Aufschlussreiche und längst überfällige Podiumsdiskussion zum Zeugnisverweigerungsrecht von Sozialarbeitenden im Social Innovation Lab der Hochschule Ludwigshafen
Am 7. Mai 2025 fand in der Ludwigshafener Innenstadt im gut besuchten Social Innovation Lab der HWG LU eine Podiumsdiskussion zum Thema „Zeugnisverweigerungsrecht für Sozialarbeitende im Strafprozess“ statt. Auf dem Podium saßen der Dortmunder Rechtsanwalt und Strafverteidiger Dr. Sven-U. Burkhardt, Professorin Dr. Helen Breit von der Evangelischen Hochschule Freiburg und der Sprecher des Bündnisses für ein Zeugnisverweigerungsrecht in der Sozialen Arbeit, Georg Grohmann. Die Moderation hatte die Professorin Dr. Ines Woynar von der Hochschule Ludwigshafen übernommen.
Aktualität hat diese Thematik durch eine Entscheidung des Amtsgerichts Karlsruhe vom 28. 10.2024 erlangt, das drei Mitarbeitende eines Fanprojekts wegen versuchter Strafvereitelung zu Geldstrafen verurteilt hat. Sie hatten sich nämlich geweigert, wegen ihres besonderen Vertrauensverhältnisses zu den Fans Zeugenaussagen im Zusammenhang mit dem so genannten „Pyro-Eklat“ bei einem Spiel des Karlsruher SC gegen St. Pauli im November 2022 zu machen. Damals waren mindestens 11 Zuschauerinnen und Zuschauer infolge des Abbrennens pyrotechnischer Elemente verletzt worden.
In seiner Begrüßung überraschte der Dekan des veranstaltenden Fachbereichs für Sozial- und Gesundheitswesen der Hochschule, Prof. Dr. Peter Rahn, mit seiner Aussage, dass er selbst bei dem damaligen Spiel, das mit 4 : 4 ausgegangen war, anwesend war. Er habe keinesfalls erwartet, dass aus den Vorgängen ein Strafprozess gegen die Sozialarbeitenden folgen würde. Sodann führte die Moderatorin Ines Woynar gut nachvollziehbar in die – nicht einfachen – gesetzlichen Grundlagen der Gerichtsentscheidung ein.
Es folgte eine ausführliche Erläuterung des Zeugnisverweigerungsrechts von Sozialarbeitenden im Strafprozess durch Sven-U. Burkhardt. Diese sind zwar nach § 203 Abs. 1 Nr. 6 StGB über Geheimnisse, die ihnen im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit anvertraut werden, zur Verschwiegenheit verpflichtet, im Strafprozess müssen sie über diese Vorgänge aber aussagen. Denn: In § 53 der Strafprozessordnung (StPO), der das Zeugnisverweigerungsrecht für bestimmte Berufsgruppen regelt, sind Sozialarbeitende – mit Ausnahme von Mitarbeitenden in Einrichtungen der Schwangerschaftskonfliktberatung – nicht aufgeführt. Dies ist vom Bundesverfassungsgericht in zwei Entscheidungen aus den Jahren 1972 und 1988 auch als verfassungskonform angesehen worden, das Gericht hat zwar ein Zeugnisverweigerungsrecht „eigener Art“ gesehen, das nach Burkhardt aber lediglich in ganz besonderen Ausnahmekonstellationen angenommen werden könne. Helen Breit wies darauf hin, dass es bei der Frage nach der Vertraulichkeit einer Beratung um den Kern Sozialer Arbeit gehe; ein Aufbau tragfähiger Beziehungen sei nicht möglich, wenn die Gefahr bestehe, dass in einem Strafprozess über Einzelheiten dieser Beratung berichtet werden müsse. Nach Georg Grohmann hat sich seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1972 viel geändert: Der Berufsstand habe sich professionalisiert und es gebe eine Reihe von Konzepten in der Sozialen Arbeit. Die Entscheidung würde daher sicher heute anders ausfallen. Dem Vorschlag von Ines Woynar, ein Zeugnisverweigerungsrecht für Sozialarbeitende zu schaffen, das in Anlehnung an die für sie geltende Strafvorschrift des § 203 StGB gestaltet werden sollte, konnten sich alle Diskutant:innen anschließen: Ein derartiges Zeugnisverweigerungsrecht würde sich auf Sozialarbeitende beschränken, die über die staatliche Anerkennung verfügen und denen ein Geheimnis anvertraut oder sonst bekannt würde. Diskutiert wurde auch die Frage, ob die Lösung nicht stattdessen über die Vorschrift des § 54 StPO gesucht werden könnte: Nach dieser Vorschrift benötigen Angehörige des öffentlichen Dienstes vor einer Aussage im Strafprozess eine Aussagegenehmigung des Vorgesetzten, die dann gegebenenfalls restriktiv gehandhabt werden könnte. Hier war sich das Podium aber darüber einig, dass Soziale Arbeit heutzutage häufig durch freie Träger ausgeübt werde, für die diese Vorschrift nicht gilt. So könnte diese Vorschrift also allein bei einer Erweiterung des Anwendungsbereichs Grundlage für eine Lösung der Thematik sein.
Es schloss sich eine rege Diskussion mit den Teilnehmenden an, die zeigte, dass die Problematik des (fehlenden) Zeugnisverweigerungsrechts von Sozialarbeitenden im Strafprozess längst nicht allein die Fanprojekte betrifft. Auch etwa in der Familien- oder Opferberatung oder im Streetwork zeigte sich in der Vergangenheit die hohe praktische Relevanz der Thematik. Die Veranstaltung machte deutlich, dass es an der Zeit ist, dass der Gesetzgeber sich dieser Thematik annimmt. Zugleich waren sich alle Beteiligten einig, dass die Hochschulen bei der weiteren Professionalisierung Sozialer Arbeit einen wichtigen Beitrag leisten können.
Prof. Dr. Andreas Rein
Professur für Recht der sozialen Leistungen
Fachbereich Sozial- und Gesundheitswesen
Tel. 0621/5203-534
andreas.rein@hwg-lu.de
Die Podiumsdiskussion im Social Innovation Lab war gut besucht
Jule Schulz
HWG LU
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars
Law, Social studies
transregional, national
Miscellaneous scientific news/publications
German
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