Heute am Earth Day wurden die 19 Nationalen Champions des Frontiers Planet Prize bekannt gegeben, ein weltweit bedeutender Forschungspreis für Nachhaltigkeit. Robert Arlinghaus, Fischereiprofessor am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und an der Humboldt Universität zu Berlin, und sein Team werden für ihre wegweisende Science-Publikation über die Wirksamkeit der ökologischen Aufwertung von Gewässern auf die Fischbestände gewürdigt.
Professor Jean-Claude Burgelman, Direktor des Frontiers Planet Prize, sagte: „Angesichts der immensen Bedrohungen für die Menschen und den Planeten brauchen wir mutige, transformative Lösungen, die sich auf Fakten stützen und wissenschaftlich fundiert sind. Innovative und skalierbare Lösungen sind der einzige Weg, um ein gesundes Leben auf einem gesunden Planeten zu gewährleisten.“
Eine dieser Lösungen, die zur Kategorie „Naturbasierte Lösungen und Wiederherstellung von Ökosystemen“ gehört, ist in der Studie von Prof. Robert Arlinghaus und seinem Team beschrieben: Die Revitalisierung von Seen durch die Schaffung von Flachwasserzonen und das Einbringen von Totholz. Weltweit werden Millionen von Fischen in Gewässer ausgesetzt, um die natürlichen Fischbestände zu stärken. Dass diese sogenannte Fischbesatz-Praxis nicht immer erfolgreich ist und wie es besser geht, zeigt die in der Fachzeitschrift Science erschienene Studie. Die Besonderheit der Untersuchung von Arlinghaus und seinem Team ist unter anderem die enge Verbindung von Forschung und Anwendung und die Durchführung von wiederholten Experimenten auf der Ebene ganzer Seen in Zusammenarbeit mit der Angelpraxis.
Mehr Lebensraum ist besser als mehr Fische:
Das Forschungsteam hat in einem Vorher-Nachher-Kontroll-Experiment über sechs Jahre in 20 Baggerseen verglichen, wie sich das Aussetzen von Fischen und die Aufwertung der Lebensräume auf die Fischbestände auswirken. „Das war ein einzigartiger Freilandversuch, in dem wir in enger Zusammenarbeit einer Vielzahl von Angelvereinen auf der Ebene des gesamten Ökosystems mit verschiedenen Bewirtschaftungsvarianten experimentiert haben. So ein großes, wiederholtes und vor allem kontrolliertes Ganzseeexperiment gab es in dieser Form bisher nicht. Es freut mich sehr, dass unsere Forschungsarbeit nun mit dem Nationalen Frontiers Planet Prize ausgezeichnet wurde“, sagt der Initiator und Koordinator des Projekts, Professor Robert Arlinghaus.
„Über einen Zeitraum von sechs Jahren wurden rund 160.000 Fische und viele andere Tier- und Pflanzenarten vor und nach Maßnahmendurchführung beprobt, um zu untersuchen, wie die jeweiligen Organismengruppen auf die Schaffung von Lebensräumen oder das Einsetzen von insgesamt 40.000 einzeln markierten Fischen reagieren“, ergänzt der Erstautor der Studie, Prof. Johannes Radinger, ehemaliger Wissenschaftler der Arbeitsgruppe von Robert Arlinghaus und jetzt Professor an der Hochschule Magdeburg-Stendal. „Die Studie zeigte, dass ein ökosystembasiertes Management, insbesondere die Schaffung von Flachwasserzonen, den Fischbestand in den Seen und die Reproduktion von Fischen nachhaltig erhöhte und auch die Vielfalt anderer Organismengruppen wie Libellen oder Wasserpflanzen förderte“, erläutert Dr. Sven Matern, zweiter Erstautor der ausgezeichneten Studie und ehemaliger Doktorand von Robert Arlinghaus. Die im Fischschutz gängige Praxis des Fischbesatzes, an der viele Angelvereine aber auch andere Naturschutzakteure weltweit häufig festhalten, ist in dem Versuch hingegen fehlgeschlagen. Das Einbringen von Totholz als Strukturelement zeigte gewässerspezifisch und artabhängig positive Effekte auf Fische und andere Organismen, war aber gegenüber der Schaffung von Flachwasserzonen weniger erfolgreich.
