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06/04/2025 11:42

Parität erreicht - warum der Gleichstellung die Arbeit trotzdem nicht ausgeht

Antje Karbe Presse & Kommunikation
Pädagogische Hochschule Heidelberg

    Die Pädagogische Hochschule Heidelberg hat sich erfolgreich für das Professorinnenprogramm 2030 beworben, mit dem Bund und Länder mehr Professorinnen an Hochschulen holen wollen. Das Ziel des Förderprogramms, eine paritätische Besetzung der Professuren, hat sie allerdings bereits erreicht – der Frauenanteil liegt bei 47 Prozent.
    Warum es dennoch wichtig ist, in Gleichstellung zu investieren und, was die PHHD die nächsten Jahre vorhat, erzählen im Interview die Gleichstellungsbeauftragten Dr. Frauke Janz und der Gleichstellungsreferent Dr. Wolfgang Schultz von der PH Heidelberg.

    Eine paritätische Besetzung der Professuren, davon können viele Hochschulen nur träumen - wie hat die Pädagogische Hochschule Heidelberg das geschafft?

    Frauke Janz: Wichtig ist auf jeden Fall die Haltung: Gleichstellung wird als Querschnittsaufgabe von der ganzen Hochschule mitgedacht. Die PHHD achtet schon lange darauf, begabte Frauen zu halten und zu 'enthindern', also ihre Anliegen im Blick zu haben und Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Unter anderem setzte sie schon auf die aktive Rekrutierung von Frauen, bevor dies im Landeshochschulgesetz festgeschrieben wurde. Ich bin nun seit sechs Jahren Gleichstellungsbeauftragte und glaube, die PHHD hat schon sehr viel länger im Fokus, dass hier viele tolle Frauen studieren und, dass sich dies auch auf höheren Karrierestufen abbilden sollte.

    Wolfgang Schultz: Ein guter Ausgangspunkt ist sicher, dass unsere Studierenden zu 75 Prozent weiblich sind, an einer PH bewerben sich mehr Frauen für ein Studium. Gleichzeitig zeigt dies, dass schulische Bildung gesellschaftlich eher bei Frauen verortet wird, vor allem die frühkindliche Bildung und das Grundschullehramt.

    Welche Maßnahmen haben zum Erfolg beigetragen?

    Janz: Wir drehen an vielen Stellschrauben und schreiben dies, wenn immer möglich, in unseren Satzungen fest. So sollen beispielsweise laut Senatsbeschluss Sitzungen grundsätzlich um 17.00 Uhr enden, um Mitarbeitenden mit Kindern die Arbeit in Gremien zu ermöglichen. Erziehungszeiten werden bei der Beurteilung akademischer Leistungen und für leistungsbezogene Zulagen mit eingerechnet - denn in drei Jahren Elternzeit ist Forschen und Publizieren nur eingeschränkt möglich.

    Schultz: Dazu kommen vielfältige Einzelmaßnahmen, die gerne angenommen werden – beispielsweise unser niedrigschwelliges Mentoringprogramm, bei dem externe Professorinnen PHHD-Doktorandinnen für ein Jahr begleiten …

    Janz: … oder der Preis für Nachwuchswissenschaftlerinnen, mit dem wir laufende Promotionsarbeiten von Frauen auszeichnen.

    Schultz: Zudem denke ich, dass die Parität bei den Professuren wieder in die Hochschule zurückwirkt: In den Berufungskommissionen sitzen schon lange mehr Frauen, das hat wiederum den Blick auf Bewerber:innen verändert.

    Warum war die Teilnahme am Professorinnenprogramm interessant, wenn die Parität längst erreicht ist?

    Schultz: Wir waren tatsächlich unsicher, ob eine Bewerbung erfolgreich sein kann ...

    Janz: Doch insgesamt sehen wir auch an der PHHD die 'leaky pipeline'. Der hohe Anteil Studentinnen sollte sich eigentlich auf den höheren Qualifikationsebenen ebenfalls abbilden. Aber bei den Doktorandinnen sind es nur noch 63 Prozent Frauen, bei den Professorinnen knapp 50 Prozent. Mit den Fördergeldern des Programms möchten wir gerade in Bereichen, in denen Frauen noch unterrepräsentiert sind, die Entwicklung in Richtung Parität stärker unterstützen.

    Schultz: Denn auch an einer Pädagogischen Hochschule hängt der Frauenanteil immer noch vom Fach ab. Beispielsweise finden die Naturwissenschaften und die Technik weniger Bewerberinnen für Professuren als die Erziehungs- und Sozialwissenschaften. Gerade in solchen Bereichen wollen wir Doktorandinnen und Forscherinnen gezielt Möglichkeiten zur Weiterqualifizierung anbieten.

