Die Parkinson-Erkrankung ist durch das Absterben dopaminerger Nervenzellen gekennzeichnet. Als Ursache steht neben Umwelt- und Altersfaktoren die Genetik im Fokus der Forschung, insbesondere Mutationen in den Genen SNCA, LRRK2, Parkin, PINK1 und GBA1. Die Identifikation genetischer Risikofaktoren ermöglicht die Entwicklung von Biomarkern zur Früherkennung und ebnet den Weg für innovative gentherapeutische Ansätze.
Beim Workshop „Genetics and Biomarker in Parkinsons´s Disease“ der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG) e.V. im April 2025 am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. (DZNE) in Tübingen diskutierten renommierte Expertinnen und Experten aktuelle Forschungsergebnisse.
Rolle der Mitochondrien bei Parkinson
Einer der Ansatzpunkte der aktuellen Forschung sind die Mitochondrien. Sie sind als "Kraftwerke der Zelle“ nicht nur für die Energieversorgung, sondern auch für den Zellstoffwechsel und die Steuerung des Zelltods verantwortlich. Studien zeigen, dass Störungen der mitochondrialen Funktion maßgeblich zum Untergang dopaminerger Nervenzellen beitragen und somit eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Parkinson spielen könnten. Als Ursache gelten Defekte in den beiden Parkinson-assoziierten Genen PINK und Parkin, die gemeinsam die Entsorgung geschädigter Mitochondrien (Mitophagie) und damit „Säuberung“ der Zelle steuern. Forschungsprojekte, wie das internationale Konsortium PD-MitoQUANT [1] und das deutsche Verbundprojekt MitoPD [2] , untersuchen gezielt, wie mitochondriale Fehlfunktionen zur Parkinson-Pathologie beitragen. Ziel ist es, mitochondriale Endophänotypen zu identifizieren, Biomarker für die Frühdiagnose zu entwickeln und neue therapeutische Angriffspunkte zu finden. Untersucht werden auch klinische Ansätze zur Stabilisierung der Mitochondrienfunktion, wie die Einnahme von Vitamin K2 [3] oder Coenzym Q10. Zudem gilt die Anzahl mitochondrialer DNA-Kopien im Blut als vielversprechender Biomarker [4] für Diagnose und Prognose bei Parkinson.
Durchbruch der Biomarker-Forschung: Frühdiagnose im Hirnwasser
Ein Meilenstein der Biomarkerforschung als Basis für die Entwicklung gentherapeutischer Ansätze waren schon 2018 und im Mai 2023 die Ergebnisse einer Studie, in der Forschende mithilfe eines neuen Seed Amplification Assay (SAA) erstmals fehlgefaltetes α-Synuklein im Liquor (Hirnwasser) von Parkinson-Patienten nachweisen konnten [5]. Der SAA-Test ermöglicht eine frühe wissenschaftliche Diagnose und erreicht eine Genauigkeit von 97 Prozent. Zudem lassen sich je nach genetischer Ursache unterschiedliche SAA Profile im Hirnwasser identifizieren. „Da es derzeit tatsächlich erste Studien gibt mit Impfungen gegen fehlgefaltete Formen des α-Synuklein, könnte es schon bald wichtig und entscheidend sein, Aussagen darüber treffen zu können, bei wem fehlgefaltetes α-Synuklein die Erkrankung im Einzelfall wie stark antreibt“, erklärte Prof. Kathrin Brockmann, erste Vorsitzende der DPG. Mittlerweile gelingt der Nachweis per SAA teils auch weniger invasiv in Blut, Haut oder Schleimhaut.
Blutbasierte Proteinanalyse bringt die Frühdiagnose weiter voran
Einen weiteren Durchbruch markiert ein neuer Bluttest, der mithilfe künstlicher Intelligenz acht Proteine identifiziert, die mit Entzündungsprozessen und dem Abbau defekter Proteine assoziiert sind [6]. „In ihrer spezifischen Zusammensetzung im Blut können sie eine Parkinson-Erkrankung bei acht von zehn Risikopatienten mehrere Jahre im Voraus vorhersagen. Zusätzlich sind die Markerproteine mögliche Ziele für neue Therapien“, erklärte Prof. Brit Mollenhauer, dritte Vorsitzender der DPG und Chefärztin der Paracelsus-Elena-Klinik Kassel. In einer Langzeitstudie entwickelten 18 von 72 Risikopatienten innerhalb eines Jahres nach Studienende tatsächlich Parkinson. Ziel ist es nun, diese Biomarker-basierten Tests in die klinische Routine zu überführen und bevölkerungsbasierte Daten zu erheben.
