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03/26/2025 13:31

Injektionen an der Wirbelsäule haben ihre Berechtigung

Susanne Herda, Swetlana Meier Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e. V.

    Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) und des Berufsverbandes für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU)

    British Medical Journal-Veröffentlichung: Kritik am Studiendesign

    Die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) und der Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) kritisieren die kürzlich im British Medical Journal (BMJ) veröffentlichte Übersichtsarbeit1 zu interventionellen Wirbelsäulenverfahren bei chronischen Rücken- und Nackenschmerzen.

    Die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) und der Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) kritisieren die kürzlich im British Medical Journal (BMJ) veröffentlichte Übersichtsarbeit1 zu interventionellen Wirbelsäulenverfahren bei chronischen Rücken- und Nackenschmerzen. In dieser wird unter anderem vor Spritzen und Radiofrequenzbehandlungen gegen chronische Rückenschmerzen gewarnt, da es keine Beweise für einen Nutzen gäbe. „Wir teilen diese Einschätzungen nicht und haben ernste Bedenken hinsichtlich der Methodologie und der Schlussfolgerungen der Publikation und deren potenziellen Auswirkungen auf die Patientenversorgung“, sagt DGOU-Präsident Prof. Dr. Christoph H. Lohmann. Eine Stellungnahme2 fasst die Gegenargumente zusammen und zeigt, dass interventionelle Verfahren bei geeigneten Patientinnen und Patienten wirksam Schmerzen lindern und die Funktion verbessern können.

    Experten aus der deutschen Orthopädie und Unfallchirurgie sprechen sich im Gegensatz zu den Verfassern der BMJ-Übersichtsarbeit für gezielte Interventionen statt pauschaler Ablehnung aus und plädieren für eine individuelle Schmerztherapie. Sie appellieren an Wissenschaftler, Kliniker und politische Entscheidungsträger, die Komplexität chronischer Wirbelsäulenschmerzen zu berücksichtigen und sowohl die Forschung als auch den Zugang zu bewährten Verfahren weiter zu fördern. Entscheidend ist, dass Injektionen nur dann eingesetzt werden, wenn sie leitliniengerecht erfolgen und medizinisch sinnvoll sind.
    „Aus unserer Sicht bleiben in der BMJ-Übersichtsarbeit die Patientenpräferenzen unberücksichtigt“, sagt Prof. Michael Winking, er ist BVOU-Referatsleiter Wirbelsäule. „Viele Betroffene entscheiden sich bewusst für Injektionen an der Wirbelsäule, weil sie aus Erfahrung wissen, dass sie Schmerzen lindern. Eine generelle Ablehnung solcher Maßnahmen wird ihrer individuellen Situation nicht gerecht.“

    Die Stellungnahme zur BMJ-Übersichtsarbeit entstand unter Federführung der DGOU-Sektion „Interdisziplinäre Gesellschaft für orthopädische/unfallchirurgische und allgemeine Schmerztherapie“ (IGOST). Sie kritisiert, dass unterschiedliche Patientengruppen, Krankheitsbilder und Verfahren gemischt werden, was zu verzerrten und schwer interpretierbaren Ergebnissen führt. „Generalisierungen können zu Fehlschlüssen führen, da wichtige Unterschiede nicht berücksichtigt werden. Vereinfachungen können zu falschen Annahmen und zu unangemessenen Entscheidungen führen. Wir zeigen exemplarisch auf, dass eine Differenzierung zu anderen Ergebnissen führt als eine Verallgemeinerung“, sagt Dr. Markus Schneider, Präsident der IGOST.

    Denn Injektionen an der Wirbelsäule können helfen, Schmerzen und Entzündungen bei bestimmten Erkrankungen zu lindern. Dies schafft die Voraussetzung, dass Betroffene wieder aktiver werden und mit gezielter Bewegungstherapie ihre Muskulatur stärken. „Die Injektionstherapie ist jedoch kein alleiniger Lösungsweg, sondern immer Teil eines umfassenden Behandlungskonzepts. Dazu gehören auch Medikamente, Physiotherapie sowie Übungen, die Patienten selbst durchführen können. Ebenso wichtig ist die Aufklärung über ein rückenfreundliches Verhalten im Alltag“, sagt Prof. Dr. Bernd Kladny, stellvertretender DGOU-Generalsekretär.

    Häufig angewendete interventionelle Wirbelsäulenverfahren bei chronischen Rücken- und Nackenschmerzen sind epidurale Injektionen und die Radiofrequenz-Denervation:
    • Bei epiduralen Injektionen handelt es sind um eine minimalinvasive Methode zur Schmerztherapie, die vor allem bei Rücken- und Nervenschmerzen eingesetzt wird. Dabei wird ein entzündungshemmendes Medikament, meist ein Kortisonpräparat, zusammen mit einem örtlichen Betäubungsmittel in den Epiduralraum verabreicht – also den Raum zwischen der harten Rückenmarkshaut (Dura mater) und der Wirbelsäule.
    • Eine Radiofrequenz-Denervation (auch Radiofrequenzablation oder RFA) ist ein minimalinvasives Verfahren zur Schmerztherapie, das vor allem bei chronischen Rückenschmerzen oder Schmerzen der kleinen Wirbelgelenke (Facettengelenke) angewendet wird. Dabei werden gezielt Nervenfasern, die Schmerzsignale weiterleiten, durch Hitze verödet.

