und der Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung. https://www.dzne.de
Über neotiv: Die neotiv GmbH wurde 2017 gegründet und hat ihren Hauptsitz in Magdeburg. Das Digital Health-Unternehmen ist eine Ausgründung der OVGU Magdeburg in enger Kooperation mit dem Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE). Ziel des Unternehmens ist es, neuste Erkenntnisse der Neurowissenschaften in Produkte zu überführen, die in der Wissenschaft und im Gesundheitssystem Anwendung finden. Der Fokus liegt hierbei auf mobilen Apps für Smartphones und Tablets. Das Medizinprodukt neotivCare unterstützt Ärzte bei der medizinischen Einschätzung von selbst wahrgenommenen Gedächtnisproblemen ihrer Patient:innen , um eine mögliche Erkrankung, wie zum Beispiel Alzheimer, frühzeitig zu identifizieren. https://www.neotiv-care.com
Über Lilly: Lilly verbindet Fürsorge mit Forschergeist, um Medikamente zu entwickeln, die das Leben von Menschen verbessern. Seit fast 150 Jahren leisten wir Pionierarbeit, erzielen wissenschaftliche Durchbrüche und haben Therapieoptionen für einige der schwierigsten Gesundheitsprobleme gefunden. Heute helfen unsere Medikamente Millionen von Menschen auf der ganzen Welt.
Mit Erkenntnissen aus den Bereichen Biotechnologie, Chemie und Genetik treiben unsere Wissenschaftler:innen neue Entdeckungen voran, um einige der größten gesundheitlichen Herausforderungen der Welt zu lösen. So arbeiten sie daran, die Behandlung von Diabetes immer weiter zu optimieren, Adipositas zu behandeln und deren gravierende Langzeitfolgen einzudämmen, den Kampf gegen Alzheimer-Demenz voranzubringen, Lösungen für folgenschwere Störungen des Immunsystems zu finden und schwer zu behandelnde Krebsarten in beherrschbare Krankheiten zu verwandeln.
Bei jedem Schritt auf dem Weg zu einer gesünderen Welt geht es uns vor allem um eines: das Leben von Millionen Menschen zu verbessern. Das bedeutet auch, dass wir klinische Studien durchführen, die die Vielfalt unserer Welt abbilden. Und wir setzen uns dafür ein, dass unsere Medikamente weltweit zugänglich und bezahlbar sind.
Weitere Informationen über Lilly Deutschland finden Sie hier: https://www.lilly.com/de, https://www.linkedin.com/showcase/lilly-deutschland. PP-MG-DE-1999
https://www.dzne.de/en/news/press-releases/press/increased-risk-of-dementia-stud... Englische Fassung
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars
Information technology, Medicine, Social studies
transregional, national
Cooperation agreements, Research projects
German
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