HIRI-Forschende entdecken neuartige Verbindung, die das Wachstum von Tumor-assoziierten Fusobakterien stoppt
Fusobakterien, die zur Mundflora gehören, stehen im Verdacht, das Wachstum von Krebs zu fördern. Wissenschaftler:innen des Helmholtz-Instituts für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) arbeiten daher an innovativen Strategien, um die Ausbreitung dieser Bakterien zu hemmen. Sogenannte Antisense-Moleküle, die wie programmierbare, zielgenaue Antibiotika wirken könnten, stellen einen vielversprechenden Ansatz dar. In einer Studie gelang es dem Forschungsteam von Jörg Vogel nun, eine Verbindung zu identifizieren, die das Wachstum von fünf Fusobakterienarten zuverlässig stoppt. Die Ergebnisse wurden heute im Fachmagazin mBio veröffentlicht.
Das Mikrobiom im menschlichen Mund setzt sich aus mehr als 700 Bakterienarten aus sieben verschiedenen Stämmen zusammen – darunter auch Fusobacterium nucleatum. Aber nicht nur in der Mundhöhle ist diese Mikrobe zu finden. Sie kann auch andere Bereiche des Körpers besiedeln – insbesondere Tumorgewebe bei Speiseröhren-, Darm- und Brustkrebs. Es gibt Hinweise darauf, dass Fusobacterium nucleatum dort das Tumorwachstum sowie die Metastasenbildung fördert. Die Verbreitung dieser und anderer Fusobakterien gezielt zu hemmen, könnte sich daher positiv auf die Heilungschancen von Krebspatient:innen auswirken. Doch wie lässt sich das erreichen? Diese Frage haben sich Wissenschaftler:innen des Helmholtz-Instituts für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) in Würzburg, einem Standort des Braunschweiger Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Kooperation mit der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU), gestellt.
„Fusobakterien fanden lange Zeit wenig Beachtung – und das trotz ihrer klinischen Bedeutung“, stellt Jörg Vogel fest, Geschäftsführender Direktor des HIRI und korrespondierender Autor der vorliegenden Studie. „Ein Ziel meiner Arbeitsgruppe am HIRI ist es, Strategien zu untersuchen, die diese Mikroben in Karzinomen gezielt beseitigen können.“
Maßgeschneiderte Antibiotika
Obwohl herkömmliche Antibiotika in der Lage sind, die Verbreitung von Fusobakterien zu hemmen und dadurch das Tumorwachstum zu verlangsamen, kann ihr langfristiger Einsatz unerwünschte Nebenwirkungen wie Magen-Darm-Probleme durch eine gestörte Darmflora hervorrufen. Dies liegt daran, dass sie nicht nur schädliche, sondern auch nützliche Bakterien angreifen. Deshalb suchen Wissenschaftler:innen am Würzburger Helmholtz-Institut nach neuen, gezielten Behandlungsmethoden, die diese Risiken vermeiden. In ihrer aktuellen Studie, die sie in mBio, einem Fachmagazin der Amerikanischen Gesellschaft für Mikrobiologie, veröffentlicht haben, konzentrieren sie sich auf Peptidnukleinsäure (PNA, von engl. peptide nucleic acid). Dabei handelt es sich um künstlich hergestellte Moleküle, die DNA oder RNA ähneln. Im Gegensatz zu natürlichen Nukleinsäuren besteht das Rückgrat von PNAs jedoch nicht aus Zucker- und Phosphatgruppen, sondern aus einer proteinartigen Struktur. Diese Struktur, die kurzen Proteinketten – sogenannten Peptiden – ähnelt, verleiht PNAs eine außergewöhnliche Stabilität. Die Basen entsprechen denen in DNA, was es den PNAs ermöglicht, Transkripte gezielt anzusteuern. Als sogenannte Antisense-Moleküle binden PNAs an die komplementäre Boten-RNA (mRNA, von engl. messenger RNA) eines Zielgens und blockieren deren Funktion. Auf diese Weise unterbinden sie die Produktion lebenswichtiger Proteine. Diese gezielte Wirkungsweise positioniert PNAs als potentielle Vertreter einer neuen Generation antibakterieller Wirkstoffe.