    Zusammenfassung
    Interventionelle Wirbelsäulenverfahren dürfen nicht als Allheilmittel betrachtet werden. Sie sind aber ein wichtiger Bestandteil eines multimodalen Ansatzes zur Behandlung von spezifischen Wirbelsäulenschmerzen, der auch weitere medikamentöse Einstellung und physiotherapeutische Maßnahmen und kognitive Verhaltenstherapie umfasst. „Interventionelle Verfahren können bei richtig ausgewählten Patienten eine erhebliche Schmerzlinderung und Funktionsverbesserung bieten und dazu beitragen, invasive Operationen oder langfristige Schmerzmittelabhängigkeit zu vermeiden“, sagt Dr. Johannes Flechtenmacher, ehemaliger BVOU-Präsident. Abschließend betonen Fachgesellschaft und Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie, dass interdisziplinäre Zusammenarbeit und eine sorgfältige Auswahl der besten Behandlungsoptionen entscheidend sind, um chronische Wirbelsäulenschmerzen effektiv zu behandeln. Eine fundierte Entscheidung über den Einsatz interventioneller Verfahren sollte immer in enger Absprache mit den Patienten getroffen werden, unter Berücksichtigung ihrer individuellen Bedürfnisse und Präferenzen.

    Über die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU)
    Die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) ist eine medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft mit mehr als 10.000 Mitgliedern. Die DGOU vertritt die übergeordneten und gemeinsamen Interessen des Faches Orthopädie und Unfallchirurgie im Bereich der Forschung und der Lehre, der Fort- und Weiterbildung, in Klinik und in Praxis sowie auf dem Gebiet der Gesundheitspolitik. Die DGOU fördert die Wissenschaft im Fach Orthopädie und Unfallchirurgie und gibt Leitlinien für die unfallchirurgische und orthopädische Diagnostik und Therapie heraus. Diese Handlungsempfehlungen unterstützen Ärzte und Ärztinnen bei Entscheidungen für eine optimale medizinische Versorgung von Patienten und sorgen damit für mehr Qualität und Sicherheit in der Medizin.

    Über den BVOU
    Der Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (BVOU) ist die berufspolitische Vertretung für mehr als 7.000 in Praxis und Klinik tätige Kollegen und Kolleginnen. Der BVOU setzt die beruflichen Interessen seiner Mitglieder durch, indem er zum Vorteil der Patienten und des Gemeinwohls gemeinsam mit den wissenschaftlichen Gesellschaften den Standard orthopädisch-unfallchirurgischer Versorgung entwickelt, die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen prägt und dadurch die öffentliche Wahrnehmung seiner Mitglieder als Experten für orthopädisch-unfallchirurgische Versorgung gestaltet.

    Referenzen
    1. Commonly used interventional procedures for non-cancer chronic spine pain: a clinical practice guideline
    BMJ 2025; 388 (Published 19 February 2025) Cite this as: BMJ 2025;388:e079970
    https://doi.org/10.1136/bmj-2024-079970

    2. Klessinger, Stephan; Schneider, Markus (IGOST): Stellungnahme zur BMJ-Übersichtsarbeit: „Eine starke Verallgemeinerung kann zu unangemessenen Empfehlungen führen“ – Kommentar zur Zusammenfassung der Praxisleitlinie von Busse et al.
    https://www.igost.de/index.php?seite=aktuelles;details;65;kommentar-zur-praxisle...

    Leitlinien
    • Klessinger S, Wiechert K, Deutsche Wirbelsäulengesellschaft. S3-Leitlinie Radiofrequenz-Denervation der Facettengelenke und des ISG. Version 01, 2023. Verfügbar unter: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/151-004.
    • Klessinger S, Wiechert K, Deutsche Wirbelsäulengesellschaft. S3-Leitlinie Epidurale Injektionen bei degenerativen Erkrankungen. Version 1, öffentliche Konsultation 2025. Verfügbar unter: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/151-005%20KF

    Weitere Informationen:
    www.dgou.de
    www.bvou.net

    Kontakt für Rückfragen:
    Susanne Herda, Swetlana Meier
    Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
    Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) e.V.
    Straße des 17. Juni 106-108, 10623 Berlin
    Telefon: +49 (0)30 340 60 36 -16/-06
    E-Mail: presse@dgou.de
    www.dgou.de

    Janosch Kuno
    Kommunikation und Pressearbeit
    Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (BVOU e.V.)
    Straße des 17. Juni 106-108, 10623 Berlin
    Telefon: +49 (0)30 797 444 55
    Fax +49 (0)30 797 444 45
    E-Mail: presse@bvou.net
    www.bvou.net


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    Criteria of this press release:
    Journalists, all interested persons
    Medicine
    transregional, national
    Research results, Transfer of Science or Research
    German


     

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