idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
09/03/2004 16:23

Rein in die Zukunft: 20 Jahre Reinst- und Mikroproduktion am Fraunhofer IPA

Dipl.-Theol. Jörg Walz Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA

    Technisches Know-how für den Wirtschaftsstandort Deutschland aufbauen, ausbauen und erhalten: Als die Abteilung "Reinraumtechnik" 1984 ihre Arbeit aufnahm, stand dabei die Halbleiterindustrie im Mittelpunkt. Heute geht es generell um Produktionstechnik in reinen Umgebungen - u. a. von der Medizin- über die Mikrosystem- bis hin zur Nanotechnik.

    Am Anfang ging es um Fertigungstechnik für Halbleiter: "1984 bekamen zwei Fraunhofer-Institute vom Bundesforschungsministerium den Auftrag, zu klären, warum der deutsche Maschinenbau zwar in sehr vielen Bereichen weltweit eine Spitzenstellung einnimmt, jedoch nicht in der Halbleiterproduktion", erinnert sich Institutsleiter Prof. Rolf Dieter Schraft an die Geburtsstunde der Abteilung "Reinst- und Mikroproduktion" am Fraunhofer IPA. Die Spitzenstellung hatten 1984 Japan und die USA inne. Sie stellten den Löwenanteil der Halbleiter her und aufgrund der günstigen Rahmenbedingungen in beiden Ländern hatte sich dort auch eine starke Fertigungsgeräteindustrie etabliert. Die meisten Halbleiterhersteller in Deutschland bezogen ihre Anlagen mittlerweile aus den USA und Japan. Als sie Anfang der 80er Jahre begannen, den Wettbewerbern in Übersee ernsthaft Konkurrenz zu machen, wurde es immer schwieriger von dort neue Fertigungsgeräte zu bekommen. Dieses Manko hätte für die deutschen Halbleiterhersteller bald das Aus bedeutet. Es galt, die eigene - hauptsächlich mittelständische - Geräteindustrie schnell zu stärken und weiter auszubauen. Viele Gerätehersteller kamen aus der Feinmechanik, Elektronik oder Messtechnik. Von dort brachten sie zwar beste handwerkliche Voraussetzungen mit, die Studie ergab jedoch, dass ihnen Know-how vor allem in Sachen Reinraumtauglichkeit von Geräten, Geräteautomatisierung, Geräte- und Prozessentwicklung sowie Prozesserprobung und Prozessautomatisierung fehlte.

    Das Bundesministerium für Forschung und Technologie stellte daraufhin einen mehrstelligen Millionenbetrag für die Einrichtung entsprechender Forschungs- und Entwicklungsschwerpunkte an den beiden Fraunhofer-Instituten zur Verfügung. So entstand am Fraunhofer IPA die Abteilung "Reinraumtechnik" mit ca. 15 Mitarbeitern, die im September ihr 20-jähriges Bestehen feiert. "In den ersten Jahren beschäftigten wir uns vor allem mit Anlagenentwicklung und -optimierung, Materialfluss und Logistik im Reinraum, Partikelmesstechnik, Medienver- und -entsorgung sowie neuen Reinraum- und Fertigungssteuerungskonzepten. Etwas später kam der Schwerpunkt modularisierte Fertigungsgeräte hinzu", berichtet Abteilungsleiter Dr. Johann Dorner. Aus der Abteilung "Reinraumtechnik" wurde im Laufe der Jahre die Abteilung "Reinst- und Mikroproduktion" mit heute über 50 Mitarbeitern. Die Themen sind im Wesentlichen dieselben geblieben. Stark erweitert hat sich dagegen der Kundenkreis der Stuttgarter Reinraum-Experten. Zu den Halbleiter- und Halbleitergeräterherstellern gesellten sich u. a. Automobilzulieferer, Bio- und Medizintechnikunternehmen, die Optische, die Kommunikationstechnische und die Lebensmittelindustrie, Hersteller von Photovoltaik-Anlagen, Software-Entwickler, Reinraumplaner und Fertigungsausrüster.

