idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
05/14/2025 20:00

Greifmuster unserer Vorfahren

Sandra Jacob Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie

    Forschende haben in Südafrika neue Hinweise darauf gefunden, wie unsere fossilen menschlichen Verwandten ihre Hände benutzt haben könnten. Unter der Leitung von Samar Syeda, Postdoc am American Museum of Natural History, und in Zusammenarbeit mit Forschenden des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie, der University of the Witwatersrand, der University of Kent, der Duke University und der National Geographic Society hat das Team Unterschiede in der Morphologie der Fingerknochen untersucht und festgestellt, dass südafrikanische Homininen nicht nur unterschiedlich geschickt waren, sondern auch unterschiedliche Kletterfähigkeiten besaßen.

    Auf den Punkt gebracht

    - Unterschiedlicher Gebrauch der Hände: Zwei frühe Verwandte des Menschen, Australopithecus sediba und Homo naledi, hatten eine unterschiedliche Morphologie der Fingerknochen, was darauf hindeutet, dass sie sowohl beim Werkzeuggebrauch als auch beim Klettern unterschiedlich zugriffen.

    - Innerer Aufbau der Fingerknochen: A. sediba zeigt eine Mischung aus menschenaffen- und menschenähnlichen Merkmalen, während H. naledi ein einzigartiges Muster der Knochendicke aufweist, was auf unterschiedliche Belastungsmuster und mögliche Griffarten hindeutet.

    - Evolution des Menschen: Die Vorfahren des Menschen haben sich in vielfältiger Weise an ihre Umwelt angepasst, indem sie Werkzeuggebrauch, Nahrungsverarbeitung und Fortbewegung miteinander in Einklang brachten. Traditionelle Vorstellungen eines linearen Übergangs vom aufrechten Gang zum fortgeschrittenen Werkzeuggebrauch werden durch die neuen Erkenntnisse in Frage gestellt.

    Im Mittelpunkt der neuen Studie stehen zwei nahezu vollständige fossile Handskelette, die in Südafrika gefunden wurden. Bei dem einen handelt es sich um die Hand eines Australopithecus sediba, die erstmals 2010 in der Fundstätte Malapa entdeckt und auf ein Alter von etwa zwei Millionen Jahren datiert wurde. Das andere Handskelett stammt von dem jüngeren, aber vielleicht noch rätselhafteren Homo naledi, der erstmals 2015 tief im Höhlensystem Rising Star gefunden und auf ein Alter von etwa 250.000 Jahren datiert wurde.

    Keiner der beiden Homininen wurde bisher in direktem Zusammenhang mit Steinwerkzeugen gefunden, aber mehrere Aspekte ihrer Hand- und Handgelenksmorphologie deuten darauf hin, dass sie eine manuelle Geschicklichkeit besaßen, die der des Menschen sehr viel ähnlicher war als der von heutigen Schimpansen und Gorillas. „Da Steinwerkzeuge in Südafrika bereits aus der Zeit vor mindestens 2,2 Millionen Jahren gefunden wurden (in Ostafrika sogar vor 3,3 Millionen Jahren) und viele Primaten ausgezeichnete Nutzer von Steinwerkzeugen sind, ist es nicht verwunderlich, dass auch A. sediba und H. naledi geschickte Werkzeugnutzer waren. Wie genau sie Werkzeuge benutzten und ob sie ihre Werkzeuge auf ähnliche Weise handhabten, ist jedoch unklar“, sagt Tracy Kivell, leitende Autorin der Studie.

    Darüber hinaus wurden von beiden Arten, A. sediba und H. naledi, zahlreiche Skelettknochen gefunden, die menschenaffenähnliche Merkmale aufweisen, insbesondere Knochen der oberen Extremitäten, die beim Klettern von Vorteil gewesen sein könnten. In der Paläoanthropologie ist seit langem umstritten, ob diese Merkmale auf eine tatsächliche Kletterfähigkeit dieser Arten zurückzuführen sind oder ob es sich lediglich um evolutionäre Überreste eines kletternden Vorfahren handelt.

    Fossile Hände geben Aufschluss über frühes menschliches Verhalten

    Um diese Fragen zu beantworten, untersuchten Syeda und ihr Team die Unterschiede in der inneren Struktur - der Kortikalis - der Finger von A. sediba und H. naledi. Knochen ist ein lebendes Gewebe, das seine Struktur im Laufe des Lebens an die Beanspruchung und Belastung des Skeletts anpassen kann. An Stellen, die stärker belastet werden, wird er dicker, an weniger belasteten Stellen dünner. Unterschiede in der Dicke der inneren Kortikalis können daher neue Erkenntnisse darüber liefern, wie diese beiden Homininenfossilien ihre Hände während ihres Lebens tatsächlich genutzt haben könnten.