    Was hat die PHHD sich für die nächsten Jahre vorgenommen?

    Janz: Die Nachwuchsförderung steht stärker im Fokus. Wir müssen früh anfangen, begabte Studentinnen zur Promotion zu ermutigen und an die Hochschule zu binden. Beispielsweise könnten wir Vorträge oder Lehraufträge vergeben und dies aus Mitteln des Professorinnenprogramms finanzieren.

    Schultz: Sind sie dann mal in der Wissenschaft, erschweren befristete Stellen die Familienplanung. Deshalb wollen wir Qualifikationsstellen einrichten, auf denen Frauen an ihrer Promotion arbeiten können, möglichst in Bereichen, in denen sie noch unterrepräsentiert sind. Auf 'Überbrückungsstellen' können sie zudem sechs Monate überbrücken, wenn beispielsweise ein Stipendium ausgelaufen, aber die Promotion noch nicht fertig ist. Und wir werden Gelder für Lehraufträge zur Verfügung stellen, damit Frauen im sogenannten 'akademischen Mittelbau' ihre Lehrverpflichtung vorübergehend reduzieren und mehr forschen können.

    Janz: Für die Besetzung von Professuren soll ein:e Berufungsmanager:in eingestellt werden, die:der aktiv in die Rekrutierung geht. Es ist nachgewiesen, dass Frauen sich die Bewerbung oft erst zutrauen, nachdem sie aktiv angesprochen wurden.

    Noch weiter gedacht: Braucht eine PH nicht eher Maßnahmen zur 'Männerförderung'?

    Schultz: Das brauchen wir nicht, solange der Frauenanteil im Lauf der Karrierestufen sinkt, während bei den Männern die Kaskade von 25 Prozent Studenten auf 40 Prozent Doktoranden ansteigt. Auch an einer PH kommen Männer in der Wissenschaft gut voran, es gibt kein strukturelles Ungleichgewicht, auf das man reagieren müsste. Sicher würde auch ein junger Vater von einer 'Überbrückungsstelle' profitieren – aber im Rahmen des Professorinnenprogramms geht es erstmal nicht um die individuelle Ebene, sondern um einen strukturellen Ausgleich.

    Janz: Abgesehen davon würden wir begrüßen, wenn sich mehr Männer beispielsweise für das Grundschullehramt interessieren. Wir werben immer wieder um Schulabgänger, doch das Interesse ist begrenzt – bei einer Online-Infoveranstaltung für Abiturienten haben wir erlebt, dass nicht ein einziger Interessent kam, obwohl wir die Schulen persönlich angesprochen hatten. So etwas kann man nicht forcieren. Wir haben stets auch diesen Aspekt im Blick. Beispielsweise hat unser Nachwuchswissenschaftlerinnen-Preis an der Hochschule den Wunsch ausgelöst, ein vergleichbares Angebot für Männer zu schaffen - deshalb wird es nun ergänzend einen Förderpreis für abgeschlossene Abschlussarbeiten geben, auf den sich alle PH-Mitglieder bewerben können.

    Lassen Sie uns kurz träumen: Wann müssen wir nicht mehr über Gleichstellung sprechen?

    Schultz: Bereits heute denken viele an der Hochschule die Themen Vereinbarkeit und Geschlechtergerechtigkeit mit, das ist schön. Aber ich glaube, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bleibt immer ein Thema, und zwar für Frauen wie Männer – für die ist das Gleichstellungsteam auch da. Zudem beraten und begleiten wir bei Schwangerschaft und in Fällen von Grenzüberschreitung oder Diskriminierung. Und dann gibt es ein Bündel an Queer- und Diversity-Themen, denen wir in den letzten Jahren verstärkt Aufmerksamkeit widmen. Die Arbeit geht uns auf absehbare Zeit nicht aus.

    Janz: Es ist gut, wenn in Gremien, Besetzungsverfahren und Ausschüssen jemand den 'Gleichstellungs-Hut' aufhat und die relevanten Aspekte im Auge behält. Sonst sehe ich die Gefahr, dass Themen wieder versanden. Gerade in diesen Zeiten scheint eine 'jetzt ist mal gut'-Stimmung aufzukommen. Aber denken Sie an den Gender Pay Gap, die Leaky Pipeline oder die Betreuungssituation – in vielen Bereichen ist unsere Gesellschaft längst nicht so weit, wie es wünschenswert wäre. Insofern müssen wir aus meiner Sicht noch lange über Gleichstellung sprechen!

    (Das Interview führte Antje Karbe,
    Presse und Kommunikation der PH Heidelberg)


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    Criteria of this press release:
    Journalists
    interdisciplinary
    transregional, national
    Miscellaneous scientific news/publications, Science policy
    German


     

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