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04/23/2025 11:25

Waldelefant statt Wildschwein? Was in Europa hätte sein können

Theresa Hübner Pressestelle
Universität Bayreuth

    Auch unter heutigen Klimabedingungen könnten in Europa die längst ausgerotteten europäischen Waldelefanten leben. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie. Ein Forschungsteam des Lehrstuhls für Sportökologie an der Universität Bayreuth hat dazu Fossilfunde mit Rekonstruktionen des vergangenen Klimas kombiniert. Über ihre Ergebnisse berichten die Forschenden im Fachjournal Frontiers of Biogeography.

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    What for?

    Unsere Wahrnehmung der Natur wird von dem geprägt, was wir in unserem Umfeld erleben. Ökosysteme ohne direkte menschliche Einflussnahme werden als „natürlich“ wahrgenommen. Berücksichtigt man die Erkenntnisse, die von Fossilien gewonnen werden können, wird klar, dass sich Ökosysteme heutzutage selbst ohne direkten menschlichen Einfluss deutlich von den Ökosystemen unterscheiden, in welchen sich vor Jahrtausenden die Arten unserer Landschaften entwickelt haben. Studien wie die des Bayreuther Forschungsteams zeigen die Bedeutung der Erforschung vergangener Ökosystemen für Naturschutz: Durch das Verständnis, wie sich Klima- und Umweltveränderungen historisch auf große Säugetiere ausgewirkt haben, lassen sich Rückschlüsse für heutige Naturschutzmaßnahmen ableiten.
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    Elefanten gehören zu den größten Landsäugetieren der Erde und werden oftmals als sogenannte Ökosystemingenieure bezeichnet, da sie ihre Umgebung beispielsweise durch Fraß, Trampeln oder Graben nachhaltig verändern. Auch Europa hatte einen Elefanten: Der europäische Waldelefant (Palaeoloxodon antiquus) lebte für ca. 700.000 Jahre auf unserem Kontinent. Die Art überlebte mehrere Eiszeiten, bevor sie in der letzten wegen der zusätzlichen Bejagung durch Menschen ausgerottet wurde. Während seiner Lebenszeit hat der europäische Waldelefant dazu beigetragen, dass offene Flächen und lichte Wälder die Landschaft Europas geprägt haben. Dementsprechend sind auch viele heimische Pflanzenarten heutzutage an solche Bedingungen angepasst.

    „Der deutsche Name ,Waldelefant‘ entstammt der Annahme, dass diese Art bevorzugt in bewaldeten Regionen Europas lebte. Fossilfunde zeigen jedoch, dass P. antiquus oft in offenen oder halboffenen Habitaten mit mosaikartiger Vegetation lebte, ähnlich wie moderne Elefanten“, sagt Prof. Dr. Manuel Steinbauer, Inhaber des Lehrstuhls für Sportökologie an der Universität Bayreuth.

    Um die Lebensweise von P. antiquus und insbesondere seinen tatsächlichen Lebensraum – die sogenannte realisierte Nische – zu rekonstruieren, durchsuchte das Forschungsteam die wissenschaftliche Literatur sowie paläontologische Datenbanken nach Fossilfunden von P. antiquus, die den sogenannten Marine Isotope Stages zugeordnet werden konnten. Marine Isotope Stages sind Zeitabschnitte in der Erdgeschichte, welche die Klimageschichte widerspiegeln, da sie Warm- bzw. Kaltzeiten repräsentieren. Das Bayreuther Forschungsteam ordnete Fossilfunde aus ganz Europa einer Warm- oder Kaltzeit zu und rekonstruierte anhand von Klimamodellen in diesen Zeiten die realisierte Nische der Waldelefanten. Im Vergleich mit modernen Klimadaten zeigt sich: Die Waldelefanten könnten auch heute noch in Europa leben. Insbesondere das Klima in West- und Zentraleuropa wäre für den Waldelefanten geeignet, mit Ausnahme von Bergregionen wie den Alpen oder dem Kaukasus.

    „In der Vergangenheit waren Megafauna wie der Waldelefant und ihre Kontrollmechanismen, wie z.B. Fraß, allgegenwärtig. Viele europäische Arten – beispielsweise Pflanzen, die Offenland bevorzugen – haben sich sehr wahrscheinlich in ihrer Vielfalt in Europa etabliert können, weil sie von diesen Kontrollmechanismen profitiert haben. Klassische Naturschutzstrategien in Europa zielen in erster Linie darauf ab, biologische Vielfalt durch Schutzgebiete vor menschlichen Aktivitäten abzuschirmen. Allerdings ist diese Strategie wahrscheinlich nicht in der Lage, die verlorenen Kontrollmechanismen der Megafauna wiederherzustellen“, sagt Franka Gaiser, Doktorandin am Lehrstuhl für Sportökologie und Erstautorin der Studie. Moderne Naturschutzprojekte siedeln gezielt große Pflanzenfresser wieder in Europa an. Dies ist jedoch mit Herausforderungen verbunden, da die ökologischen Prozesse, die moderne Ökosysteme geprägt haben, noch nicht vollständig verstanden sind. Zudem können heutige große Pflanzenfresser nicht in vollem Umfang die Rolle der ausgestorbenen Megafauna übernehmen, da sich sowohl die Tiere selbst als auch Landschaftsstrukturen und Interaktionen zwischen Arten erheblich verändert haben.


    Contact for scientific information:

    Franka Gaiser
    Lehrstuhl für Sportökologie
    Universität Bayreuth
    E-Mail: franka.gaiser@uni-bayreuth.de


    Original publication:

    Franka Gaiser, Charlotte Müller, Paula Phan, Gregor Mathes, Manuel J. Steinbauer. Europe’s lost landscape sculptors: Today’s potential range of the extinct elephant Palaeoloxodon antiquus. Frontiers of Biogeography 18 (2025)
    DOI: https://doi.org/10.21425/fob.18.135081


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    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars, all interested persons
    Biology, Environment / ecology, Oceanology / climate, Zoology / agricultural and forest sciences
    transregional, national
    Research results
    German


     

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