Eine unverhoffte Entdeckung
Die eingeschleusten Antisense-Moleküle, die gezielt Gene angreifen sollten, konnten das Bakterienwachstum zwar nicht wie angenommen hemmen, allerdings machte das Forschungsteam eine unerwartete Entdeckung: Die Kontrollverbindung FUS79, die nicht auf ein bestimmtes Transkript abzielte, zeigte eine starke Wirkung gegen fünf Fusobakterienstämme, ohne andere getestete Bakterienarten zu beeinflussen. „Das Ergebnis war überraschend, da die Verbindung nicht auf die für Antisense-Nukleinsäureketten erwartete Weise agiert, sondern einen neuen Mechanismus aufweist“, erklärt Valentina Cosi, Erstautorin der Studie und Doktorandin im Labor von Jörg Vogel. „Dieser scheint über Membranstress zu wirken, indem er die Struktur der Zellmembran destabilisiert oder ihre Funktion beeinträchtigt, was jedoch noch genauer untersucht werden muss.“ „Als nächsten Schritt wollen wir den genauen Wirkmechanismus dieser Verbindung entschlüsseln und sie optimieren, um ihre Wirksamkeit noch weiter zu steigern“, ergänzt Jörg Vogel.
Die Studie liefert eine Grundlage für die Entwicklung von Antisense-Therapeutika gegen F. nucleatum und zeigt, dass diese Verbindung eine neue Strategie für gezieltere Antibiotika bieten könnte. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen dazu beitragen, Forschung auf diesem Gebiet zu beschleunigen und zukünftig die Heilungschancen bei verschiedenen Krebsarten zu verbessern.
Förderung
Die Autor:innen Valentina Cosi und Falk Ponath wurden im Rahmen des Fellowship-Programms der Würzburger Vogel Stiftung Dr. Eckernkamp gefördert. Unterstützt wurde die Studie ferner aus Mitteln des Gottfried Wilhelm Leibniz-Preises der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) an Jörg Vogel sowie des Projekts Rbiotics im Bayerischen Forschungsnetzwerk bayresq.net. Die Forschung wurde außerdem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Cluster4Future-Programm (an Linda Popella und Jörg Vogel) und von der DFG über den Sonderforschungsbereich DECIDE (an Jörg Vogel) gefördert.
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Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung:
Das Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) ist die weltweit erste Einrichtung ihrer Art, die die Forschung an Ribonukleinsäuren (RNA) mit der Infektionsbiologie vereint. Auf Basis neuer Erkenntnisse aus seinem starken Grundlagenforschungsprogramm will das Institut innovative therapeutische Ansätze entwickeln, um menschliche Infektionen besser diagnostizieren und behandeln zu können. Das HIRI ist ein Standort des Braunschweiger Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Kooperation mit der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) und befindet sich auf dem Würzburger Medizin-Campus. Weitere Informationen unter https://www.helmholtz-hiri.de/de/.
Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung:
Wissenschaftler:innen am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) untersuchen in Braunschweig und an anderen Standorten in Deutschland bakterielle und virale Infektionen sowie die Abwehrmechanismen des Körpers. Sie verfügen über fundiertes Fachwissen in der Naturstoffforschung und deren Nutzung als wertvolle Quelle für neuartige Antiinfektiva. Als Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft und des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) betreibt das HZI translationale Forschung, um die Grundlagen für die Entwicklung neuartiger Therapien und Impfstoffe gegen Infektionskrankheiten zu schaffen. https://www.helmholtz-hzi.de
Pressekontakt:
Luisa Härtig
Manager Communications
Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI)
Josef-Schneider-Str. 2 / D15
97080 Würzburg
+49 931 31 86688
luisa.haertig@helmholtz-hiri.de
Cosi V, Jung J, Popella L, Ponath F, Ghosh C, Barquist L, Vogel J (2025) An antisense oligomer conjugate with unpredicted bactericidal activity against Fusobacterium nucleatum. mBio, DOI: 10.1128/mbio.00524-25
https://doi.org/10.1128/mbio.00524-25
Elektronenmikroskopieaufnahme von Fusobakterien
HZI/Mathias Müsken
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars
Biology, Chemistry, Medicine
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
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