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05/30/2025 10:24

Frühe Lebensjahre im Visier der MS-Forschung

Dr. Friederike Fellenberg Pressestelle
NAKO e.V. / NAKO Gesundheitsstudie

    Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) und des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD) haben im Rahmen der NAKO Gesundheitsstudie potenzielle Risikofaktoren für Multiple Sklerose (MS) im Kindes- und Jugendalter untersucht. Ihre Analyse zeigt, dass häufig auftretende Infektionen in der Kindheit, schwere belastende Lebensereignisse, ein höheres Alter der Mutter bei der Geburt des ersten Kindes sowie geringe körperliche Aktivität mit einem erhöhten MS-Risiko in Zusammenhang stehen können. Zugleich bestätigte die Studie bereits bekannte Risikofaktoren der Erkrankung.

    Multiple Sklerose (MS) ist eine entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems und kann die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. „Die Ursachen der MS sind noch weitgehend unbekannt. Einige Studien deuten darauf hin, dass Umwelt- und Lebensstilfaktoren bei genetisch vorbelasteten Menschen dazu führen können, dass die Krankheit ausbricht. Zu den bekannten Risikofaktoren zählen eine genetische Prädisposition, eine Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus, ein Vitamin-D-Mangel, Rauchen sowie Übergewicht. Weniger gut untersucht sind bislang Einflüsse aus der Kindheit und Jugend”, berichtet Professor Dr. Heiko Becher vom Institut für Global Health am Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD).

    Die aktuelle Untersuchung stützt sich auf Daten der NAKO Gesundheitsstudie (NAKO) sowie einer darin eingebetteten Fall-Kontroll-Studie. NAKO-Teilnehmerinnen und -Teilnehmern mit und ohne MS wurden in der Zusatzstudie zu Risikofaktoren befragt. Von besonderem Interesse waren unter anderem vorgeburtliche Faktoren, infektiöse Erkrankungen im Kindesalter, die in der Kindheit und Jugend im Freien verbrachte Zeit, körperliche Aktivität im Teenageralter, Body Mass Index (BMI) im Alter von 18 Jahren, belastende Lebensereignisse sowie das Rauchverhalten. Insgesamt flossen Daten von 576 an MS erkrankten Personen (396 Frauen und 180 Männer) sowie 895 Kontrollpersonen ohne MS (638 Frauen und 257 Männer) in die Auswertung ein. Als MS-Betroffene galten Teilnehmende, die im Rahmen der NAKO eine ärztlich bestätigte Diagnose selbst angegeben hatten. Die Kontrollgruppe bestand aus zufällig ausgewählten Personen ohne MS, die anhand des Geburtsjahrs, Geschlechts und Studienzentrums individuell einer Person mit MS zugeordnet wurden.

    Mithilfe statistischer Modelle analysierten die Forschenden, welche Faktoren im Kindes- und Jugendalter mit einem erhöhten Risiko für MS verbunden sind. Das sogenannte Odds Ratio (OR) gibt dabei an, wie stark der Zusammenhang im Vergleich zur Kontrollgruppe ausfällt: Ein Wert unter 1 spricht für ein geringeres, ein Wert über 1 für ein erhöhtes Risiko. Die Ergebnisse zeigten Assoziationen zwischen MS und Infektionen in der Kindheit (OR=1,14 pro zusätzliche Infektion), belastenden Lebensereignissen (OR 1,25 pro zusätzliches Ereignis), das Erstgeborene einer bei Geburt 30 Jahre oder älteren Mutter zu sein (OR = 2,11) sowie der körperlichen Aktivität in der Jugend (OR=0,82 pro Anstieg des Aktivitätslevels) – hier allerdings in umgekehrter Richtung zu verstehen, also mit einem geringeren Risiko bei mehr Bewegung.

    Zudem bestätigte die Studie bereits bekannte Risikofaktoren, darunter die familiäre Vorbelastung, eine Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus sowie Übergewicht oder Adipositas im Kindes- oder Jugendalter. Keine Zusammenhänge ergaben sich hingegen für alle anderen untersuchten Faktoren unter anderem auch nicht für eine eigene schwere Erkrankung (außer MS), Passivrauchen – also elterliches Rauchen während der Schwangerschaft sowie in der Kindheit und Jugend des oder der Teilnehmenden – oder die im Freien verbrachte Zeit.

    „Unsere Ergebnisse unterstreichen die Relevanz bestehender Präventionsmaßnahmen im Rahmen anderer nichtübertragbarer Erkrankungen – etwa zur Vermeidung kindlicher Infektionskrankheiten, zur Förderung gesunder Essgewohnheiten oder zur Förderung von Bewegung. Diese könnten ebenfalls vielversprechende Strategien in der MS-Prävention sein. Ein besonders eindrückliches Beispiel ist die körperliche Aktivität: Aktuelle Studien zeigen, dass Bewegung im Erwachsenenalter als Schutzfaktor gegen MS wirken kann. Auch gezielte Bewegungsangebote im Jugendalter können möglicherweise einen Beitrag zur MS-Prävention leisten”, sagt Anja Holz, Erstautorin und Wissenschaftlerin am Institut für Medizinische Biometrie und Epidemiologie des UKE. Darüber hinaus liefern die Erkenntnisse eine Grundlage für weiterführende Untersuchungen, etwa zur Frage, ob und in welchem Ausmaß die neu identifizierten Risikofaktoren mit dem Schweregrad der Erkrankung in Zusammenhang stehen.

    Welt-MS-Tag
    Am 30. Mai 2025 lenkt der Welt-MS-Tag zum 17. Mal die Aufmerksamkeit auf die weltweit 2,9 Millionen Menschen, die mit der Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose leben. Die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) informiert, klärt unabhängig auf, räumt Vorurteile aus und fördert Verständnis und Unterstützung für Menschen mit MS und ihre Angehörigen.


    Contact for scientific information:

    Anja Holz, Prof. Dr. Heiko Becher


    Original publication:

    Holz A, Obi N, Pischon T, et al. The relation of multiple sclerosis to family history, lifestyle, and health factors in childhood and adolescence: Findings of a case–control study nested within the German National Cohort (NAKO) Study. Dtsch Arztebl 2025; 30. Mai 2025; DOI: 10.3238/arztebl.m2025.0069; ONLINE first


    More information:

    http://www.nako.de


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    Criteria of this press release:
    Journalists
    Medicine
    transregional, national
    Research results
    German


     

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