    In den Fraunhofer IPA Reinräumen der ISO-Klassen 1 bis 6 und im Medien- und Strömungslabor haben die Halbleiter deshalb längst Konkurrenz bekommen. "Wir entwerfen, konstruieren und testen dort auch Automatisierungslösungen und Komponenten für die Mikrosystemtechnik oder Betriebsmittel für die Pharmaproduktion", sagt Dorner. Und das nicht nur für Großunternehmen: "Der überwiegende Teil unserer Auftraggeber und Projektpartner - gut 60 Prozent - kommt aus dem Mittelstand", betont er. So entwickelten die IPA-Ingenieure u. a. den kleinsten aktiven Reinraum der Welt für Meissner & Wurst, heute M + W Zander, Stuttgart, und ein flexibles photolitographisches Prozesszentrum für Convac, heute Süss-MicroTec Lithography GmbH, Vaihingen/Enz, das 1990 mit dem "SEMI-Europe-Award" ausgezeichnet wurde. Ein weiteres wichtiges Aufgabengebiet ist die Qualifizierung von Betriebsmitteln. Das Prüfsigel "Fraunhofer IPA tested Device" hat sich mittlerweile bei fast allen Reinraumbetreibern, -ausstattern und -geräteherstellern als aussagekräftiges Zeugnis über die Funktionalität, Zuverlässigkeit und Reinheitstauglichkeit ihrer Produkte etabliert. Welche Anforderungen an die Betriebsmittel gestellt werden, wissen die Reinraumexperten aus erster Hand: aus ihren Einsätzen in der Produktion und der Mitarbeit in zahlreichen Standardisierungs-Gremien u. a. von VDI, DIN, im ISO/TC 209 oder der internationalen Vereinigung der "Semiconductor Equipment and Materials Industry" SEMI. Einzelne Standards und Normen haben sie selbst geschrieben, z. B. die VDI 2083 Blatt 8: "Reinraumtechnik - Reinraumtauglichkeit von Betriebsmitteln".

    Die größten Kontaminationsquellen im Reinraum sind heute aber nicht mehr die Geräte. Es ist der Mensch. Einmal Niesen, eine ungeschickte oder zu schnelle Bewegung kann ausreichen, um eine ganze Produktcharge zu verunreinigen und damit unbrauchbar zu machen. Die Abteilung "Reinst- und Mikroproduktion" veranstaltet deshalb in regelmäßigen Abständen Personalschulungen bei Kunden vor Ort oder in den eigenen Reinräumen. Workshops, Seminare und die Projektarbeit sind jedoch nur zwei Wege, auf denen das am Institut erarbeitete Know-how der Wirtschaft zugute kommt. Ein weiterer, Fraunhofer-typischer Weg ist der "Wissenstransfer durch Köpfe". Die meisten Wissenschaftler bleiben nur begrenzte Zeit bei der Fraunhofer-Gesellschaft bevor sie - nicht selten nach ihrer Promotion - in die Industrie wechseln und ihre am Institut erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen in die Unternehmen tragen. Einige wagen auch den Sprung in die Selbstständigkeit. Der erste aus der Abteilung "Reinraumtechnik" war Dr. Wolfgang Schmutz. Er gründete 1989 die ACR Automation in Cleanroom GmbH in Niedereschach, die Handhabungs- und Prozessgeräte für die Photovoltaik-, Leiterplatten-, Flachdisplay- und Halbleiter-Industrie entwickelt, baut, integriert and wartet. ACR folgten fünf weitere Start-ups. Die sechs Unternehmen beschäftigen heute mehr als 70 Mitarbeiter bei einem Umsatz von insgesamt ca. 10 Mio Euro in 2003.

