Studie zu klimabedingten Umsiedlungen in Fidschi zeigt überraschend positive Effekte für Betroffene und liefert Ansatzpunkte für gerechtere Klimapolitik
Wie wirkt es sich auf das Wohlbefinden aus, wenn ein Teil einer Dorfgemeinschaft an einen neuen Ort umsiedelt – und der andere zurückbleibt? Eine Studie von Geograph*innen der Philipps-Universität Marburg beleuchtet genau dieses Phänomen an zwei Beispielen auf den Fidschi-Inseln. Das Ergebnis überrascht: Entgegen der verbreiteten Annahme, dass Umsiedlungen vor allem Belastung bedeuten, berichten viele Betroffene von positiven Erfahrungen. Teilumsiedlungen beeinflussen das Leben der Menschen auch Jahre später noch stark – doch nicht nur negativ. Die Ergebnisse zeigen, wie differenziert solche Prozesse ablaufen und wie wichtig es ist, Perspektiven der Betroffenen in politische Entscheidungen einzubeziehen. Das Forschungsteam um die Marburger Geographin Ann-Christine Link und Kolleg*innen aus Bonn, Australien und den Fidschi-Inseln berichten darüber in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazin Nature Communications Earth & Environment (DOI: 10.1038/s43247-025-02357-3).
Teilumsiedlungen – bei denen nur ein Teil einer Gemeinde umsiedelt – rücken im Zuge der Klimakrise zunehmend in den Fokus. Denn der steigende Meeresspiegel und extreme Wetterereignisse wie Zyklone und Sturmfluten machen ganze Regionen unbewohnbar. Doch nicht immer ist eine vollständige Umsiedlung möglich – oder von allen gewollt.
Der Inselstaat Fidschi besteht aus 332 Inseln, von denen 110 bewohnt sind. „Inzwischen wurden 50 Gemeinden identifiziert, die aufgrund klimatischer Veränderungen – insbesondere durch den Meeresspiegelanstieg und wiederkehrende Sturmfluten – umgesiedelt werden müssten“, berichtet Ann-Christine Link, die zuletzt im September 2024 das Archipel für ihre Feldstudien besucht hatte.
Die Forschenden untersuchten zwei Fallbeispiele in Fidschi: Zum einen den Ort Vidawa auf der Insel Taveuni (434 km² groß), wo eine von der Gemeinde initiierte Umsiedlung auf eine rund 800 Meter entfernte Erhebung mit rund 30 Metern über dem Meeresspiegel derzeit stattfindet. Vidawa ist ein Küstenort, der mit der Umsiedelaktion auf zunehmende Sturmfluten, Erosion und Überschwemmungen reagiert. Und zum zweiten die Ortschaft Denimanu auf der Insel Yadua (0,71 km²), wo die Regierung bereits vor etwa zehn Jahren eine Teilumsiedlung von 19 Haushalten unterstützt hat. Denimanu ist die einzige und kleine Gemeinde mit rund 150 Bewohner*innen direkt an der Küste. Die Umsiedlung fand im Jahr 2013 statt, nachdem Zyklon Evan eine schwere Sturmflut und erhebliche Küstenerosion verursacht hatte.
„Bei der Untersuchung des Wohlbefindens orientierten wir uns bewusst an der fidschianischen Tradition des Geschichtenerzählens“, erklärt die Wissenschaftlerin Link. Das Forschungsteam nutzte die sogenannte Q-Methode – ein Verfahren, das qualitative und partizipative Elemente mit quantitativer Auswertung verbindet. Ziel war es, kollektive Erzählmuster zu identifizieren, die ein gemeinsames Verständnis davon widerspiegeln, wie Menschen klimabedingte Veränderungen und Teilumsiedlungen erleben. „Diese Narrative helfen uns dabei, subjektive Erfahrungen sichtbar zu machen und strukturelle Zusammenhänge zu erkennen – gerade im Hinblick auf das Wohlbefinden der Betroffenen“, so Link weiter.
Insgesamt identifizierten die Forschenden sechs solcher Narrative: zwei in Vidawa, vier in Denimanu. Dabei zeigte sich deutlich: Wer umgesiedelt wurde – und wer blieb – prägt die jeweilige Sichtweise stark. So steht etwa ein Narrativ in Vidawa stellvertretend für Menschen, die noch immer am alten Standort leben: Ihre Geschichten kreisen um die wachsende Bedrohung durch den Klimawandel, die Sorge um die Zukunft und den Wunsch nach Umsiedlung. Gleichzeitig spiegeln sie ein starkes Gemeinschaftsgefühl und das Vertrauen in den kollektiven Zusammenhalt des Dorfes wider. Diese Narrative sind mehr als nur Erzählungen – sie eröffnen einen Zugang zu den emotionalen, sozialen und kulturellen Dimensionen klimabedingter Veränderungen.
„Die Ergebnisse zeigen, dass geteilte Narrative strategische Werkzeuge sein können – sie helfen, Erfahrungen besser zu verstehen und fundierte, menschenzentrierte Umsiedlungspolitik zu gestalten. Die Studie liefert damit wichtige Impulse für künftige Umsiedlungsstrategien, die nicht nur effektiv, sondern auch gerecht und nachhaltig sein sollen“, erläutert die Geographin Ann-Christine Link.
In einem Blog-Beitrag der Fachzeitschrift berichten die Forschenden über ihre Untersuchungen: https://communities.springernature.com/posts/wellbeing-outcomes-in-partial-clima...
Bildtext: Der Klimawandel macht Land und Leuten auf den Fidschi-Inseln immer mehr zu schaffen: Im Vordergrund ein durch Sturm zerstörtes Haus, dahinter ein Neubau auf der Insel Denimanu. Foto: Ann-Christine Link
Bild zum Download: https://www.uni-marburg.de/de/aktuelles/news/2025/fj25
Ann-Christine Link
Fachbereich Geographie
Philipps-Universität Marburg
Tel.: 06421 28-24409
E-Mail: ann-christine.link@geo.uni-marburg.de
Ann-Christine Link et al, Climate-related partial relocation in Fiji impacts the wellbeing of those who relocated and those who stayed differently (2025) Nature Communications Earth & Environment, DOI: https://doi.org/10.1038/s43247-025-02357-3
Criteria of this press release:
Journalists
Cultural sciences, Oceanology / climate
transregional, national
Research results
German
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