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05/21/2025 17:00

Live verfolgt: Wie Stress Krebszellen über Generationen verändert

Nathalie Huber Kommunikation
Universität Zürich

    Krebszellen reagieren auf Stress mit mehr Diversität. Wirkstoffe, die vor der Zellteilung die DNA-Verdoppelung stören, oder Strahlung, die DNA-Schäden verursacht, führen über Generationen hinweg zu immer unterschiedlicheren Tochterzellen. Das erhöht die genetische Komplexität des Tumors und die Resistenzbildung gegen Therapien. UZH-Forschende untersuchten das Entstehen von zellulärer Vielfalt nun in Echtzeit.

    Zellen sind die kleinsten Einheiten des Lebens. Doch auch im selben Gewebe oder Organ sind sie nicht alle identisch. Im Zuge der Zellteilungen entstehen laufend neue Variationen. Während bei genetischen Mutationen die DNA-Sequenz verändert wird, beeinflussen epigenetische Veränderungen die Genaktivität. Die so entstehende zelluläre Vielfalt ist zweischneidig: Einerseits hilft Heterogenität bei der Entwicklung und Anpassung an Stress. Andererseits kann sie zu Krankheiten wie Krebs führen oder die Wirksamkeit von Therapien verringern.

    Wie sich Krebszellen entwickeln in Echtzeit verfolgen
    Wie diese Unterschiede im Genom und in der epigenetischen Steuerung in Zellen entstehen, und wie sie an ihre Tochter- und Enkelzellen weitergegeben werden, ist noch nicht im Detail erforscht. Nun haben Forschende der Universität Zürich (UZH) eine Methode entwickelt, mit der sie am Mikroskop live verfolgen konnten, wie sich Zellen entwickeln und wie zelluläre Heterogenität über mehrere Zellgenerationen hinweg entsteht. Mithilfe der CRISPR-basierten Genomeditierung brachten sie an zwei Proteinen fluoreszierende Markierungen an: eine, um den Ablauf der DNA-Verdoppelung zu verfolgen, und eine, um erworbene DNA-Schäden zu markieren. «Wir konnten so über mehrere Zellgenerationen hinweg beobachten, wie Krebszellen auf verschiedene Stressfaktoren reagieren und wie dies die Heterogenität innerhalb der Zellpopulation erhöht», sagt Merula Stout, UZH-Doktorandin am Institut für Molekulare Mechanismen bei Krankheiten und Co-Erstautorin der Studie.

    Tochterzellen unterscheiden sich nach Stress mehrfach
    Zusätzlich zu den Echtzeitmessungen am Mikroskop untersuchten die Wissenschaftler:innen verschiedene Endpunkte – etwa das Ausmass von unterschiedlichen Stresssignalen in Tochter- und Enkelzellen. Diese Messungen überlagerten sie dann mit dem beobachteten Entwicklungsverlauf derselben Zellen. «Mithilfe solcher zellulärer Stammbaumanalysen konnten wir zeigen, dass sich Tochterzellen nach der Zellteilung nicht mehr synchron verhalten, wenn die Mutterzelle Stress ausgesetzt war», sagt Stout. Differenzen, so die Forscherin, fänden sich etwa beim Einsetzen und bei der Dauer der DNA-Verdoppelung sowie in der Produktion von Eiweissen, die den Zellzyklus regulieren. Diese Unterschiede setzten sich in der nächsten Zellgeneration fort und erhöhten so die Heterogenität in der Zellpopulation. DNA-Schäden und Stress wirken somit nicht nur kurzfristig, sondern haben auch langfristige Effekte auf die zelluläre Vielfalt.

    Mehrfache Genom-Kopien fördern Therapieresistenzen
    Die computergestützte Zellbeobachtung erlaubte den Forschenden auch direkte Einblicke, wie in Zellen Polyploidie entsteht. Bei diesem Vorgang erhalten Krebszellen mehrere Kopien des Genoms. Das wiederum erhöht die genetische Komplexität, wodurch sich die Zellen schneller anpassen und Resistenzmechanismen gegen Medikamente entwickeln können. Die Kombination von Echtzeit- und Endpunktmessungen zeigte, dass sich verschiedene Wege zur Polyploidie unterschiedlich auf die Stabilität des Erbguts auswirken, und dadurch die Fitness der Zellen beeinflussen. «Wir verstehen nun besser, wie Zellen mit mehrfachen Kopien ihres Genoms entstehen. Vielleicht lassen sich unsere Erkenntnisse nutzen, um die Wege, wie Polyploidie entsteht, zu beeinflussen und Therapien besser anzupassen», sagt UZH-Postdoc und Co-Erstautor Andreas Panagopoulos.

    Nur die Spitze des Eisbergs
    Die Studie zeigt erstmals detailliert, wie unterschiedliche Mechanismen die genetische Stabilität über mehrere Zellgenerationen hinweg beeinflussen und die Heterogenität zwischen einzelnen Zellen erhöhen können. Ziel des Forschungsteams von UZH-Professor Matthias Altmeyer ist es, die Methode in Zusammenarbeit mit den Technologieplattformen der UZH weiter auszubauen und zu automatisieren. «Insbesondere bei Forschungsfragen, bei denen es nicht primär um Durchschnittseffekte geht, sondern um Einzelzell- und komplexe Heterogenitätsanalysen, braucht es einen hohen Durchsatz und grosse Datenmengen für die Analyse, gegebenenfalls unterstützt durch KI. Sehr wahrscheinlich sehen wir zurzeit nur die sprichwörtliche Spitze des Eisbergs», sagt Studienleiter Altmeyer.

    Literatur
    Andreas Panagopoulos, Merula Stout et al. Multigenerational cell tracking of DNA replication and heritable DNA damage. Nature. 21 May 2025. DOI: https://doi.org/10.1038/s41586-025-08986-0

    Kontakt
    Prof. Dr. Matthias Altmeyer
    Institut für Molekulare Mechanismen bei Krankheiten
    Vetsuisse Fakultät und Mathematisch-naturwissenschaftliche Fakultät der Universität Zürich
    +41 44 635 54 91
    matthias.altmeyer@uzh.ch


    Contact for scientific information:

    Prof. Dr. Matthias Altmeyer
    Institut für Molekulare Mechanismen bei Krankheiten
    Vetsuisse Fakultät und Mathematisch-naturwissenschaftliche Fakultät der Universität Zürich
    +41 44 635 54 91
    matthias.altmeyer@uzh.ch


    Original publication:

    Andreas Panagopoulos, Merula Stout et al. Multigenerational cell tracking of DNA replication and heritable DNA damage. Nature. 21 May 2025. DOI: https://doi.org/10.1038/s41586-025-08986-0


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    Criteria of this press release:
    Journalists
    Biology, Medicine
    transregional, national
    Research results
    German


     

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