    „Wir haben festgestellt, dass A. sediba und H. naledi unterschiedliche funktionelle Merkmale in der kortikalen Knochenstruktur ihrer Finger aufweisen“, sagt Samar Syeda, Erstautorin der Studie. Bei A. sediba ähnelt die Verteilung des kortikalen Knochens in den proximalen und mittleren Gliedern der meisten Finger denen von Menschenaffen. Die Knochen des Daumens und des kleinen Fingers ähneln jedoch eher denen des Menschen. Syeda folgert daraus, dass „diese beiden Finger eher Signale für eine potenzielle Nutzung widerspiegeln, da sie beim Klettern oder bei der Fortbewegung in hängender Position weniger verwendet oder beansprucht werden. Wenn wir diese Ergebnisse mit dem bemerkenswert langen, menschenähnlichen Daumen von A. sediba in Beziehung setzen, deutet dies darauf hin, dass A. sediba seine Hand sowohl für den Gebrauch von Werkzeugen und andere Geschicklichkeit erfordernde Tätigkeiten als auch zum Klettern benutzte“.

    Hände des Homo naledi mit einzigartigem Greifmuster

    Im Gegensatz dazu zeigt H. naledi überraschenderweise menschenähnliche Merkmale in den proximalen Fingerknochen (den Knochen, die mit der Handfläche verbunden sind), während die mittleren Fingerknochen (die Knochen in der Mitte der Finger) eher menschenaffenähnliche Merkmale aufweisen. „Dieses eindeutige Muster hat uns überrascht und deutet darauf hin, dass H. naledi wahrscheinlich verschiedene Teile seiner Finger auf unterschiedliche Weise benutzte und belastete“, sagt Syeda. Diese Art der Beanspruchung ist typisch für bestimmte Griffarten, die auch heute noch verwendet werden, wie zum Beispiel der von Kletterern häufig genutzte Crimp-Griff, bei dem die Oberfläche hauptsächlich nur mit den Fingerspitzen gegriffen wird. H. naledi hat auch ungewöhnlich stark gekrümmte Fingerknochen, insbesondere für einen Homininen, der etwa zur gleichen Zeit lebte wie die frühesten Mitglieder unserer Spezies, Homo sapiens. Dies ist ein weiterer Hinweis darauf, dass er seine Hände zur Fortbewegung benutzte.

    Auch wenn weitere Untersuchungen erforderlich sind, um zu klären, ob H. naledi möglicherweise crimpähnliche Griffe benutzte oder auf Felsen kletterte, ist klar, dass es in der paläolithischen Landschaft Südafrikas während der gesamten menschlichen Evolution verschiedene Möglichkeiten gab, die verbesserte Geschicklichkeit beim Gebrauch von Werkzeugen und bei der Verarbeitung von Nahrung mit der fortbestehenden Notwendigkeit zu kombinieren, die Hände zum Klettern zu benutzen, sei es an Bäumen oder Felsen. „Diese Studie liefert weitere Belege dafür, dass die menschliche Evolution kein linearer Übergang vom aufrechten Gang zur immer besseren Nutzung von Werkzeugen ist, sondern vielmehr durch verschiedene 'Experimente' gekennzeichnet ist, die das Bedürfnis nach Interaktion mit und Fortbewegung in den damaligen Lebensräumen in Einklang brachten“, sagt Kivell.


    Contact for scientific information:

    Dr. Samar Syeda
    American Museum of Natural History, New York &
    Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, Leipzig
    ssyeda@amnh.org

    Prof. Dr. Tracy Kivell
    Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, Leipzig
    tracy_kivell@eva.mpg.de


    Original publication:

    Samar M. Syeda, Christopher J. Dunmore, Matthew M. Skinner, Lee R. Berger, Steven E. Churchill, Bernhard Zipfel, Tracy L. Kivell
    Phalangeal cortical bone distribution reveals different dexterous and climbing behaviors in Australopithecus sediba and Homo naledi
    Science Advances, 14 May 2025, https://doi.org/10.1126/sciadv.adt1201


    Images

    Fossile Hände von Australopithecus sediba (ca. zwei Millionen Jahre alt) und Homo naledi (ca. 250.000 Jahre alt) zeigen, dass diese südafrikanischen Homininen über unterschiedliche Geschicklichkeit und Kletterfähigkeiten verfügten.
    Fossile Hände von Australopithecus sediba (ca. zwei Millionen Jahre alt) und Homo naledi (ca. 250.00 ...

    © Tracy Kivell


    Criteria of this press release:
    Journalists
    Biology, History / archaeology
    transregional, national
    Research results
    German


     

    Fossile Hände von Australopithecus sediba (ca. zwei Millionen Jahre alt) und Homo naledi (ca. 250.000 Jahre alt) zeigen, dass diese südafrikanischen Homininen über unterschiedliche Geschicklichkeit und Kletterfähigkeiten verfügten.


    For download

    x

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).