Spannungsabhängige Kalziumkanäle stehen mit zahlreichen Erkrankungen in Verbindung. Eine neue Forschungsgruppe unter der Leitung von Nadine Ortner vom Institut für Pharmazie der Universität Innsbruck untersucht Genmutationen, die Funktionsstörungen eines Kanal-Subtyps namens CaV1.3 verursachen. Das fünfköpfige, interdisziplinäre Team wird vom FWF mit 1,64 Millionen Euro gefördert.
Spannungsabhängige Kalziumkanäle sind Proteine in der Zellmembran und regulieren den Einstrom von Kalzium-Ionen in die Zelle. Sie kommen unter anderem in Nerven-, Herz-, Muskel- und endokrinen Drüsenzellen vor und sind für eine Reihe von physiologischen Prozessen verantwortlich, zum Beispiel für die Freisetzung von Neurotransmittern oder Hormonen. Viele spannungsabhängige Kalzium-Kanäle sind gut untersucht und man weiß, welche Fehlfunktionen welche Krankheiten verursachen. Anders ist dies bei CaV1.3 und dem dazugehörigen Gen CACNA1D, das den Bauplan für diesen Subtyp liefert. „Vor etwa 25 Jahren wurde hier an der Uni Innsbruck bei Mäusen das Gen CACNA1D ausgeschaltet. Bei den Tieren hat man dann Taubheit und leichte Herzfunktionsstörungen beobachtet, was 11 Jahre später auch in Patientinnen und Patienten mit genetischem Funktionsverlust der Cav1.3 Kanäle bestätigt wurde“, erzählt Nadine Ortner, die Leiterin der neuen Forschungsgruppe vom Arbeitsbereich Pharmakologie und Toxikologie. Bei dieser Erkenntnis blieb es jedoch zunächst. „Vor zwölf Jahren gab es dann erstmals Berichte von zwei Kindern, die eine Mutation von CACNA1D und eine seltene Gehirnentwicklungsstörungen sowie hormonelle Störungen hatten. Man war total überrascht, denn man kannte die Zusammenhänge nicht“, führt die Wissenschaftlerin aus.
Schlüssel für grundlegende biomedizinische Mechanismen
Heute ist die Ausgangslage für die Forschung eine andere: Genmutationen werden leichter erkannt, da die Möglichkeiten zur Sequenzierung wesentlich effizienter geworden sind und für Diagnosen auch genutzt werden. Obwohl genetische Varianten des CACNA1D Gens bei Patient:innen mit Hirnentwicklungsstörungen nach wie vor selten sind, werden sie zunehmend häufiger diagnostiziert – nicht zuletzt durch das Bewusstsein für diese Krankheits-Assoziation dank veröffentlichter Studien und Fallberichte. „Unterschiedliche pathogene Varianten verursachen diverse Funktionsveränderungen von CaV1.3. Diese sind wiederum mit ganz unterschiedlichen klinischen Phänotypen assoziiert.“ Die Bandbreite der Krankheitsbilder ist groß und reicht von leicht vermindertem IQ und Formen von Autismus bis hin zu schweren Entwicklungsverzögerungen, autoaggressivem Verhalten, hormonellen Störungen und täglichen epileptischen Anfällen. „Mithilfe unserer Forschung hoffen wir, besser zu verstehen, wie spezifische Funktionsveränderungen zu bestimmten Symptomatiken führen“. Die mit CACNA1D assoziierten Krankheiten zählen zu den sogenannten „Rare Diseases“, die in der Forschung oft wenig Beachtung finden, worunter vor allem Betroffene leiden. Mit der neu gegründeten Forschungsgruppe, die Expertisen aus der Pharmazie und Stammzell-Forschung, Genomik und Informatik vereint, soll sich das nun ändern. Beteiligt sind neben Nadine Ortner folgende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von der Universität Innsbruck: Frank Oliver Stefan Edenhofer und Christopher Esk (Institut für Molekularbiologie), Petronel Tuluc und Stefanie Geisler (Institut für Pharmazie). Sie untersuchen CACNA1D mithilfe unterschiedlicher Herangehensweisen. Durch den multisystemischen Ansatz soll nicht nur ein ganzheitliches Bild dieser seltenen Erkrankung erforscht werden, sondern auch grundlegende Erkenntnisse über andere, sogenannte „Calcium-Channelopathies“ gewonnen werden. Auch die Erfahrungen betroffener Patient:innen werden entsprechend miteinbezogen. „Wir arbeiten eng mit einem patientenorganisierten Kollektiv zusammen und stehen im ständigen Austausch mit Betroffenen und ihren Familien sowie behandelnden Ärzten“, betont Ortner. „Wir präsentieren dort unsere Forschung und umgekehrt bekommen wir auch ein realistisches Bild vom Alltag der Betroffenen.“
