idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
05/12/2025 16:09

Warum es so schwierig ist, Mikroben im Labor zu kultivieren

Ute Kehse Presse & Kommunikation
Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg

    In mikrobiellen Ökosystemen existieren einer neuen Studie zufolge Kipppunkte, an denen schon kleine Störungen ausreichen, um einen Zusammenbruch zu verursachen. Die Autoren vom Helmholtz-Institut für Funktionelle Marine Biodiversität an der Universität Oldenburg beschreiben Mikrobengemeinschaften als Netzwerk, in dem unterschiedliche Populationen Stoffwechselprodukte miteinander austauschen. Dieses Geflecht gegenseitiger Abhängigkeiten kann abrupt kollabieren, wenn einzelne Populationen verloren gehen, so das Ergebnis. Dieser Mechanismus könnte eine Erklärung dafür sein, warum mikrobielle Vielfalt im Labor nur schwer aufrechtzuerhalten ist, schreiben die Forscher in der Zeitschrift PNAS.

    Mikrobielle Ökosysteme – etwa im Meerwasser, im Boden oder im menschlichen Darm – sind erstaunlich vielfältig, doch bislang gelingt es Forschenden nur selten, diese Vielfalt im Labor nachzubilden: Viele Mikroorganismen sterben ab, wenn man sie zu kultivieren versucht. Eine neue Studie von zwei Forschern des Helmholtz-Instituts für Funktionelle Marine Biodiversität an der Universität Oldenburg (HIFMB) bietet nun eine mögliche Erklärung: Die Biodiversitätswissenschaftler Dr. Tom Clegg und Prof. Dr. Thilo Gross kommen zu dem Schluss, dass das Überleben der Mikroben nicht allein von ihren individuellen Bedürfnissen abhängt, sondern vielmehr von einem verborgenen Beziehungsgeflecht, das schon durch kleine strukturelle Änderungen zum Kollabieren gebracht werden kann. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift PNAS erschienen.

    In ihrer Arbeit betrachten die Forscher Mikrobengemeinschaften vereinfacht als Netzwerk, in dem unterschiedliche Populationen durch den Austausch von Stoffwechselprodukten miteinander verbunden sind: Jede Art benötigt Nährstoffe und gibt gleichzeitig Stoffe ab, die von anderen als Nahrung benötigt werden. Dieses komplexe Geflecht modellierten Clegg und Gross mit Methoden der Netzwerktheorie – einem mathematischen Verfahren, das ursprünglich aus der Physik stammt und dort eingesetzt wird, um das Verhalten komplexer Systeme zu verstehen.

    Das Ergebnis der Analyse: Im Modell kann der Verlust einzelner Populationen das gesamte Netzwerk zusammenbrechen lassen, wobei die Mikrobengemeinschaft relativ abrupt in einen Zustand geringerer Vielfalt übergeht. „Ein solcher Kollaps lässt sich als Kipppunkt verstehen, ähnlich wie ein Blackout in einem Stromnetz oder der Zusammenbruch der Lieferketten während der Coronapandemie“, erläutert Hauptautor Clegg.

    Der Versuch, eine Mikrobengemeinschaft im Labor zu kultivieren, stelle eine solche Störung dar: Wenn etwa bei einer Probennahme nicht alle Mitglieder einer natürlichen Lebensgemeinschaft erfasst werden, fallen sie als Hersteller von Stoffwechselprodukten aus, die wiederum für andere Arten lebensnotwendig sind. „Unsere Studie konzentriert sich auf die Struktur dieser Wechselwirkungen und liefert neue Einblicke darüber, warum es so schwierig ist, die Vielfalt mikrobieller Gemeinschaften im Labor zu erhalten“, erklärt Thilo Gross.

    Zwar hätten Forschende schon lange vermutet, dass gegenseitige Abhängigkeiten eine entscheidende Rolle dabei spielen, ob sich Mikroben im Labor kultivieren lassen oder nicht. Die aktuelle Studie zeige jedoch zum ersten Mal, wie sich diese Verflechtungen in komplexen Gemeinschaften als Ganzes auswirken – und dass Gemeinschaften selbst in einer Umgebung wie einer Laborkultur, in der es genug Ressourcen gibt, zusammenbrechen können, wenn das Netz ihrer gegenseitigen Beziehungen gestört wird. Das Modell zeige zudem, dass sich solche Systeme unter Umständen selbst dann nicht erholen, wenn alle nötigen Ressourcen wieder verfügbar sind. „Es geht nicht nur darum, was individuelle Mikroben brauchen, sondern von wem sie abhängen“, betont Clegg. „Die Gemeinschaft gedeiht oder kollabiert als Ganzes.“


    Contact for scientific information:

    Dr. Thomas Clegg, E-Mail: thomas.clegg@hifmb.de
    Prof. Dr. Thilo Gross, Tel.: 0471/4831-2526, E-Mail: thilo.gross@hifmb.de


    Original publication:

    Thomas Clegg, Thilo Gross: „Cross-feeding creates tipping points in microbiome diversity“, Proceedings of the National Academy of Sciences Vol. 122, No. 19, https://doi.org/10.1073/pnas.2425603122


    More information:

    https://hifmb.de


    Images

    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars, Students, Teachers and pupils, all interested persons
    Biology, Environment / ecology, Geosciences, Oceanology / climate
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).