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03/20/2025 11:50

Schwindende Artenkenntnisse und Naturverbundenheit unter der Jugend

Stefanie Terp Stabsstelle Kommunikation, Events und Alumni
Technische Universität Berlin

    Forschende untersuchten das Wissen über einheimische Pflanzen, Vögel und Schmetterlinge und konstatieren einen Zusammenhang zwischen Alter und der Bereitschaft, sich für Fauna und Flora einzusetzen

    Die Kenntnis häufiger Tier- und Pflanzenarten, die Naturverbundenheit unter den Generationen und deren Bereitschaft, sich für die Natur einzusetzen, nehmen von älteren zu jüngeren Menschen ab. Das ist ein wesentliches Ergebnis der Studie „From nature experience to pro-conservation action: How generational amnesia and declining nature-relatedness shape behaviour intentions of adolescents and adults“. Unter Leitung von Prof. Dr. Tanja Straka und Prof. Dr. Ingo Kowarik wurde erstmals systematisch untersucht, wie sich Jugendliche, junge Erwachsene und ältere Erwachsene hinsichtlich ihres Naturkontakts, der Artenkenntnis, der Naturverbundenheit und der Bereitschaft, sich für die Natur einzusetzen, unterscheiden. Durchgeführt wurde die Studie am Institut für Ökologie der TU Berlin.

    An der Studie nahmen insgesamt 600 Menschen teil: darunter 252 Berliner Jugendliche im Alter zwischen 15 und 17 Jahren sowie 215 junge Erwachsene zwischen 18 und 29 Jahren und 133 ältere Erwachsene zwischen 30 and 76 Jahren aus ganz Deutschland.

    Phänomen der Generationenamnesie

    Eine weitere wichtige Erkenntnis: Trotz der Unterschiede zwischen den Altersgruppen bestand durchgängig eine direkte (oder indirekte) Verbindung zwischen Artenkenntnis, Naturverbundenheit und der Bereitschaft, sich für die Natur einzusetzen. Demnach fördert ein gutes Artenwissen die Naturverbundenheit, also die emotionale, kognitive und erfahrungsbezogene Verbundenheit mit der Natur. Ist diese erhöht, steigt wiederum die Bereitschaft, sich für die Natur einzusetzen. „Es lohnt sich also, die Artenkenntnis und Naturverbundenheit von Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu fördern. Dabei sollte auch die Chance genutzt werden, Wissen und Erfahrungen über Natur über Generationen hinweg weiterzugeben“, sagt Prof. Dr. Tanja Straka, die Erstautorin der Studie. Mittlerweile lehrt und forscht sie an der FU Berlin.

    Wie notwendig das ist, belegen die abnehmenden Artenkenntnisse im Übergang von älteren zu jüngeren Teilnehmenden der Studie. Verschiedene Organismengruppen sind zudem unterschiedlich gut bekannt: Schmetterlinge weniger als Vögel, und Vögel weniger als Pflanzen. So können 73 Prozent der Jugendlichen die Brombeere richtig benennen, aber nur 29 Prozent die Elster und nur noch 3 Prozent den Tagfalter Kleiner Fuchs. Im Vergleich dazu erkennen immerhin 22 Prozent der älteren Erwachsenen diesen in Deutschland verbreiteten Schmetterling, 61 Prozent die Elster und 84 Prozent die Brombeere. Das bestätigt das Phänomen der ‚generational amnesia‘, das einen Verlust an Kenntnissen über die Natur im Übergang von älteren zu jüngeren Generationen annimmt.

    Den Tagfalter Kleiner Fuchs kennt kaum jemand

    Insgesamt sollten die 600 Teilnehmenden zwölf Arten bestimmen: Bei der Gruppe der Vögel das Rotkehlchen, die Amsel, die Elster, den Haussperling. Als Schmetterlinge den Kleinen Kohlweißling, den Zitronenfalter, das Tagpfauenauge, den Kleinen Fuchs und bei den Pflanzen die Brombeere, die Brennnessel, die Silber-Birke sowie die Rosskastanie als wichtigen Stadtbaum. Die Arten, die über alle drei Gruppen hinweg am häufigsten richtig benannt wurden, waren Brennnessel (86 Prozent), Haussperling (67,3 Prozent) und Zitronenfalter (58,2 Prozent). Die Arten, die über alle drei Gruppen hinweg am seltensten richtig benannt wurden, waren die Rosskastanie (52,8 Prozent), die Elster (41,5 Prozent) und der Kleine Fuchs (10,8 Prozent). Keine der zwölf Arten wurde von allen Teilnehmenden richtig benannt.

