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05/26/2025 12:41

Hochoxidierte Produkte vom Isopren – Eine unterschätzte Quelle für Aerosole in der Atmosphäre?

Tilo Arnhold Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Leibniz-Institut für Troposphärenforschung e. V.

    Experimentelle Untersuchungen unter Atmosphärenbedingungen zeigen zwei wichtige Reaktionspfade beim Hydroxylradikal-initiierten Abbau des Isoprens, die hochoxidierte Peroxyradikale mit 8 bzw. 9 Sauerstoffatomen bilden und für die Produktion organischen Aerosols weltweit von Bedeutung sein können.

    Leipzig. Hochempfindliche Nachweismethoden erlauben immer tiefere Einblicke in komplexe chemische Prozesse in der Atmosphäre: Forscher am Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) in Leipzig fanden bei einer detaillierten Produktstudie zum oxidativen Abbau des Isoprens in der Gasphase eine Reihe neuer Produktkanäle, welche ein besseres mechanistisches Verständnis dieses wichtigen Prozesses für die Atmosphärenchemie erlaubt. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal Nature Communications veröffentlicht.

    Isopren (C5H8), hauptsächlich produziert von Laubwäldern, ist eine der bedeutendsten Nicht-Methan Verbindungen mit einer jährlichen Emissionsrate von etwa 600 Millionen Tonnen an Kohlenstoff, die in die Atmosphäre freigesetzt werden. Der Abbau des Isoprens erfolgt dort fast ausschließlich in der Gasphase über die Reaktion mit dem OH-Radikal, was als oxidatives Waschmittel der Atmosphäre angesehen wird. Dabei entstehen zuerst strukturell unterschiedliche HO-C5H8O2-Peroxyradikale, die miteinander im Gleichgewicht stehen. Trotz der immensen Bedeutung sind deren weitere Reaktionspfade bisher nicht vollständig verstanden. Reaktionen des Isoprens dominieren die Gasphasenprozesse besonders in den Tropen neben denen des Methans (CH4) und des Kohlenmonoxids (CO).

    Die Experimente am TROPOS wurden in einem großen Strömungssystem bei 1 bar Luft und Raumtemperatur durchgeführt. Dabei war die Reaktionsführung so ausgelegt, dass die Produktbildung für atmosphärische Konzentrationen der reaktiven Zwischenprodukte verfolgt werden konnte. Hochempfindliche Massenspektrometrie diente zum selektiven Nachweis der Bildung von Peroxyradikalen und stabilen Produkten. Die gute Übereinstimmung der Ergebnisse bei Verwendung verschiedener Ionisierungswege bestätigte die Zuverlässigkeit der Befunde.

    Die Ergebnisse der Untersuchungen im Labor in Leipzig waren größtenteils in Übereinstimmung mit dem bisherigen Wissensstand zum Abbau des Isoprens. Jedoch wurden einige C4- und C5-Produkte und deren Bildungspfade erstmalig beschrieben. Besonders interessant war die Verfolgung der Bildung hochoxidierter Peroxyradikale der Zusammensetzung C5H9O8 und C5H9O9, welche über sogenannte Autoxidationsprozesse auf einer kurzen Zeitskala von Sekunden gebildet werden. „Die molare Ausbeute der hochoxidierten Spezies in Abhängigkeit konkurrierender Prozesse liegt nur bei maximal 0.3 %, was erstmal vernachlässigbar erscheint“, so Dr. Torsten Berndt vom TROPOS, der die Experimente plante und durchführte. „Jedoch macht die riesige Emissionsrate an Isopren die Bildung an C5H9O8 und C5H9O9 möglicherweise sehr interessant auf absoluter Skala“ erklärt Berndt weiter.
    Um die Bedeutung dieser Reaktionspfade weiter zu beurteilen, wurden diese anschließend in ein globales Chemie-Klimamodel implementiert. Die durgeführten Modellsimulationen zeigten, dass global jährlich ca. 4 Millionen Tonnen an hochoxidierten Isopren-Peroxyradikalen (C5H9O8 und C5H9O9) gebildet werden. „Interessanterweise sind die modellierten Produktionsraten in der gleichen Größenordnung, wie die Bildung der analogen Produkte (C10H17O7 und C10H15O8,10) aus der Oxidation von α-Pinen. Dieser Bildungsweg wurde bisher als der wichtigste Prozess für die Bildung von hochoxidierten Gasphasenprodukten in der Atmosphäre angesehen“ fügen, die für die Globalmodellierung zuständigen Wissenschaftler, Dr. Erik Hoffmann und Dr. Andreas Tilgner hinzu.

    In einem weiteren Reaktionsschritt reagieren die C5H9O8- und C5H9O9-Radikale in der Atmosphäre hauptsächlich mit Stickstoffmonoxid (NO) und Hydroperoxyradikale (HO2). Die Reaktion mit NO führt bei Erhalt der chemischen C5-Struktur hautsächlich zur Bildung der entsprechenden hochoxidierten organischen Nitrate. Die Produktbildung im Falle der Reaktion mit HO2 ist bisher spekulativ und bedarf weiterer Untersuchungen.

