Forschende der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung und der University of Texas at Austin haben eine bislang unbekannte Art der Molekülbewegung entdeckt: Dringen sogenannte Gastmoleküle in Tröpfchen aus DNA-Polymeren ein, diffundieren sie nicht ungeordnet hindurch, sondern durchschneiden sie geordnet in einer scharfen, wellenartigen Front.
Forschende der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung und der University of Texas at Austin haben eine bislang unbekannte Art der Molekülbewegung entdeckt: Dringen sogenannte Gastmoleküle in Tröpfchen aus DNA-Polymeren ein, diffundieren sie nicht ungeordnet hindurch, sondern durchschneiden sie geordnet in einer scharfen, wellenartigen Front. „Das ist ein vollkommen unerwartetes Verhalten“, sagt Weixiang Chen vom Department Chemie der JGU, der maßgeblich an der Entdeckung beteiligt war. Ihre Ergebnisse haben die Forschenden heute im renommierten Wissenschaftsmagazin Nature Nanotechnology veröffentlicht. Die neuen Erkenntnisse sind nicht nur grundlegend für das Verständnis, wie Zellen Signale regulieren, sondern sie könnten auch zur Entwicklung intelligenter Biomaterialien, neuartiger Membranen, programmierbarer Wirkstoffträger oder synthetischer Zellsysteme beitragen, welche die organisatorische Komplexität des Lebens nachbilden.
Molekülwellen statt klassischer Diffusion
Üblicherweise bewegen sich Moleküle in Flüssigkeiten durch die klassische Diffusion: Gibt man beispielsweise etwas blauen Farbstoff in ein Glas Wasser, verteilt sich die Farbe langsam und bildet weiche, verschwommene Farbverläufe. Anders verhalten sich die nun beobachteten Gastmoleküle in den DNA-Tröpfchen. „Die Moleküle bewegen sich auf eine strukturierte und kontrollierte Weise, die klassischen Modellen widerspricht und eher einer Molekülwelle oder einer beweglichen Grenze ähnelt“, sagt Prof. Dr. Andreas Walther vom Department Chemie der JGU, der die Studie geleitet hatte.
Das Forschungsteam hatte Tröpfchen aus Tausenden von DNA-Einzelsträngen, auch als biomolekulare Kondensate bezeichnet, benutzt. Das Besondere daran: Die Eigenschaften der Tröpfchen lassen sich über die DNA-Struktur und Parameter wie die Salzkonzentration präzise einstellen. Zudem haben die Tröpfchen eine Entsprechung in biologischen Zellen, schließlich nutzen diese ähnliche Kondensate, um komplexe Biochemie ohne Membranen zu organisieren. „Unsere synthetischen Tröpfchen bilden somit ein hervorragendes Modellsystem, um natürliche Prozesse nachzuahmen und besser zu verstehen“, sagt Chen. In die DNA-Tröpfchen gaben die Forschenden speziell entwickelte „Gast“-DNA-Stränge, die das Innere der Tröpfchen spezifisch erkennen und daran binden konnten. Die neuartige Bewegungsform der Gastmoleküle ist den Forschenden zufolge unter anderem darauf zurückzuführen, dass die hinzugegebene und die im Tröpfchen vorhandene DNA durch das Schlüssel-Schloss-Prinzip aneinanderbinden: Das umliegende Material ist dann nicht länger dicht und arretiert, sondern nimmt lokal einen geschwollenen, dynamischen Zustand an. „Die scharfe, hochkonzentrierte Front setzt sich linear mit der Zeit fort – angetrieben durch chemische Bindung, Materialumwandlung und programmierbare DNA-Interaktionen. Ein völliges Novum in weichen Materialien“, sagt Chen.
Neue Basis für das Verständnis zellulärer Prozesse
Wichtig sind diese Erkenntnisse nicht nur für das bessere Verständnis der Physik weicher Materialien, sondern auch chemischer Prozesse in Zellen. „Sie könnten eines der fehlenden Puzzleteile im Verständnis sein, wie Zellen Signale regulieren und molekulare Ereignisse organisieren“, sagt Walther. Interessant sei dies unter anderem für die Behandlung neurodegenerativer Krankheiten, bei denen Proteine aus Zellkernen ins Zytoplasma wandern und dort Kondensate bilden. Altern diese, gehen sie von einem dynamischen in einen eher festen Zustand über und bilden problematische Fibrillen. „Es ist zumindest denkbar, dass sich diese Alterungsprozesse mit Hilfe unserer Erkenntnisse beeinflussen lassen, was langfristig eine gänzlich andere Behandlungsmöglichkeit für neurodegenerative Krankheiten eröffnen würde“, sagt Walther.
Prof. Dr. Andreas Walther
Department Chemie
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Duesbergweg 10-14
55128 Mainz
Tel.: 06131 39-25883
Email: walther-office@uni-mainz.de
http://www.walther-group.com
W. Chen et al., Ballistic diffusion fronts in biomolecular condensates, Nature Nanotechnology, 6. Juni 2025,
DOI: 10.1038/s41565-025-01941-0,
https://www.nature.com/articles/s41565-025-01941-0
Eine Welle aus „Gastmolekülen“ (hellgrün) auf dem Weg ins Zentrum eines DNA-Tröpfchens
Foto: Weixiang Chen
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars, Students
Biology, Chemistry, Materials sciences, Medicine, Physics / astronomy
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
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