Ein Forschungsteam der Universität Jena zeigt, wie chemische und elektrische Signale in Pflanzen orchestriert werden, um eine Immunantwort auszulösen
Werden Pflanzen von krankmachenden Bakterien befallen, leiten sie die Signale vom Ursprungsort an der Blattoberfläche über chemische und elektrische Signale ins Innere weiter und stellen sich auf Verteidigungsmodus um. Um herauszufinden, wie und wo die Wahrnehmung eines Bakterienkontaktes in elektrische Signale umgewandelt wird, untersuchte ein Forschungsteam um PD Dr. Alexandra Furch von der Universität Jena, wie der äußere Reiz weitergeleitet wird. Dabei entdeckten die Forschenden zwei verschiedene Arten elektrischer Wellen, die sowohl die lokale als auch die systemische Abwehrreaktion von Pflanzen triggern. Das berichtet das Team in einer kürzlich erschienenen Studie im Fachmagazin Science Advances. Eine weitere neue Erkenntnis ist, dass sog. Verschlussproteine in den Leitbahnen bei der Abwehrantwort der untersuchten Pflanzenarten eine Rolle spielen. Diese Erkenntnisse könnten genutzt werden, um Pflanzen mit größerer eigener Resistenz auszustatten und somit den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren.
Für ihre Untersuchungen reizten die Forschenden Blätter der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) und der Ackerbohne (Vicia faba) mit einem bakteriellen Molekül, das die Immunreaktion in Pflanzen auslöst. Daraufhin setzten die Pflanzenzellen zunächst Kalzium-Ionen frei, die ihrerseits eine Kettenreaktion in Gang brachten. Dabei wurde der äußere Reiz von den Epidermis-Zellen in Form von unterschiedlichen elektrischen Potenzialen ins Blattinnere weitergeleitet. Das Team konnte in beiden Pflanzen erstmals zwei verschiedene Potenziale identifizieren: schnelle und weitreichende Aktionspotenziale sowie langsame und lokale Variationspotenziale, die sich beide wellenförmig ausbreiteten und unterschiedliche Reaktionen auslösten.
Zwei Potenzial-Typen
Nach dem Reiz der Epidermis-Zellen breiten sich zuerst die langsamen Variationspotenziale aus. Sie veranlassen sog. Verschlussproteine, die Leitungsbahnen in den Pflanzenblättern vorübergehend zu verschließen. „Bislang war nur bekannt, dass diese Verschlussproteine die Leitungsbahnen nach Verletzungen und Stress, wie Hitze oder Kälte, verstopfen“, sagt Alexandra Furch. In seiner Studie zeigte das Team nun erstmals, „dass diese Reaktion auch auf einen biologischen Reiz hin erfolgt, nach dem Kontakt mit schädlichen Bakterien“, so die Expertin weiter, die solche Verschlussproteine schon lange intensiv erforscht. „Bislang ging man davon aus, dass diese Verschlussproteine allein für die Regulation der Nährstoffverteilung in den Siebröhren der pflanzlichen Leitungsbahnen zuständig sind.“
Zusätzlich aktivierten die an den Leitungsbahnen entlangrasenden, schnellen Aktionspotenziale die systemische Immunabwehr der Pflanzen: Sie führen etwa zu einer erhöhten Produktion des Pflanzenhormons Jasmonat, das u. a. die Immunantwort von Pflanzen koordiniert, und zur Freisetzung reaktiver Sauerstoffverbindungen, die ebenfalls an der pflanzlichen Immunantwort gegen Krankheitserreger beteiligt sind.
Zusammenspiel von chemischen und elektrischen Signalen
In ihrer nun vorgelegten Studie entwickelten die Forschenden zudem ein Modell dafür, wie das komplexe Zusammenspiel verschiedener chemischer und elektrischer Signale in der Pflanze orchestriert wird, um den äußeren Reiz durch Bakterien-Befall im gesamten Organismus zu verbreiten und dabei sowohl die lokale, als auch die systemische Immunantwort auszulösen: Die Signale werden erst langsam von den äußeren Epidermis-Zellen zu den weiter innen liegenden Zellen weitergeleitet und anschließend schnell – innerhalb von Minuten – entlang der Leitungsbahnen in der Pflanze weiterverbreitet, wo sie weitere Teile des Immunsystems aktivieren. „Diese Mischung verschiedener Signale enthält eine Art Code, der im Zielgewebe entschlüsselt wird und eine gezielte spezifische Antwort auf entsprechende Angreifer auslöst“, sagt Alexandra Furch. Wie das genau vonstattenginge, müsse allerdings erst noch analysiert werden.
Das Team konnte beide Potenzial-Typen in den untersuchten Pflanzenarten nachweisen. Da diese zwei verschiedenen Pflanzenfamilien angehören und nur entfernt miteinander verwandt sind, könnte es sich um ein universelles Muster der pflanzlichen Immunantwort handeln. Die Analyse-Methoden auf zwei so unterschiedliche Pflanzenarten anzuwenden, war herausfordernd, sagt Alexandra Furch. Es gelang schließlich auch durch die Zusammenarbeit mit Forschenden um Gundula Noll von der Universität Münster sowie mit weiteren Kolleginnen und Kollegen aus Halle, Jena, Tübingen und Gießen.
Ansatzpunkt für resistente Nutzpflanzen
Dieser universelle Mechanismus der pflanzlichen Immunantwort bietet einen Ansatzpunkt, um in Zukunft die Resistenz von Nutzpflanzen gegenüber Krankheitserregern zu verbessern. Das wird immer wichtiger, da im Zuge der Klimakrise neue Krankheitserreger auftauchen und sich ausbreiten können, unterstreicht Alexandra Furch. „Gelingt es, Pflanzen mit einer verbesserten natürlichen Resistenz auszustatten, kann auch der Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel verringert werden.“
PD Dr. Alexandra Furch
Matthias-Schleiden-Institut für Genetik, Bioinformatik und molekular Pflanzenwissenschaften
Friedrich-Schiller-Universitär Jena
Dornburger Straße 159
D-07743 Jena
Tel.: +49 3641 9-49234
E-Mail: alexandra.furch@uni-jena.de
Furch A. C. U. et al. (2025): Transformation of flg22 perception into electrical signals decoded in vasculature leads to sieve tube blockage and pathogen resistance. Science Advances Vol 11, Issue 9; DOI: https://doi.org/10.1105/tpc.108.063107
Criteria of this press release:
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Research results, Scientific Publications
German
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