    Ihre erste Geschäftsidee oder zumindest einen Teil davon nahmen die Gründer meist aus ihrer Arbeit am Institut mit - in Form der Lizenz einer Entwicklung, an der sie selbst mitgearbeitet hatten. Wie beispielsweise 1997 vier Ingenieure, die sich mit der acp - advanced clean production GmbH, Esslingen, selbstständig machten: Basierend auf am Fraunhofer IPA erfundenen Verfahren, entwickelt, produziert und vertreibt acp u. a. CO2-Schneestrahlreinigungssysteme oder das Kontaminationsmesssystem "ParticleGuard". Diese Art der Kooperation findet aber nicht nur mit Unternehmen ehemaliger Fraunhofer IPA Mitarbeiter statt. "Unsere Aufgabe und unser Auftrag sind die Forschung und die Entwicklung. Deshalb endet unsere Arbeit i. d. R. beim Prototyp. Aus dem Prototyp ein Produkt zu machen ist Sache eines Unternehmens. Wir können diesen weiteren Weg bestenfalls begleiten", erklärt Johann Dorner. Letzteres setzt den Auftrag des Unternehmens voraus. Häufig findet bereits die Entwicklung im Auftrag statt: ca. 60 Prozent der Projekte der Abteilung Reinst- und Mikroproduktion sind Auftragsarbeiten für die Industrie, 30 Prozent sind öffentlich geförderte Projekte und rund 10 Prozent eigenfinanzierte Initiativen. Aus diesen FuE-Aktivitäten sind in den letzen 20 Jahren mehr als 30 Patente und Patentanmeldungen hervorgegangen (Stand Juli 2004).

    Die sog. "Eigenforschungsprojekte" dienen vor allem dazu, Know-how in Gebieten aufzubauen, die von der Industrie zwar noch nicht konkret nachgefragt werden, aber für die nahe Zukunft ein großes wirtschaftliches Potenzial versprechen. Unter ähnlichen Vorzeichen sieht Dorner die Auslands-Aktivitäten seiner Abteilung: "Die Globalisierung ist nicht nur ein wichtiges Thema für unsere Kunden. Wir müssen 'mitglobalisieren' und künftig mehr Projekte als bisher mit ausländischen Firmen oder deutschen Firmen im Ausland bearbeiten, wenn wir den Anschluss nicht verlieren wollen - denn manche Themen, wie beispielsweise die Entwicklung und Produktion von Flachbildschirmen, finden in Deutschland derzeit einfach nicht statt", bedauert er. "Nur so können wir Know-how für den Wirtschaftsstandort Deutschland aufbauen und erhalten, was nach wie vor unser wichtigstes Ziel ist. Daran hat sich in 20 Jahren nichts geändert".

    Die Abteilung "Reinst- und Mikroproduktion" im Internet:
    www.mikroproduktion.de und www.reinraumtauglichkeit.de

    Ihr Ansprechpartner für weitere Informationen:
    Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA
    Heike Schweikart
    Telefon: +49(0)711/970-1251, E-Mail: heike.schweikart@ipa.fraunhofer.de


    More information:

    http://www.mikroproduktion.de
    http://www.reinraumtauglichkeit.de


    Images

    Reinigung einer Leiterplatte mit CO2-Schnee  © Fraunhofer IPA
    Reinigung einer Leiterplatte mit CO2-Schnee © Fraunhofer IPA

    None

    Das Medien- und Strömungslabor sowie die Prüfreinräume der ISO-Klassen 1 bis 6 mit insgesamt 200 qm Grundfläche sind mit modernster Messtechnik ausgestattet.© Fraunhofer IPA/Anne Mildner
    Das Medien- und Strömungslabor sowie die Prüfreinräume der ISO-Klassen 1 bis 6 mit insgesamt 200 qm ...

    None


    Criteria of this press release:
    Information technology, Materials sciences, Mechanical engineering
    transregional, national
    Organisational matters, Personnel announcements
    German


     

    Reinigung einer Leiterplatte mit CO2-Schnee © Fraunhofer IPA


    For download

    x

    Das Medien- und Strömungslabor sowie die Prüfreinräume der ISO-Klassen 1 bis 6 mit insgesamt 200 qm Grundfläche sind mit modernster Messtechnik ausgestattet.© Fraunhofer IPA/Anne Mildner


    For download

    x

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).