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05/13/2025 09:00

Taillenumfang ist bei Männern noch aussagekräftiger für übergewichtsbedingtes Krebsrisiko als der BMI

Theresa Mair Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Medizinische Universität Innsbruck

    Wer übergewichtig ist, hat ein höheres Risiko an Krebs zu erkranken. Eine Analyse von rund 340.000 PatientInnendaten, die Josef Fritz von der Medizinischen Universität Innsbruck mit Kolleginnen in Schweden durchgeführt hat, zeigt nun, dass bei Männern die Messung des Taillenumfangs das Risiko, an Adipositas bedingtem Krebs zu erkranken, noch genauer anzeigt als der Body-Mass-Index. Bei Frauen trifft das nicht zu. Die Ergebnisse stellt Fritz heute beim Europäischen Adipositas Kongress vor.

    Innsbruck, 13. Mai 2025: Der Body-Mass-Index (BMI), ein Wert, der sich aus dem Verhältnis von Körpergröße und Gewicht ergibt, ist ein anerkannter Marker, um Übergewicht zu messen und das damit verbundene Risiko für bestimmte Adipositas bedingte Krebsformen zu kalkulieren. Neue Forschungsergebnisse des Biostatistikers und Epidemiologen Josef Fritz von der Medizinischen Universität Innsbruck zeigen nun, dass der Taillenumfang von Männern ein noch aussagekräftigerer Risikofaktor für die Entwicklung von Adipositas bedingtem Krebs ist als der BMI. Auf Frauen trifft diese Erkenntnis jedoch nicht zu. Die Studie „Comparing waist circumference with body mass index on obesity-related cancer risk: a pooled Swedish study“ wurde kürzlich vom Journal of the National Cancer Institute (JNCI) veröffentlicht. Beim derzeit laufenden Europäischen Adipositas Kongress (ECO) in Málaga wird Fritz heute die Resultate präsentieren.

    Für die Analyse wertete Fritz, der am EpiCenter (Direktor: Peter Willeit) der Medizin Uni Innsbruck und an der Universität Lund in Schweden tätig ist, gemeinsam mit seinen schwedischen Kolleginnen Ming Sun und Tanja Stocks die Daten von 339.190 Personen (Durchschnittsalter 51,4 Jahre) aus, die zwischen 1981 und 2019 in verschiedenen schwedischen Bevölkerungsgruppen erhoben wurden und glich diese mit den Krebsdiagnosen des schwedischen Krebsregisters ab. Während einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 14 Jahren nach Erhebung des BMI und des Taillenumfangs wurden 18.185 Adipositas bedingte Krebserkrankungen registriert.

    Als Adipositas bedingte Krebsarten gelten laut Definition der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) jene, für die es ausreichend Beweise für den Zusammenhang mit Übergewicht gibt: Speiseröhren-, Magen-, Dickdarm-, Rektum-, Leber-, Gallengangs-, Gallenblasen-, Bauchspeicheldrüsen-, Brust-, Gebärmutterschleimhaut-, Eierstock- und Schilddrüsenkrebs sowie das Nierenzellkarzinom, das Meningeom und das multiple Myelom.

    Bauchfett ist bei Männern entscheidend
    Die Analyse der aufbereiteten Messdaten ergab bei Männern einen eindeutigen Unterschied der Aussagekraft von Taillenumfang und BMI hinsichtlich der Risikobewertung für die Entwicklung von Adipositas bedingten Krebsformen: So war ein um etwa 11 Zentimeter größerer Taillenumfang (z.B. von 101 Zentimetern gegenüber 90 Zentimetern) mit einem um 25 Prozent höheren Risiko verbunden, an übergewichtsbedingtem Krebs zu erkranken. Ein BMI-Anstieg um 3,7 kg/m² (z. B. ein Vergleich eines BMI von 27,7 kg/m² gegenüber 24 kg/m²) entsprach hingegen lediglich einem um 19 Prozent erhöhtem Risiko. Die beiden Werte – 11 Zentimeter beim Taillenumfang und 3,7 kg/m² beim BMI – entsprechen jeweils etwa einer Standardabweichung in der untersuchten Population und sind daher direkt vergleichbar.