Angelvereine als wichtige Partner:
Das von den beiden Ministerien BMBF und BMUV sowie dem Bundesamt für Naturschutz in den Jahren 2016 bis 2022 finanzierte Forschungs- und Umsetzungsprojekt BAGGERSEE, das Grundlage der Science-Publikation war, wurde in enger Zusammenarbeit mit Dutzenden von Angelvereinen im Anglerverband Niedersachsen e.V. (AVN) durchgeführt. Hunderte Personen aus der Angelpraxis waren an der Umsetzung der Managementmaßnahmen und der Datenerhebung beteiligt. Fischereibiologen des AVN planten und koordinierten die Umsetzung der Maßnahmen. „Die Ergebnisse haben direkte Auswirkungen auf die Art und Weise, wie Angelvereine Seen bewirtschaften. Aktuell läuft ein Vermittlungsprojekt als Anschluss, in dem die Ergebnisse deutschlandweit an Angelvereine über die Projektregion Niedersachsen hinaus kommuniziert werden“, sagt Prof. Thomas Klefoth von der Hochschule Bremen, der das BAGGERSEE-Projekt zusammen mit Robert Arlinghaus erdacht und ehemals als Fischereibiologe des AVN koordiniert hat.
Süßwasserfische sind gefährdet:
Süßwasserfische gehören zu den am stärksten gefährdeten Wirbeltieren weltweit. In Deutschland beispielsweise gilt gemäß der Roten Liste der Süßwasserfische jede zweite Art als gefährdet. Einer der Hauptgründe ist der Verlust an angemessenem Lebensraum. Fischrückgänge haben weitreichende Folgen für die Gewässer sowie die Erwerbs- und Angelfischerei. Wirksame Erhaltungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen sind erforderlich, um den Fischrückgang umzukehren. „Ein vielversprechender Ansatz ist das ökosystembasierte Management, das darauf abzielt, wichtige ökologische Prozesse, Lebensräume und Beziehungen zwischen Arten zu verbessern oder wiederherzustellen, anstatt sich auf die Beseitigung einzelner Stressoren oder die Unterstützung einzelner Arten nur über Fischbesatz zu konzentrieren“, sagt Robert Arlinghaus. Dieser umfassende Ansatz ist jedoch oft kostspielig und mit hohen bürokratischen Hürden verbunden.
Ökosystembasiertes Management lohnt sich:
Politische Entscheidungsträger zögern daher, in ökosystembasiertes Management zu investieren, solange es keine soliden wissenschaftlichen Belege für seine Wirksamkeit gibt. „Mit unserer großen experimentellen Feldstudie, die auch Kontrollgewässer einbezog und so belastbare Ergebnisse hervorbrachte, haben wir die Erfolgsaussicht Ökosystem-bezogener Maßnahmen nun auf eine wissenschaftliche Grundlage gestellt. Zentral ist, dass die Verbesserung der Ökosysteme die wichtigsten beschränkenden Habitate umfasst. In Baggerseen sind das Flachwasserzonen, in anderen Gewässertypen können aber auch andere Habitate wichtiger sein, wie beispielsweise die Wiederherstellung von Auen in Fließgewässern“, erläutert Robert Arlinghaus.
Nationalen Champions mit Chance auf Millionenförderung:
Die Nationalen Champions für wissenschaftliche Durchbrüche im Bereich Nachhaltigkeit wurden von einer Jury aus 100 renommierten Nachhaltigkeitsforscher*innen weltweit unter Vorsitz von Professor Johan Rockström vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) ausgewählt. Die Nationalen Champions werden nun in die Endrunde des Wettbewerbs einziehen, in der im Juni 2025 drei internationale Champions vorgestellt werden, die jeweils 1 Mio. USD für ihre weitere Forschung erhalten.
Prof. Robert Arlinghaus, IGB und HU Berlin
robert.arlinghaus@igb-berlin.de
+49 30 64181-653
Radinger, J., Matern, S., Klefoth, T., Wolter, C., Feldhege, F., Monk, C.T., Arlinghaus, R. 2023. Ecosystem-based management outperforms species-focused stocking for enhancing fish populations. Science, 379, 6635, 946-951. https://www.science.org/doi/10.1126/science.adf0895
https://www.igb-berlin.de/news/nationaler-frontiers-planet-prize-fuer-robert-arl...
Flachwasserzonen und Totholzbündel schaffen neue Lebensräume für Fische und sind effektiver als der ...
Thomas Klefoth
Thomas Klefoth
IGB-Forscher Prof. Robert Arlinghaus
Stefan Klenke
Stefan Klenke
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars
Biology, Environment / ecology, Geosciences, Zoology / agricultural and forest sciences
transregional, national
Contests / awards
German
Flachwasserzonen und Totholzbündel schaffen neue Lebensräume für Fische und sind effektiver als der ...
Thomas Klefoth
Thomas Klefoth
IGB-Forscher Prof. Robert Arlinghaus
Stefan Klenke
Stefan Klenke
You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.
You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).
Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.
You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).
If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).