    Weiterhin sollten die Teilnehmenden Angaben zur Häufigkeit ihrer Grünflächenbesuche machen sowie dazu, inwieweit sie sich mit der Natur verbunden fühlen und sich für sie einsetzen würden. Während es bei der Häufigkeit der Grünflächenbesuche keine Unterschiede zwischen den Altersgruppen gab, nahmen die Naturverbundenheit und die Bereitschaft, sich für die Natur einzusetzen, signifikant von älteren hin zu jüngeren Teilnehmenden ab. Der Wert für Naturverbundenheit sank von 3,98 auf 3,09, und der Wert für die Bereitschaft, sich für die Natur einzusetzen, betrug 3,76 bei älteren Erwachsenen, aber nur noch 2,82 bei Jugendlichen.

    Veränderte Lebensstile von Kindern und Jugendlichen

    „Der Schutz der biologischen Vielfalt ist eine Herausforderung für heutige und zukünftige Generationen – auf globaler wie lokaler Ebene. Viele Studien haben nachgewiesen, wie wichtig Naturerfahrungen, eine emotionale Verbindung zur Natur sowie Wissen über Tier- und Pflanzenarten sind, damit Menschen sich für die Natur einsetzen. Allerdings wurde auch gezeigt, dass aufgrund veränderter Lebensstile Kinder und Jugendliche häufig weniger Kontakt zur Natur haben und auch weniger als Erwachsene über Natur wissen. Damit wird die Befürchtung verbunden, dass sich zukünftige Generationen weniger für die Erhaltung der Natur einsetzen werden“, sagt Prof. Dr. Tanja Straka.

    Ein überraschendes Ergebnis der Berliner Studie kam bei der Auswertung der Häufigkeit des Grünflächenbesuchs zutage, ein etablierter Indikator für Naturerfahrungen. Anders als erwartet, gab es hier keine Unterschiede zwischen den Altersgruppen. „Die Bereitstellung von Grünflächen und anderen naturnahen Gebieten in Städten reicht nicht aus, wenn wir Naturerfahrungen und die damit verbundenen positiven Effekte für Naturverbundenheit und Einsatzbereitschaft für die Natur fördern wollen“, sagt Prof. Dr. Ingo Kowarik, der von 1999 bis 2021 das Fachgebiet Ökosystemkunde, insbes. Pflanzenökologie der TU Berlin leitete. Insofern lege die Berliner Studie, so der Ökologe, zwei Konsequenzen nahe: „Die erste ist, verstärkt Zugänge zur Kenntnis unterschiedlicher Organismengruppen zu vermitteln, vom Kindergarten bis hin zur universitären Ausbildung. Die zweite Schlussfolgerung: Besonders Kinder und Jugendliche sollten darin unterstützt werden, sich nicht nur im Grünen aufzuhalten, sondern dort auch über die Natur zu lernen und positive emotionale Erfahrungen mit Natur zu gewinnen.“

    Weiterführende Informationen:

    Link zur online frei verfügbaren Veröffentlichung „From nature experience to pro-conservation action: How generational amnesia and declining nature-relatedness shape behaviour intentions of adolescents and adults: https://link.springer.com/article/10.1007/s13280-025-02135-7

    Fotomaterial zum Download https://www.tu.berlin/go239617/n67474/

    Kontakte:

    Prof. Dr. Tanja Straka
    FU Berlin
    Institut für Biologie
    AG Straka Urban Ecology
    E-Mail: tanja.straka@fu-berlin.de

    Prof. Dr. Ingo Kowarik
    TU Berlin
    Fakultät VI Planen Bauen Umwelt
    Institut für Ökologie
    E-Mail: kowarik@tu-berlin.de


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    „Damit sich Menschen für die Natur engagieren, braucht es sowohl Wissen über Tiere und Pflanzen als auch eine emotionale Verbindung zur Natur“, sagt Prof. Dr. Tanja Straka.
    „Damit sich Menschen für die Natur engagieren, braucht es sowohl Wissen über Tiere und Pflanzen als ...

    Caroline Wimmer

    Prof. Dr. Ingo Kowarik: „Die Bereitstellung von Grünflächen in Städten reicht nicht aus, den Einsatz für die Natur bei Kindern und Jugendlichen zu fördern.“
    Prof. Dr. Ingo Kowarik: „Die Bereitstellung von Grünflächen in Städten reicht nicht aus, den Einsatz ...

    Hannes Reinhard


    Criteria of this press release:
    Journalists
    Biology, Environment / ecology
    transregional, national
    Research projects, Research results
    German


     

    „Damit sich Menschen für die Natur engagieren, braucht es sowohl Wissen über Tiere und Pflanzen als auch eine emotionale Verbindung zur Natur“, sagt Prof. Dr. Tanja Straka.


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    Prof. Dr. Ingo Kowarik: „Die Bereitstellung von Grünflächen in Städten reicht nicht aus, den Einsatz für die Natur bei Kindern und Jugendlichen zu fördern.“


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