    „Der BMI sagt nichts über die Verteilung des Körperfetts aus, während der Taillenumfang ein Hinweis für abdominales Fett („Bauchfett“) ist. Diese Unterscheidung ist entscheidend, da das abdominale Fett, das sich um die Bauchorgane ansammelt, stoffwechselaktiver ist und mit weiteren gesundheitlichen Nachteilen wie Insulinresistenz, Entzündungen und erhöhten Blutfettwerten in Verbindung gebracht wird. Folglich können Personen mit ähnlichem BMI unterschiedliche Krebsrisiken aufweisen, je nach Fettverteilung“, erklärt Fritz das Ergebnis. Dieses würde darauf hindeuten, dass das Krebsrisiko, das mit dem Taillenumfang und damit mit abdominalem Bauchfett verbunden ist, spezifisch ist und nicht allein mit dem BMI gemessen werden kann.

    Taillenumfang bei Frauen weniger aussagekräftig
    Bei Frauen fielen die Ergebnisse der Messungen hinsichtlich des Krebsrisikos für den Taillenumfang und für den BMI jedoch ähnlich aus. Zum Beispiel war sowohl ein um etwa 12 Zentimeter größerer Taillenumfang (z.B. 92 Zentimeter gegenüber 80 Zentimeter) als auch ein um 3,7 kg/m² erhöhter BMI (z. B. BMI 28,3 kg/m² gegenüber 24 kg/m²) gleichermaßen mit einem um 13 Prozent erhöhten Risiko verbunden, an Adipositas bedingtem Krebs zu erkranken.

    „Das hat uns zunächst selber überrascht. Eine plausible Erklärung ist, dass Männer dazu neigen, Fett viszeral, also direkt um die Bauchorgane, zu speichern, während Frauen im Allgemeinen mehr subkutanes Fett (unter der Haut, Anm.) an der Taille und peripheres Fett ansammeln. Folglich ist der Taillenumfang bei Männern ein genaueres Maß für viszerales Fett als bei Frauen. Dies könnte den Taillenumfang zu einem stärkeren Risikofaktor für Krebs bei Männern machen und erklären, warum der Taillenumfang bei Männern zusätzliche Risikoinformationen liefert, die über das hinausgehen, was durch den BMI vermittelt wird – bei Frauen jedoch nicht“, interpretiert Fritz das Ergebnis. „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Fettverteilung bei der Einschätzung des Krebsrisikos stärker berücksichtigt werden sollten. Weitere Forschung ist notwendig, um diese biologischen Unterschiede besser zu verstehen“, schließt er daraus.

    Statistische Herausforderung
    Selbst Laien können den BMI unkompliziert berechnen (Körpergewicht in kg geteilt durch Körpergröße zum Quadrat (m²), siehe z.B.: https://adipositas-gesellschaft.de/bmi/). Der Taillenumfang hingegen lässt sich schwieriger präzise und konsistent messen. „Messfehler führen dazu, dass der tatsächliche Effekt unterschätzt wird – die Ergebnisse werden gewissermaßen verwässert. Um den BMI und den Taillenumfang direkt vergleichen zu können, haben wir die Daten statistisch bereinigt und die zufälligen Messfehler mithilfe der sogenannten Regression Dilution Ratio-Methode korrigiert“, erklärt Studienleiter Fritz. Bei der Berechnung des relativen Risikos für übergewichtsbedingten Krebs berücksichtigten die WissenschafterInnen außerdem weitere Einflussfaktoren, darunter Alter, Rauchverhalten sowie sozioökonomische Merkmale wie Bildung, Einkommen, Geburtsland und Familienstand.


    Contact for scientific information:

    Dipl.-Ing. Josef Fritz PhD
    Institut für Klinische Epidemiologie, Public Health, Gesundheitsökonomie, Medizinische Statistik und Informatik
    E-Mail: Josef.Fritz@i-med.ac.at


    Original publication:

    Ming Sun et al., Comparing waist circumference with body mass index on obesity-related cancer risk: a pooled Swedish study, JNCI: Journal of the National Cancer Institute, 2025, djaf075, https://doi.org/10.1093/jnci/djaf075


    More information:

    https://experts.i-med.ac.at/experte/josef-fritz/ Über Josef Fritz
    https://epicenter.i-med.ac.at/ Website EpiCenter Innsbruck


    Images

    Josef Fritz
    Josef Fritz
    David Bullock
    MUI


    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars, all interested persons
    Medicine, Social studies
    transregional, national
    Research results
    German


     

    Josef Fritz


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