Für chronisch erkrankte Schülerinnen und Schüler ist es oft eine Chance: Sie können per Avatar am Unterricht teilnehmen. Aber wie verändert sich dadurch der Unterricht und das Miteinander? Der Siegener Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. Jochen Lange untersucht die Auswirkungen von digitaler Präsenz auf das Schulleben.
„Darf ich Dich jetzt ausschalten Lilly?“, fragt die Lehrerin und schaut in die blauen Augen, die ihr entgegen blinken. „Ja“, ertönt es kurz und mehrere Kilometer entfernt klappt Lilly ihren Laptop zu. Im Klassenzimmer sinkt der Kopf eines kleinen Roboters leicht nach vorn. Für Lillys Avatar ist jetzt auch Schulschluss. Er kommt bis morgen in den Schrank.
Für Kinder wie Lilly, die wegen einer Krebserkrankung oder einer chronischen Krankheit nicht vor Ort im Unterricht sein können, sind Avatare eine Möglichkeit, um ihnen die Teilnahme am aktiven Schulleben zu ermöglichen. Sie sind dabei, wenn auch nicht klassisch-körperlich anwesend. „Verteiltes Schüler*innen-Sein“ nennt das Prof. Dr. Jochen Lange, Erziehungswissenschaftler an der Universität Siegen. In einem neuen, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekt, wollen er und sein Team in den kommenden drei Jahren untersuchen, wie mit digitalen Präsenz- und Repräsentationsformen interagiert wird: Es geht um konkrete, beobachtbare Praktiken. In den Blick gerät das Miteinander in der Schule sowie die schulischen Abläufe.
„Durch die digitalen Medien ist die Präsenz der Schülerinnen und Schüler nicht nur ortsunabhängig, sondern tatsächlich verteilt“, erklärt Lange. „Wir schauen uns in dem Projekt an, wie das Da-Sein der Kinder als Avatar funktioniert, welche Grenzen auftauchen und wie der Avatar von den andern in soziale Prozesse integriert wird.“ Lange kennt Beispiele, in denen die Roboter mit in die Pause, in den Sportunterricht und sogar mit auf Klassenfahrt genommen werden.
Die anderen Schülerinnen und Schüler reden auch mit dem Roboter, meinen aber das Kind, das zu Hause ist. Es ist etwas anderes als eine Videokonferenz mit dem Laptop. „Wenn der Avatar woanders hingestellt werden muss, wird zum Beispiel gefragt: Darf ich Dich gerade noch einmal hochnehmen?“, berichtet Lange. Digitale und analoge Welt verschränken sich auf diese Weise. „Avatare sind eine spannende Möglichkeit, kranken Kindern Präsenz zu ermöglichen, aber man erkennt auch, das etablierte schulische Abläufe und Funktionslogiken herausgefordert werden können.“
Die kleinen Roboter sind in Klassenzimmern derzeit noch Ausnahmen. Sie werden zumeist von Vereinen zur Unterstützung von Familien krebskranker und chronisch kranker Kinder angeschafft und dann für eine gewisse Zeit an Schulen verliehen.
Fast schon zum Alltag gehören dagegen Lernplattformen, bei denen sich Schülerinnen und Schüler als Software-Avatare designen, die dann online lernen und Aufgaben lösen. Allein oder in der Gruppe, zu Hause oder in der Schule. „Das Schüler-Sein kann sich auch über diese Software verteilen“, erklärt Lange. Über die Lernplattformen sammeln Lehrkräfte zudem Leistungsdaten. Es entsteht ein schüler*innenseitiger Datenkorpus, der zum Beispiel den Eltern beim nächsten Sprechtag präsentiert wird.
Vielleicht, so der Schulforscher, kämen Lehrkräfte irgendwann ganz selbstverständlich mit einem Rollwagen und drei oder vier Avataren ins Klassenzimmer und „Präsenzunterricht“ hat dann eine ganz andere Bedeutung. „Deshalb müssen wir jetzt analytisch darauf schauen und die Diskussion darüber führen.“
Prof. Dr. Jochen Lange
Tel.: 0271 / 740-2929
E-Mail:jochen.lange@uni-siegen.de
Avatare können Kindern mit einer Langzeiterkrankung die Teilnahme am aktiven Schulleben ermöglichen.
J. Lange
Universität Siegen
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars, Teachers and pupils
Media and communication sciences, Teaching / education
transregional, national
Research projects
German
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