Ganzheitliches Bild durch Multi-System Ansatz
Die am 12. Mai offiziell gestartete Forschungsgruppe untersucht die durch Mutationen von CACNA1D verursachten Fehlfunktionen von CaV1.3 in unterschiedlichen Modellsystemen entsprechend der jeweiligen Expertise der beteiligten Forscherinnen und Forscher: Nadine Ortner beobachtet die Auswirkungen einer milden Variante von CACNA1D in einem von ihr entwickelten Mausmodell, in dem sie bereits einige Abweichungen – auch auf Zellebene – beobachten konnte, die auch im menschlichen Krankheitsspektrum vorkommen. Stammzell-Experte Frank Edenhofer vom Institut für Molekularbiologie hat eine induzierbare pluripotente Stammzellenlinie entwickelt, die es ermöglicht, aus Patient:innen-Stammzellen verschiedene spezifizierte Zelltypen zu erzeugen. Christopher Esk arbeitet mit diesen sowie neu erschaffenen Stammzellen mit verschiedenen CACNA1D Mutationen weiter und entwickelt daraus sogenannte Gehirnorganoide, 3D-Strukturen, die dem menschlichen Gehirn ähneln und es ermöglichen frühe Gehirnentwicklungsstörungen zu untersuchen. Stefanie Geislers Expertise liegt im Bereich der Elektrophysiologie; sie erforscht Fehlfunktionen der elektrochemischen-Signalübertragung in den aus Patienten-Stammzellen kultivierten Nervenzellen im hochauflösenden Detail. Petronel Tuluc bringt seine Expertise für die Untersuchung Hormon sekretierender Zellen ein und arbeitet Daten und Erkenntnisse der anderen Teammitglieder in ein Computermodell, das künftig bestimmte Experimente ersetzen und die Forschung, aber auch die Entwicklung medikamentöser Behandlungen auf diesem Gebiet vereinfachen könnte. „Wir bringen die verschiedenen Modellsysteme systematisch zusammen um Krankheits-auslösende Mechanismen und mögliche therapeutische Strategien zu untersuchen, das hat in Hinblick auf Channelopathies noch niemand in dieser Form gemacht. Unser experimenteller Ansatz und erwartete Ergebnisse sind daher auch für andere Ionenkanal-bezogene Erkrankungen von Bedeutung“, zeigt sich Nadine Ortner begeistert. „Obwohl die zu erwartenden Forschungsergebnisse den unterstützenden Betroffenen vermutlich nicht mehr direkt zugutekommen werden, kommunizieren wir in unserem regelmäßigen Austausch, dass ihre Beteiligung für zukünftigen Patienten von erheblichem Nutzen sein wird.“
Mag. Nadine J. Ortner, PhD
Forschungsgruppenleiterin und Post-Doc
Institut für Pharmazie der Universität Innsbruck
Email: Nadine.Ortner@uibk.ac.at
Phone: +43-(0)512-507 - 58815
https://www.uibk.ac.at/en/pharmazie/pharmakologie/calciumchannelprojects/nadine-...
V.l.: Frank Edenhofer, Stefanie Geisler, Nadine Ortner, Petronel Tuluc und Christopher Esk, Petronel ...
Eva Fessler
Universität Innsbruck
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars, all interested persons
Biology, Medicine
transregional, national
Research projects
German
V.l.: Frank Edenhofer, Stefanie Geisler, Nadine Ortner, Petronel Tuluc und Christopher Esk, Petronel ...
Eva Fessler
Universität Innsbruck
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