    Abschließend betonen die Wissenschaftler, dass die neuen Forschungsbefunde eine Reihe an Fragen aufwerfen. Die hochoxidierten Produkte des Isoprens könnten eine Vielzahl an Prozessen wie das Wachstum atmosphärischer Aerosolpartikel und die sekundäre organische Massebildung beeinflussen. Diese Prozesse sind eng an wichtige Aerosol-Wolken-Wechselwirkungen sowie deren globale Klima- und Strahlungseffekte gekoppelt. Daher sind noch wesentlich mehr Studien erforderlich, um die Bedeutung der neuen Oxidationspfade und der resultierenden Produkte für die Atmosphäre hinreichend zu klären.

    Weitere Informationen und Links:

    Biogenes Aerosol
    https://www.tropos.de/institut/abteilungen/modellierung-atmosphaerischer-prozess...

    Der Amazonas-Regenwald als Wolkenmaschine (Pressemitteilung, 04.12.2024):
    https://www.tropos.de/aktuelles/pressemitteilungen/details/der-amazonas-regenwal...

    Forschungsquartett: Dufte Wolke - Wolken-Forschung am TROPOS (Podcast, 28.05.2015):
    https://detektor.fm/wissen/forschungsquartett-wolken-forschung-tropos

    DFG-Projekt: Auf dem Weg zu einem besseren DMS-Oxidationsmechanismus (ADOniS)
    https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/495046770?context=projekt&task=showDeta...;

    Direkter Weg der Schwefelsäurebildung in der Atmosphäre ohne SO2 (Pressemitteilung, 30.08.2023)
    https://www.tropos.de/aktuelles/pressemitteilungen/details/direkter-weg-der-schw...

    Neue Erkenntnisse zur größten natürlichen Schwefelquelle in der Atmosphäre (Pressemitteilung, 18.11.2019)
    https://www.tropos.de/aktuelles/pressemitteilungen/details/neue-erkenntnisse-zur...

    Freistrahl-Strömungssystem
    https://www.tropos.de/forschung/grossprojekte-infrastruktur-technologie/technolo...

    Das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft, die 96 selbständige Forschungseinrichtungen verbindet. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen.
    Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit.
    Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen - u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 21.300 Personen, darunter 12.200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
    Das Finanzvolumen liegt bei 2,2 Milliarden Euro. Finanziert werden sie von Bund und Ländern gemeinsam. Die Grundfinanzierung des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS) wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst (SMWK) getragen. Das Institut wird mitfinanziert aus Steuermitteln auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.
    http://www.leibniz-gemeinschaft.de
    https://www.bmbf.de/
    https://www.smwk.sachsen.de/


    Contact for scientific information:

    Dr. Torsten Berndt/ Dr. Erik H. Hoffmann/ Dr. Andreas Tilgner
    Wissenschaftliche Mitarbeiter, Abteilung Chemie der Atmosphäre (ACD), Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS), Leipzig
    Tel. +49-341-2717-7032, -7389, -7178
    https://www.tropos.de/institut/ueber-uns/mitarbeitende

    und
    Prof. Dr. Hartmut Herrmann
    Leiter, Abteilung Chemie der Atmosphäre (ACD), Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS), Leipzig
    Tel. +49-341-2717-7024
    https://www.tropos.de/institut/ueber-uns/mitarbeitende/hartmut-herrmann

    oder
    Tilo Arnhold, TROPOS-Öffentlichkeitsarbeit
    Tel. +49 341 2717-7189
    http://www.tropos.de/aktuelles/pressemitteilungen/


    Original publication:

    Berndt, T., Hoffmann, E.H., Tilgner, A. et al. Highly oxidized products from the atmospheric reaction of hydroxyl radicals with isoprene. Nat Commun 16, 2068 (2025). https://doi.org/10.1038/s41467-025-57336-1
    Die Untersuchungen wurden mit Ressourcen des Deutschen Klimarechenzentrums (DKRZ; Projekt-Nr. bb1128) unterstützt. Die Veröffentlichung als Open-Access-Publikation wurde durch das Projekt DEAL ermöglicht und realisiert


    More information:

    https://www.tropos.de/aktuelles/pressemitteilungen/details/hochoxidierte-produkt...


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    Laut der jetzt veröffentlichten Studie produzieren Laubbäume wie hier im Amazonas-Regenwald pro Jahr etwa 4 Millionen Tonnen hochoxidierte Peroxyradikale aus Isopren.
    Laut der jetzt veröffentlichten Studie produzieren Laubbäume wie hier im Amazonas-Regenwald pro Jahr ...
    Mira Pöhlker, TROPOS
    Mira Pöhlker, TROPOS

    Damit sind die Emissionen der Laubbäume vergleichbar mit denen der Nadelbäume, die eine vergleichbare Menge hochoxidierter Peroxyradikale aus α-Pinen produzieren. Beides trägt über Partikelbildung zum Entstehen von Wolken bei.
    Damit sind die Emissionen der Laubbäume vergleichbar mit denen der Nadelbäume, die eine vergleichbar ...
    Mira Pöhlker, TROPOS
    Mira Pöhlker, TROPOS


    Criteria of this press release:
    Journalists
    Biology, Chemistry, Environment / ecology, Geosciences, Oceanology / climate
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

    Laut der jetzt veröffentlichten Studie produzieren Laubbäume wie hier im Amazonas-Regenwald pro Jahr etwa 4 Millionen Tonnen hochoxidierte Peroxyradikale aus Isopren.


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    Damit sind die Emissionen der Laubbäume vergleichbar mit denen der Nadelbäume, die eine vergleichbare Menge hochoxidierter Peroxyradikale aus α-Pinen produzieren. Beides trägt über Partikelbildung zum Entstehen von Wolken bei.


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