Neue Studie
Personalknappheit: Oft spielen auch widrige Arbeitsbedingungen und fehlende Investitionen in Aus- und Weiterbildung eine Rolle
Dass in vielen Betrieben Arbeitskräfteknappheit herrscht, hängt auch mit unzureichenden Löhnen, widrigen Arbeitsbedingungen und fehlenden Investitionen in Aus- und Weiterbildung zusammen. Ein knappes Fünftel der Unternehmen mit Personalmangel baut sogar gleichzeitig Stellen ab. Einige verzichten anscheinend auf die Möglichkeit, über Qualifizierungen vorhandene Arbeitskräfte fit für neue Aufgaben zu machen.
Betriebs- und Personalräte setzen sich für eine vorausschauende Personalpolitik zur Fachkräftesicherung ein, ein Teil der Betriebe steuert mittlerweile um. Das zeigt eine neue Untersuchung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.*
Fachkräftemangel ist ein Problem, das Arbeitgeber regelmäßig beklagen. Wie sich die Situation aus Sicht der Beschäftigten darstellt, hat WSI-Forscherin Dr. Elke Ahlers untersucht. Dafür hat sie Daten der WSI-Betriebs- und Personalrätebefragung 2023, die sich auf über 3700 Betriebe mit mindestens 20 Beschäftigten beziehen, sowie der 13. Welle der WSI-Erwerbspersonenbefragung analysiert, an der mehr als 7000 Erwerbstätige und Arbeitsuchende Ende 2024 teilgenommen haben.
Der Auswertung zufolge sind Personalengpässe tatsächlich ein weit verbreitetes Phänomen: 92 Prozent der Arbeitnehmer*innenvertretungen berichten von entsprechenden Problemen in ihrem Betrieb, 83 Prozent geben an, dass Stellen länger als drei Monate unbesetzt geblieben sind. Von den befragten Erwerbspersonen arbeitet die Hälfte in einem Betrieb, der von Personalknappheit betroffen ist. Als Ursache nennen rund neun Zehntel der betrieblichen Interessenvertretungen zu wenige Bewerber*innen auf dem Arbeitsmarkt. Gleichzeitig halten 53 Prozent der Betriebsräte und 65 Prozent der Personalräte unattraktive Arbeitskonditionen für ein Problem. Unzureichende Löhne stellen laut 45 beziehungsweise 47 Prozent ein Hindernis dar. Ungünstige Arbeitszeiten machen in der Privatwirtschaft 40 Prozent der Interessenvertretungen verantwortlich, im öffentlichen Dienst 22 Prozent, zu wenig Aus- und Weiterbildung jeweils 36 Prozent.
Ein „scheinbares Paradox“ bestehe darin, dass es teilweise parallel zu Entlassungen und Personalengpässen kommt, schreibt Ahlers. 18 Prozent der Betriebe, bei denen Stellen seit über drei Monaten vakant sind, bauen nach Angaben der Betriebs- und Personalräte andererseits Personal ab. Offenbar nutzen einige Arbeitgeber nicht die Möglichkeit, mit vorhandenen Arbeitskräften auf veränderte Anforderungen zu reagieren, beispielsweise durch Umschulungen. „Solche Befunde legen nahe, dass ein Teil der Arbeitgeber zwar über Arbeitskräftemangel klagt, aber noch nicht verstanden hat, dass Investition in die Beschäftigten ein wichtiger Lösungsansatz ist“, sagt dazu Prof. Dr. Bettina Kohlrausch, wissenschaftliche Direktorin des WSI.
–Teufelskreis aus Personalmangel und schlechteren Arbeitsbedingungen droht–
Personalengpässe wirken sich der Studienautorin Elke Ahlers zufolge sowohl betriebswirtschaftlich als auch auf die Arbeitsbedingungen aus. 93 Prozent der befragten Interessenvertretungen nennen als eine Konsequenz, dass Beschäftigte mehr arbeiten müssen. Nach Angabe von 60 Prozent der Betriebsräte und 67 Prozent der Personalräte können betriebliche Pläne nicht umgesetzt, laut 26 beziehungsweise 47 Prozent Aufträge nicht erfüllt werden. Von den betroffenen Erwerbspersonen stimmen 37 Prozent der Aussage voll und ganz zu, dass Mehrarbeit und Arbeitsintensität durch den Personalmangel zunehmen. 27 Prozent bestätigen, dass die Qualität der Arbeitsergebnisse leidet, 25 Prozent, dass die Fehlzeiten zunehmen, 23 Prozent, dass das Betriebsklima sich verschlechtert. Damit drohe ein Teufelskreis, heißt es in der Studie: Zunehmender Arbeitsdruck erhöht Unzufriedenheit, Ausfälle und Fluktuation und verschärft so die Personalnot.
Mittlerweile werden etliche Gegenmaßnahmen erprobt: 30 Prozent aller Betriebe gehen laut den Arbeitnehmer*innenvertretungen gezielt gegen den Fachkräftemangel vor, weitere 11 Prozent planen das. Von den Betrieben, die aktiv werden, bieten 73 Prozent mehr Weiterbildung an, 59 Prozent mehr Ausbildungsplätze, 70 Prozent Homeoffice, 63 Prozent flexible Arbeitszeiten. Mit höheren Löhnen versuchen es 36 Prozent, 29 Prozent senken die Anforderungen an Bewerber*innen. Personal aus anderen Regionen werben 58 Prozent an, aus dem Ausland 29 Prozent.
„Personalengpässe und Fachkräftesicherung sind für die betrieblichen Interessenvertretungen zentrale Themen“, so Ahlers. Um das Problem in den Griff zu bekommen, sei eine vorausschauende Personalpolitik nötig, die auch auf Aus- und Weiterbildung setzt. Gleichzeitig bedürfe es attraktiver Arbeitsbedingungen. Bessere Kinderbetreuungsangebote wären geeignet, mehr Frauen eine Berufstätigkeit zu ermöglichen. Darüber hinaus könnten passfähigere Arbeitszeiten und ein partizipatives Gesundheitsmanagement zur Linderung des Fachkräftemangels beitragen.
Dr. Elke Ahlers
WSI-Expertin für Arbeit und Gesundheit
Tel.: 0211-7778-344
E-Mail: Elke-Ahlers@boeckler.de
Rainer Jung
Leiter Pressestelle
Tel.: 0211-7778-150
E-Mail: Rainer-Jung@boeckler.de
*Elke Ahlers: Personalengpässe: Was tun Betriebe gegen den Fachkräftemangel? WSI-Report Nr. 103, April 2025. Download: https://www.boeckler.de/de/faust-detail.htm?produkt=HBS-009115
Criteria of this press release:
Journalists
Economics / business administration, Politics, Social studies
transregional, national
Scientific Publications, Transfer of Science or Research
German
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