Individuelle Risikoprofile
Die Entstehung von Parkinson wird durch ein Zusammenspiel genetischer und externer Faktoren beeinflusst. Während bei den seltenen erblichen Formen der Erkrankung Mutationen in Genen wie SNCA, LRRK2, Parkin und PINK1 die Krankheitsentstehung maßgeblich beeinflussen, stehen bei der häufigen sporadischen Form neben genetischen Veränderungen auch Umweltfaktoren, das Mikrobiom und Lebensstil im Fokus. Besonders relevant ist dabei das GBA1-Gen: Zehn Prozent der deutschen Parkinson-Patienten tragen hier genetische Veränderungen, wobei das Erkrankungsrisiko je nach Variante variiert und meist weitere auslösende Faktoren notwendig sind. Die Entwicklung von Biomarkern ermöglicht, zwischen den jeweils beteiligten Stoffwechselwegen und den zugrundeliegenden Pathologien zu unterscheiden und gezielt zu bestimmen, welche Menschen höchstwahrscheinlich von einem bestimmten Therapieansatz profitieren. „Aus den Profilen der genetischen Formen gewinnen wir Erkenntnisse für die vielen Menschen, die an sporadischem Parkinson erkrankt sind. Denn die Stoffwechselwege sind im Prinzip dieselben“, erklärt Prof. Brockmann.
Die Entschlüsselung der komplexen Mechanismen der Parkinson-Erkrankung bleibt eine Herausforderung – doch die aktuellen Fortschritte machen Hoffnung auf wirksame, personalisierte Therapien für die Zukunft. „Künftige Therapien werden maßgeblich auf Erkenntnissen der Genetik und Biomarkern basieren“, ist Prof. Kathrin Brockmann überzeugt.
Literatur
[1] https://www.pdmitoquant.eu/
[2] https://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/mitopd-mitochondriale-endophanotypen...
[3] Prasuhn J, Kasten M, et. al. The Use of Vitamin K2 in Patients With Parkinson's Disease and Mitochondrial Dysfunction (PD-K2): A Theranostic Pilot Study in a Placebo-Controlled Parallel Group Design. Front Neurol. 2021 Jan 11;11:592104. doi:10.3389/fneur.2020.592104.
[4] Jo S, Oh JH, Lee EJ, et al. Mitochondrial DNA Copy Number as a Potential Biomarker for the Severity of Motor Symptoms and Prognosis in Parkinson's Disease. Mov Disord. 2025;40(3):502-510. doi:10.1002/mds.30098
[5] Siderowf A, Concha-Marambio L, Lafontant DE, et al. Assessment of heterogeneity among participants in the Parkinson's Progression Markers Initiative cohort using α-synuclein seed amplification: a cross-sectional study. Lancet Neurol. 2023;22(5):407-417. doi:10.1016/S1474-4422(23)00109-6
[6] Hällqvist J, Bartl M, Dakna M, et al. Plasma proteomics identify biomarkers predicting Parkinson's disease up to 7 years before symptom onset. Nat Commun. 2024;15(1):4759. Published 2024 Jun 18. doi:10.1038/s41467-024-48961-3
Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen e. V. (DPG)
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Die Deutsche Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG) fördert die Erforschung der Parkinson-Krankheit und verbessert die Versorgung der Patientinnen und Patienten. Organisiert sind in der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaft Parkinson-Ärztinnen und -Ärzte, Grundlagenfor-scher:innen und andere Berufsgruppen mit einschlägiger qualifizierter Ausbildung. Die Zusammenarbeit ist entscheidend für die Fortschritte in Diagnostik und Therapie. Die DPG finanziert ihre Arbeit ausschließ-lich über Spenden. Sie kooperiert eng mit der von ihr im Jahr 2019 gegründeten Parkinson Stiftung. Jeder finanzielle Beitrag bringt die Erforschung der Parkinson-Krankheit weiter voran. www.parkinson-gesellschaft.de
1. Vorsitzende: Prof. Dr. med. Kathrin Brockmann, Tübingen
2. Vorsitzender: Prof. Dr. med. Joseph Claßen, Leipzig
3. Vorsitzende: Prof. Dr. med. Brit Mollenhauer, Kassel
Schriftführer: Prof. Dr. med. Carsten Eggers, Bottrop
Schatzmeister: Prof. Dr. med. Lars Tönges, Bochum
Deutsche Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen e. V. (DPG)
Hauptstadtbüro, Budapester Straße 7/9, 10787 Berlin, E-Mail: info@parkinson-gesellschaft.de
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars
Medicine, Nutrition / healthcare / nursing
transregional, national
Research results, Scientific conferences
German
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